Auch die Straßen von Sarajevo bleiben – wohl vorerst – außerhalb der EU.

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Brüssel/Sarajevo – Eine sichere Art, Gerüchte zu erzeugen, ist, dass man andere zu lange warten lässt. Anders als versprochen, veröffentlichte die EU-Kommission am Dienstag nicht die neue Methode zur EU-Erweiterung auf dem Balkan. Die plötzliche Verschiebung des lange erwarteten Dokuments wurde auch nicht erklärt. Offensichtlich ist nur, dass es seit langem einen Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die Erweiterung gibt.

Frankreich hatte im Vorjahr durch ein Veto im EU-Rat verhindert, dass Nordmazedonien und Albanien – die einzigen beiden der sechs Balkan-Staaten, die Reformen umsetzten – mit den Beitrittsverhandlungen beginnen können.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte das Thema zur Chefsache gemacht, aber bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nichts erreicht. Vergangene Woche stellte sie nochmals klar, dass Nordmazedonien und Albanien endlich verhandeln sollen.

Erweiterung nach Reform

Frankreich hatte im November ein Papier zur Einführung einer "neuen" Methode der Verhandlungsführung mit den EU-Aspiranten vorgelegt. Macron will, dass zunächst die EU selbst reformiert wird und dann erst neue Staaten hinzukommen. In dem französischen Papier wird darauf verwiesen, dass die notwendige "politische, ökonomische und soziale Transformation" in den südosteuropäischen Staaten zu langsam vorwärtsgehe. Deshalb müsse die Methode der EU geändert werden. Allerdings wird diese Analyse aus Paris nicht den Realitäten vor Ort gerecht.

Denn die notwendigen Reformen bleiben nicht deshalb aus, weil es eine falsche Methode seitens der EU gibt, sondern weil es keinen politischen Willen der lokalen politischen Eliten – außer in Nordmazedonien und Albanien – gibt, etwas zu verändern oder überhaupt der EU beizutreten. Das liegt vor allem daran, dass die Justiz von Parteien unterlaufen ist und diese davon profitieren.

Kein Fortschritt in Serbien

Montenegro, das bereits seit 2012 verhandelt, hat zwar praktisch alle Kapitel geöffnet, aber nur drei geschlossen, und für zwei davon musste die Regierung nichts tun, um dies zu bewerkstelligen. Serbien wiederum, das seit fünf Jahren verhandelt, hat ebenfalls nur zwei Kapitel geschlossen und den Reformprozess seit zwei Jahren praktisch eingestellt. Frankreich besteht nun darauf, dass in dem neuen Kommissionspapier auch enthalten ist, dass der Beitrittsprozess reversibel sein muss, obschon es ohnehin keinen Fortschritt gibt. Sanktionen gibt es außerdem jetzt schon – so kann etwa die Schengen-Visumfreiheit zurückgenommen werden.

Einig ist man sich in den EU-Staaten darin, dass es künftig mehr Geld für die Region geben soll, auch um externe Einflüsse (China, Russland, Türkei) hintanzuhalten. Nachgedacht wird auch über Alternativen zur Vollmitgliedschaft, etwa den Beitritt zum Binnenmarkt und ein gemeinsames Roaming mit der EU. Dieser Tage reist übrigens der neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach Prishtina und Belgrad, um den Dialog zwischen den beiden Staaten anzukurbeln. (Adelheid Wölfl, 30.1.2020)