In der Nacht war der Nebel so dicht, dass die Nachbarskatze schon wieder das Zierkohl-Rabattl mit ihrem Katzenkistl verwechselt hat. Aber bevor der Ärger darüber wächst, dass der Kohl letzte Nacht ziemlich viel von seiner Zier verloren hat, schweift der Blick aus dem Wohnzimmerfenster rüber zur wahren Zierde des Hofes. Dort steht gerade eine nigelnagelneue Honda Africa Twin Adventure Sports, mit Doppelkupplungsgetriebe und auch sonst allem, was man dazu bestellen kann. Voll mit Reif schaut auch sie ein wenig ärmlich aus. Und trotzdem wird es auf einmal ganz warm ums Herz.

Reif für eine kleine Sonntagsrunde. Die Africa Twin Adventure Sports nimmt ein paar Minusgrade gelassen hin.
Foto: Guido Gluschitsch

Am textilen Motorradlgewand türmt sich auch der Reif – jener des Kellers. Im vergangenen Sommer durfte es nie raus und vergrub sich unter einer feinen Staubschicht, während das Leder Woche um Woche zerschlissener wurde. Die Frau Gemahlin, eingemummelt in einen dicken Einteiler, der ein wenig an einen Elch erinnert, hat sich bühnenreif an ihrem noch sehr heißen Kaffee verschluckt, als zwei Motorradstiefel über die Kellerstiege hinauf flogen und das Textile gleich hinten nach. Manchmal ist es besser zu schweigen, wenn man nach seinem Geisteszustand gefragt wird. Die Frage, ob sie mitfahren will, kann ich mir trotzdem nicht verkneifen.

Warme Putzfetzen

Und wenn wir schon bei so vielen intimen Geständnissen sind: Ich habe keine langen Unterhosen. Ich hätte nie geglaubt, dass ich es jemals bereuen würde, als ich die letzte, gemeinsam mit einem Büschel Strumpfhosen, zu Putzfetzen adelte. Die unwürdige Jogginghose ist auch keine Lösung, will ich nicht mit offener Hose fahren – und ich will ganz bestimmt nicht mit offener Hose fahren. So lange sind wir dann auch wieder nicht verheiratet. Außerdem sind die Knie und Schenkerl im Vergleich zu den Fingern eh recht warm, nachdem ich den Reif vom Sitzbankerl der Africa Twin gekratzt hatte.

Die Sitzbank ist bei der neuen Africa Twin Adventure Sports übrigens ein wenig schmäler als bei der Vorgängerin und kann von 870 auf 850 Millimeter abgesenkt werden. Mit eins neunzig ist mir das zwar ziemlich egal, aber andere werden sich da schon freuen, dass sie nun ohne demütigende Hüftakrobatik am Stand auf den Boden kommen. Die klammen Finger sind auch nur kurz ein Problem, denn die Griffheizung schmeißt sich schon bei eingeschaltener Zündung voll ins Zeug und wartet nicht, bis der 1.084 Kubikzentimeter große Twin zu stampfen beginnt.

Während die Bedientasten für das Doppelkupplungsgetriebe noch flauschig vereist sind, haben sich die Griffe schon von selbst abgetaut.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Experte hat es schon übernasert: Ja, der Hubraum der Africa Twin ist um 86 Kubikzentimeter größer geworden. Das heißt auf dem Papier auch mehr Leistung (75 kW, 102 PS) und mehr Drehmoment (105 Nm). Nur auf dem Papier deswegen, weil das beim Rumnudeln, im ersten Kreisverkehr und beim sanften Rausbeschleunigen auf dem Zebrastreifen nicht so direkt auffällt. Vor allem dann, wenn man überlegt, ob man nicht schnell die Hände vom Lenker nimmt, bevor der Rauch aufsteigt. Denn auf Stufe fünf kann man auf diesen Heizgriffen vermutlich Speck braten. Selbst bei winterlichen Temperaturen reicht Stufe drei. Zudem hat man ja bei der Adventure Sports – das ist die Straßenvariante der Africa Twin – serienmäßig Handprotektoren verbaut.

Sie schaut schon mächtig aus, die Africa Twin, vor allem wie hier, mit Stollenreifen und Koffersystem.
Foto: Honda

Digitale Stützräder

So eine Winterrunde ist leider weniger wild, als es sich die Dame, zwei Orte weiter, wohl ausgemalt hat, als sie ihren Handtaschenhund fast schon panisch in den Arm nimmt, als sich ihr die mächtige Honda nähert. Von der Traktionskontrolle über das ABS bis hin zum Doppelkupplungsgetriebe DCT wird nun auch die Schräglage als Berechnungsfaktor durchs System gejagt. Wer hier von digitalen Stützradeln spricht, liegt wohl nicht so falsch.

Eine sechsachsige Intertial Measurment Unit (IMU) bedient HSTC, die siebenstufige Honda Selectable Torque Control, den Tempomaten (jetzt serienmäßig), Kurven-ABS, Wheelie-Control, Rear Lift Control und Emergency-Stopp-Signalfunktion. Neben den vier fix programmierten Fahrmodi Tour, Urban, Gravel und Offroad kann man sich auch zwei Modi frei programmieren, zumindest wenn man sich um 1.800 Euro das elektronische Fahrwerk Showa EERA dazugekauft hat. Damit kann man mit nur einem Knopfdruck, je nach Beladung, die Vorspannung des hinteren Federbeins ändern. Schaut am Stand lustig aus, wenn das Heck nach oben und unten wandert. Das ist halt die einzige Freude, die einem daran bleibt, wenn die Frau Gemahl lieber den Elch aufs Sofa bettet, statt das Sonntagsrunderl mitzufahren. Aber dabei ist sie nicht allein.

Das Display lässt sich auch unter einer kleinen Eisschicht einfach bedienen. Einstellen kann man fast alles, bis auf die Farbe der Reifen.
Foto: Guido Gluschitsch

Dakar-Feeling in Eisenstadt

Radfahrer sind anscheinend die Härteren. Denn von denen treffe ich auf der Hausrunde übers Leithagebirge nach Eisenstadt und retour gleich mehrere. Die im Sommer obligatorischen Dauergrüßer bleiben mir aber erspart. Komisch eigentlich, denn wenn es kalt und schön rutschig ist, fällt es zumindest in den Kurven leicht, den Dauer-70er auf der Strecke einzuhalten. Abseits davon ist es aber eh grad nicht so tragisch. Die Buschen, in denen sich sonst die Blaulichtler gemütlich einrichten, tragen kein Laub und bieten ihnen so keinen Schutz. Und ein Kapperl ist halt doch keine Haube, weshalb sich im lichten Waldrand auch niemand versteckt. So bliebt einem mehr Zeit, auf den Zwischengeraden das Dakar-Feeling zu genießen.

Zwei Displays

Was sich andere Hersteller nämlich nicht getraut haben, hat Honda eiskalt (sic!) umgesetzt. Sie haben eine kleines, einfaches LCD-Display verbaut, das permanent die notwendigsten Daten wie die Geschwindigkeit einblendet. Damit wurde das 6,5 Zoll große TFT-Touchdisplay frei, um all das darzustellen, was sich der Fahrer wünscht. Andere Hersteller müssen dort immer auch noch die Geschwindigkeitsanzeige unterbringen. Gleichzeitig kommt man sich aber vor wie auf einem echten Dakar-Bike, mit dem Navi oben und der kleinen Anzeige unten. Ein Anblick, wie ihn sonst nur die Rallyefahrer kennen.

So stellt man sich vor, werden die Reisen sein mit der Africa Twin. Die Realität ist manchmal kühler.
Foto: Honda

Das große Farbdisplay kann übrigens alles, was gerade modern ist, von Uhr über Navi bis hin zu Apple CarPlay. Bedienen kann man es entweder, indem man drauftatscht – Tatschdisplay – oder über das Bedienelement beim linken Daumen. Ja eh, das Computergraffel ist eine nette Spielerei, aber einen alten Hund wie mir reicherten die zwei frei programmierbaren Fahrmodi und ein Tacho. Wichtiger ist, wie das Eisen zu bewegen ist. Gerade auch bei Bedingungen, die nicht für einen Werbeprospekt taugen.

LED-Scheinwerfer und eine markante Taglicht-Kennung gehören inzwischen zum guten Ton bei modernen Motorrädern. Unter den beiden großen Scheinwerfern befinden sich die Lamperln für das Kurvenlicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Abgespeckt

Da spielt man sich mit der neuen Africa Twin. Nicht nur, weil die Schräglage die Fahrsysteme beeinflusst, sondern auch weil man nun aufrechter sitzt, mehr Bewegungsfreiheit hat und die Africa Twin agil von einer Seite auf die andere zu schmeißen ist. Das mag auch daran liegen, dass sie in der neuesten Version um gleich mehrere Kilogramm abgespeckt hat. Möglich wurde das, weil der Stahlrahmen durch einen verschraubten Aluminium-Hilfsrahmen ersetzt wurde und nun auch die Hinterradschwinge aus Aluminium ist. Letztere sorgt laut Honda wegen der höheren Steifigkeit auch für bessere Traktion. Obwohl man da schon auch sagen muss, dass diese Maschine auch bei einem leichten Rutscher einfach zu dirigieren ist. Und auch wenn so vieles besser wurde, alles kann die Africa Twin dann doch nicht.

Wenige Minuten, nachdem die Honda wieder im Hof stand, lümmelte die Nachbarskatze schon in der Nähe des warmen Motors. Der Kohl hat bis heute nicht nur jegliche Zier verloren, sondern sein Leben endgültig ausgehaucht. (Guido Gluschitsch, 5.2.2020)

Es gibt auch noch die Offroadvariante der Africa Twin. Sie hat ein kürzeres Windschild und man fährt sie vorzugsweise voderreifenschonend.
Foto: Honda