Als Generaldirektor der Nationalbank setzte Heinz Kienzl 1977 gegen Bruno Kreisky die Fortsetzung der Hartwährungspolitik durch.

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Kaum ein Bundeskanzler, Minister oder Unternehmenschef hat zur Wirtschaftspolitik der Zweiten Republik und ihren Erfolgen so viel beigetragen wie der Gewerkschafter und Notenbanker Heinz Kienzl, der am Mittwoch im Alter von 97 Jahren gestorben ist. Er hat sowohl die Sozialpartnerschaft als auch die österreichische Hartwährungspolitik entscheidend geprägt.

Als Sohn eines Wiener Drogisten und einer Mutter jüdischer Herkunft war Kienzl während der NS-Herrschaft von Verfolgung bedroht. Von der Universität für Welthandel wurde er 1942 als "Mischling" zwangsexmatrikuliert, stattdessen arbeitete er als Freileitungstechniker für die Technische Nothilfe und konnte erst 1945 wieder Handelswissenschaften studieren. Trotz trotzkistischer Sympathien schloss er sich 1945 der SPÖ an. Seine Dissertation 1948 beschäftigte sich bereits mit der Währungspolitik der Zweiten Republik.

Ab 1946 war Kienzl im ÖGB tätig, wo er von 1950 an 18 Jahre lang die volkswirtschaftliche Abteilung leitete. Er war Arbeiterkammerrat und einer der Vordenker der Sozialpartnerschaft, der Grundsäule der Wirtschaftsordnung nach 1945, zu der die Gewerkschaft mit moderaten Lohnforderungen – und einer klaren Abgrenzung zum Kommunismus – beitrug.

Förderer der Sozialwissenschaft

Und Kienzl wurde zum Wegbereiter der Sozialwissenschaften in Österreich, durch die Gründung der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft, die ab 1961 als Erste die in den USA entwickelten Methoden der Demoskopie in Form statistisch abgesicherter Meinungsumfragen anwandte. Bis zu seinem Lebensende war Kienzl Obmann der Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft für Sozialforschung; er unterstützte und betreute weitere außeruniversitäre Forschungsinstitute.

1973 wechselte Kienzl in die Nationalbank, 16 Jahre lang als Generaldirektor und von 1988 bis 1993 als Erster Vizepräsident. Bei seinem Eintritt war gerade das stabile Bretton-Woods-Währungssystem zusammengebrochen. Kienzl betrieb die feste Bindung des Schilling an die D-Mark und wurde zum vehementen Verfechter der Hartwährungspolitik.

Mit Benya und Androsch

1977 kam es zu einer großen Auseinandersetzung in der SPÖ-Alleinregierung: Die Industrie forderte eine Abwertung, um mit Italien und anderen Weichwährungsländern mithalten zu können. Sie fand bei Kanzler Bruno Kreisky, der sich wegen der Arbeitslosigkeit sorgte, ein offenes Ohr. Doch Kienzl überzeugte ÖGB-Präsident Anton Benya, dass eine Abwertung bloß mehr Inflation bringen und damit den Arbeitnehmern schaden würde. Gemeinsam mit Finanzminister Hannes Androsch wurde die Abwertung abgewehrt. Der harte Schilling zwang die Unternehmen zu ständigen Produktivitätszuwächsen, was langfristig den Aufschwung beschleunigte.

Mit der wachsenden Umweltschutzbewegung konnte Kienzl nichts anfangen. Er setzte sich 1978 vehement für das AKW Zwentendorf ein und später für das Donaukraftwerk Hainburg. Genauso intensiv betrieb er später den EU-Beitritt Österreichs und die Schaffung des Euro.

2002 schuf die WU Wien zu seinen Ehren den Dr.-Heinz-Kienzl-Preis, der alljährlich vor allem für interdisziplinäre Arbeiten in der Sozialforschung vergeben wird.

Schlagzeilen wegen Luxuspension

In hohem Alter geriet Kienzl 2013 noch einmal in die Schlagzeilen durch Berichte über seine Notenbank-Pension, die mehr als 30.000 Euro im Monat betrug. Gemeinsam mit anderen OeNB-Pensionisten zog Kienzl gegen erzwungene Solidarbeiträge vor Gericht; er verwies darauf, dass er den Großteil seiner Bezüge für die Förderung junger Wissenschafter verwende. 2014 reagierte die Regierung mit einem Sonderpensionsgesetz, das zukünftige Sonderpensionen deutlich einschränkt. Kienzl selbst musste nur auf wenig Geld verzichten. (Eric Frey, 29.1.2020)