Es gibt Länder wie Italien oder Frankreich über deren Küche alljährlich eine Vielzahl an Büchern erscheinen. Und dann gibt es die blinden Flecken, die Exoten Europas, die schön langsam vom Buchmarkt entdeckt werden. Vor einigen Jahren erschien von Olia Hercules "Mamuschka – Osteuropa kulinarisch entdecken" das uns italophilen Mitteleuropäern zeigte, welche Vielfalt in der Ukraine, in Moldawien oder Georgien auf den Tellern landet. Simon Bajada hat sich nun in seinem soeben erschienen Buch der baltischen Küche, also jener Estlands, Lettlands und Litauen gewidmet.

Der Autor stammt ursprünglich aus Australien und ist gelernter Koch, lebt nun aber in Stockholm und hat sich auf Food-Fotografie und Rezeptentwicklung spezialisiert. Er reiste durch die baltischen Länder und fotografierte Menschen, Landschaften und sammelte jede Menge Rezepte.

Simon Bajada, Die baltische Küche
224 Seiten
ISBN 978-8310-3952-4
Dorling Kindersley
25,70 Euro
Foto: Dorling Kindersley Verlag

Die Kulinarik in den drei Staaten spiegelt auch ihre Geschichte wider. Einflüsse kommen aus der deutschen, polnischen und natürlich vor allem russischen Küche. 1940 wurden alle drei Länder durch die Sowjets annektiert und "einem Prozess der Russifizierung unterworfen", wie Bajada in der Einleitung erzählt. Die kleinen bäuerlichen Betriebe wurden durch große, staatlich geführte Produktionsstätten ersetzt, Restaurants gab es wenige. Das hat sich nach der Unabhängigkeit im Jahr 1991 wieder geändert, es entwickelte sich eine junge, spannende Restaurantszene mit neuen Interpretationen von klassischen Gerichten. Bajada präsentiert in seinem Buch daher nicht nur alte, authentische Rezepte. Er versuche, den "Geist der baltischen Küche so einzufangen, wie er jetzt ist", erklärt er.

Unterschiede in den drei Küchen gibt es natürlich auch. In Estland, dem nördlichsten der drei Staaten, hat die "New Nordic Cuisine" rasch Einzug gehalten. In Lettland wiederum ist der Einfluss der russischen Küche besonders ausgeprägt, unter anderem deswegen, weil hier auch nach der Unabhängigkeit viele Russen geblieben sind. Litauens Kulinarik weist auch Einflüsse der jüdisch-askenasischen Küche auf, Fisch und Meeresfrüchte sind wegen des geringeren Küstenanteils weniger häufiger vertreten als in Estland und Lettland.

Die Rezepte

Generell spielen im Baltikum Milchprodukte eine große Rolle, ganz besonders jene aus Sauermilch, daher widmet der Autor diesen ein ganzes Kapitel mit Rezepten wie "Sommerliche Milchsuppe", "Rote-Bete-Kartoffel-Salat mit geräucherter Hühnerbrust" (Rezept s.u.) oder Schokokonfekt, das mit Frischkäse gefüllt ist.

Rezepte mit Fisch, wie "Auflauf mit geräuchertem Kabeljau", "Baltischer Hering mit Kartoffeln und Hanfsamen" oder "Hechtklößchen in Dillbrühe" gibt es im zweiten Kapitel.

Es geht weiter mit den Abschnitten "Aus dem Garten" mit Erbsensuppe oder eingelegten Gurken und "Vom Bauernhof": mit einem Rezept für Hanfbutter oder einem Gericht mit dem klingenden Namen "Hakklihakaste" mit Kartoffeln und faschiertem Rind- und Schweinefleisch – Kartoffeln sind überhaupt eine sehr häufig verwendete Zutat.

Wegen des doch raueren Klimas ist die vorherrschende Getreidesorte im Baltikum für Brot Roggen. Ein Rezept für Schwarzbrot mit Sauerteig wird im Kapitel "Backwaren" ebenso beschrieben wie eines für Mohnkuchen – das weist große Ähnlichkeiten mit einem heimischen Mohnstrudel auf. Süße Brotsuppe, eine Apfelsuppe oder auch Grießpudding finden sich im Abschnitt "Süßes".

Exotisch wird es dann beim letzten Teil, den Getränken. Das fermentierte, leicht sprudelnde Getränk Kwass, das in zahlreichen Ländern Osteuropas bekannt ist, wird im Baltikum auf der Basis von Schwarzbrot hergestellt. Dazu braucht es nicht viele Zutaten, sondern nur ein wenig Geduld für den Fermentationsprozess.

Neben den sehr schönen Fotos überzeugt das Buch auch durch die zusätzlichen Hintergrundinformationen zu vielen Produkten, die bei jedem Rezept angegeben sind. (Petra Eder, 1.2.2020)