Im Gastkommentar vertritt der Ökonom und Steuerexperte Benjamin Bittschi die Position, dass die Pendlerpauschale verteilungspolitisch problematisch und ineffizient ist.

Die Pendlerpauschale hat ein Problem. Symbolisch wird das dadurch deutlich, dass laut Duden die amtsdeutsche Bezeichnung "das Pauschale" als veraltet angesehen wird. Veraltet ist allerdings nicht nur die Bezeichnung, sondern die gesamte Konstruktion. Die ökonomische Begründung für ihre Abschaffung beruht auf den grundlegenden Prinzipien der Besteuerung: Effizienz und Verteilung.

Ineffiziente Steuer

Die jährlich rund 1,3 Milliarden Euro an Kosten für die Pendlerpauschale sind kein Geschenk des Finanzministers, sondern müssen Jahr für Jahr aufs Neue von den Steuerpflichtigen erwirtschaftet werden, um anschließend verteilt werden zu können. Das ist ineffizient, da dadurch alle Steuerpflichtigen zunächst mehr Steuern zahlen müssen, als dies ohne das vermeintliche Geschenk notwendig wäre. Im Falle der Pendlerpauschale entspricht der jährlich aufzubringende Betrag in etwa der geplanten Absenkung der ersten Steuerstufe von 25 auf 20 Prozent. Wenn man so will, sind diese fünf Prozentpunkte steuerliche Mehrbelastung nur notwendig, damit sich die Steuerpflichtigen selbst das Pendeln finanziell erleichtern.

Die Pendlerpauschale sollte ursprünglich Geringverdiener unterstützen – die soziale Treffsicherheit darf jedoch mittlerweile angezweifelt werden.
Foto: Imago / Jochen Tack

Die Mehrbelastung bringt allerdings weitere Ineffizienzen mit sich – Stichwort "Steuerliche Belastung des Faktors Arbeit". Die hohe steuerliche Pendlerförderung ist mitverantwortlich dafür, dass Österreich in internationalen Rankings Spitzenplätze in dieser Kategorie einnimmt. Eine höhere Steuerbelastung der Arbeit als nötig hat die Nebenwirkung, dass viele Beschäftigte entweder keine Beschäftigung aufnehmen oder es sich für diese nicht lohnt, aufgrund der hohen Abgabenbelastung mehr zu arbeiten. So fallen für den Fiskus – und damit für uns alle – neben den direkten Kosten der Pendlerpauschale weitere indirekte Kosten durch entgangene Steuereinnahmen an.

Verteilungspolitisch unfair

Zu diesen Ineffizienzen kommt hinzu, dass die Pendlerpauschale problematische verteilungspolitische Aspekte hat. Im Gegensatz zum Verkehrsabsetzbetrag, der eigentlich schon für die entstandenen Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz entschädigt, stehen die Pendlerpauschale (und der Pendlereuro) nicht allen Steuerpflichtigen zu, sondern nur jenen, die besonders weit weg von ihrem Arbeitsplatz wohnen. Oft ist diese Tatsache damit zu erklären, dass sich die Arbeitsstätten in den urbanen Zentren befinden, dort allerdings Wohnen wesentlich teurer ist als am Land. Insofern ist Pendeln aus individueller Perspektive verständlich, da sowohl in den suburbanen Speckgürteln als auch am Land Wohnraum zumeist günstiger ist als in den Städten.

Daraus ergibt sich aber eine verteilungspolitische Ungerechtigkeit: Die Pendlerpauschale entschädigt nur die Personen, die zumindest in 20 Kilometer Entfernung zur Arbeit wohnen. Wer hingegen die hohen städtischen Wohnkosten in Kauf nimmt, wird nicht in ähnlicher Weise entschädigt. Die Pendlerpauschale hat somit keinen Bezug zu den Realeinkommen der Steuerpflichtigen. Vereinfacht und überspitzt gesagt bezahlt eine im städtischen Arbeiterviertel wohnende Putzfrau die Fahrt von Ärzten und Rechtsanwälten aus der Villa im Speckgürtel in die innerstädtische Arbeit, ohne für die erhöhten Wohnkosten im urbanen Raum entschädigt zu werden.

Höhere Infrastrukturkosten

Diese Anreizsetzung hin zum Pendeln bringt weitere Kosten mit sich, welche sich beispielsweise durch die Be- und Zersiedelung der Landschaft ergeben. Neben den häufig genannten negativen ökologischen Aspekten wie CO2-Austoß, Feinstaub oder Lärm führen die Anreize der Pendlerpauschale auch zu höheren Kosten für die kommunale Infrastruktur. Insbesondere sind aber die hohen volkswirtschaftlichen Kosten des Pendelns durch den Verlust von Freizeit und Produktionsmöglichkeiten zu nennen, welche die häufig thematisierten ökologischen Kosten um ein vielfaches übersteigen können.

Ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlicht dies: Bei den derzeitigen Preisen für CO2 (rund 25 Euro pro Tonne CO2 im europäischen Zertifikatehandel) können 30 Kilometer Pendelstrecke selbst mit einem Auto, das 200 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, mit 0,15 Euro kompensiert werden. Demgegenüber stehen bei einer halbstündigen Fahrtzeit für diese Strecke, und angenommenen Lohnkosten von 20 Euro pro Stunde, ein Produktionsausfall von zehn Euro. Dies zeigt, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Pendelns deutlich über den ökologischen liegen, selbst bei in Zukunft stark steigenden Zertifikatspreisen. Schwieriger ist es, ökonomisch adäquat den Wert der Freizeit zu bestimmen beziehungsweise den Nutzen zu beziffern den Wohnen im ländlichen Bereich gegenüber der Stadt bietet.

Eine Mehrfachförderung

Allerdings wird aus dem Beispiel und den genannten Gründen deutlich, dass die Wahl des Wohnsitzes so wenig wie möglich durch steuerliche Anreizstrukturen beeinflusst werden sollte. Aus steuerlicher Perspektive gibt es neben dem Verkehrsabsetzbetrag, der im Prinzip sowohl für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz als auch für allfällige höhere Wohnkosten entschädigt, keine sinnvolle Begründung für Pendlerpauschale. Diese erhöht die Kosten der Besteuerung und ist damit ineffizient. Personen, die sich ökologisch und ökonomisch effizient verhalten – indem sie so nah wie möglich am Arbeitsplatz wohnen –, nehmen häufig höhere urbane Wohnkosten in Kauf und werden daher im Vergleich zu den Pendlern benachteiligt, da die Pendlerpauschale nicht die proportional mit der Entfernung zum Arbeitsplatz sinkenden Wohnkosten berücksichtigt. Eine Ökologisierung der Pendlerpauschale behebt weder die Effizienzproblematik, noch die beschriebenen verteilungspolitischen Probleme. Eine Ökologisierung ändert auch nichts daran, dass die Pendlerpauschale ein klassisches Fallbeispiel einer steuerlichen Mehrfachförderung ist.

Die steuerpolitisch sinnvollste Lösung wäre daher eine Abschaffung der Pendlerpauschale und eine Einarbeitung der frei werdenden Mittel in den Tarif. Die Abschaffung würde die Effizienz des Steuersystems steigern und sowohl Arbeitskosten verringern als auch Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig würde die Abschaffung ökologische Fehlanreize beseitigen und das Steuersystem gerechter machen. (Benjamin Bittschi, 30.1.2020)