Die Informationsflut, die Panik macht: Viel stärker als das Virus verbreiten sich Bilder, die Angst machen.

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Ein STANDRAD-Erklärvideo. Die WHO hat zwar den internationalen Notstand ausgerufen, das neuartige Virus ist allerdings deutlich weniger gefährlich als ähnliche Viren wie Sars oder Mers. Europäer müssen sich nicht fürchten, sagen Experten.
DER STANDARD

Es sind Bilder, die Angst auslösen: Leergefegte Straßen in einer chinesischen Großstadt, Menschen mit Gesichtsmasken und Flugzeuge, die "Europäer aus China ausfliegen". Die mediale Berichterstattung hat unerwünschte Nebenwirkungen, könnte man sagen. Sie macht Angst, und wer dann noch einen Druck in der Brust spürt oder – noch schlimmer – Husten und Fieber entwickelt, kann panisch werden. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) hat sich aufgrund der vielen Anfragen entschlossen, eine Hotline einzurichten.

Jeden Morgen treten sieben Ages-Mitarbeiterinnen ihren Dienst zur Beruhigung besorgter Bürgerinnen und Bürger an. Am ersten Tag gingen bis 17 Uhr insgesamt 199 Anrufe ein. Ob das viel ist? "Wir vergleichen es mit der Hitze-Hotline, da gehen den ganzen Sommer über etwa nur 200 Anfragen ein", sagt Ingrid Kiefer, in der Ages für Risikokommunikation verantwortlich, und kann bestätigen, dass die Leute beunruhigt sind.

Reisen nach Asien

Die Sorgen der meisten kreisen um vier große Themengebiete. Viele Fragen gibt es zu den Gefahren auf Reisen nach Asien, vor allem nach Thailand. Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr auf den Flughäfen? Die noch viel größere Sorge ist die Frage, was im Falle einer Ansteckung passieren würde. "Die Leute wollen nicht in einem Spital in Asien behandelt, sondern zurück in die Heimat gebracht werden." Solange die Reise nicht in die Provinz Hubei oder sogar direkt nach Wuhan geplant ist, geben die Ages-Mitarbeiterinnen Entwarnung. Und wer wirklich besorgt ist und unbedingt nach China muss, könne sich im Außenministerium registrieren und auf diese Weise die Reisetätigkeit offiziell dokumentiert antreten.

Viele wollen, so Kiefer, wissen, ob die Schutzmasken vor einer Infektion schützen. Die Antwort: Nein, tun sie nicht. Es gibt keine Evidenz, also keine wissenschaftlich gesicherte Grundlage, für diese Annahme. Im Gegenteil, sagt Kiefer. Eine Maske irritiert, und deshalb greifen sich die, die sie tragen, häufig ins Gesicht und erhöhen dadurch die Infektionsgefahr allgemein. Das heißt: Man erhöht das Risiko für alle möglichen Erkrankungen, aktuell kursieren zum Beispiel Influenzaviren, die im Vergleich zu Coronaviren wesentlich ansteckender und gefährlicher sind. Warum werden dann in China überall Masken getragen? Sie sind eine Maßnahme, um die Weiterverbreitung der Viren einzudämmen. China versucht, den Ausbruch lokal, also auf eine Region begrenzt zu halten. Masken helfen dabei, dafür gibt es Evidenz. Und sonst gelten die gleichen Maßnahmen wie bei der Grippe: Hände waschen, in die Armbeuge niesen.

Bei der Hotline rufen auch besorgte Menschen an, die sich vor Waren aus China fürchten. Auch hier kalmieren die Ages-Mitarbeiterinnen. Das Wuhan-Virus wird durch Tröpfcheninfektionen von Mensch zu Mensch übertragen und übersteht sicherlich keine Transporte.

Angst und Wahrheit

Ingrid Kiefer rechnet damit, dass bei einem bestätigten Verdachtsfall die Hotline heiß laufen wird. "Wir sind gerüstet", sagt sie und meint damit auch die Website der Ages, die derzeit zehnmal so stark wie sonst frequentiert wird. Mit über 140.000 Zugriffen in vier Tagen verzeichnet man einen Rekord. "Und das, obwohl die Influenza aus unserer Sicht als Gesundheitsbehörde wesentlich besorgniserregender ist", betont Kiefer, "doch alles, was neu ist, erschreckt die Leute einfach." Und zusätzlich fluten unendlich viele Bilder und Gerüchte die medialen Kanäle.

Vom jährlichen Risikobarometer, einer Umfrage der Ages, weiß sie, dass eine tatsächliche Gefahr von der Bevölkerung sehr oft unterschätzt wird. "Die Leute haben keine Angst vor Schimmel, schneiden grün angelaufene Stellen weg, obwohl sie wirklich Angst vor Schimmel haben sollten, weil Aflatoxine giftig sind", kann Kiefer berichten. Sie fürchten sich hingegen vor Pflanzenschutzmitteln, obwohl die aus Sicht der Gesundheitsbehörden keine große Gesundheitsgefahr darstellen.

Ähnlich sei es beim Wuhan-Virus. Die Menschen in Österreich haben Angst vor einem weit entfernten Virus und rufen die Hotline an. Der Influenza, die jedes Jahr in Österreich zirka 1.500 Tote fordert, stehen sie gelassen gegenüber, "so gelassen, dass sie sich nicht einmal impfen lassen", so Kiefer.

Die Coronavirus-Hotline der Ages wird so lange bestehen, bis die Infektionsgefahr gebannt ist und die Panik abebbt, versichert sie. (pok, 30.1.2020)