"Unsere Kunden sind die Unternehmen" erklärte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Interview.

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Vor ein paar Wochen sorgte eine Meldung zum Thema "politische Realität in Österreich" für Staunen. Ein streng vertraulicher Entwurf zur Klimastrategie unseres Landes wurde vom Wirtschaftsministerium nicht, so wie üblich, zur Begutachtung an andere Ministerien geschickt, sondern gleich an die Wirtschaftskammer und von dort direkt an Industrie-Lobbyverbände von in Österreich tätigen Großkonzernen. Bemühte man sich damals noch seitens des Ministeriums, den Vorfall als "Fehleinschätzung eines Mitarbeiters" zu entschuldigen, so scheint die aktuell amtierende Ministerin da keinerlei Skrupel zu kennen. "Unsere Kunden sind die Unternehmen", erklärt Margarete Schramböck im STANDARD-Interview und offenbart damit ein Amtsverständnis, das traditionell überlieferte Vorstellungen, wonach man als Minister Diener des Volkes zu sein hat, als hoffnungslos veraltet entlarvt.

Kundendienst statt Staatsdienst

Kundendienst statt Staatsdienst lautet das neue Motto, wobei die Frage, wer als Kunde zu gelten hat, noch nicht von allen Ministern so eindeutig geklärt wurde wie von Frau Schramböck. Wenn sich ihre strikt unternehmensorientierte Interpretation des Themas durchsetzt, muss sich beispielsweise das Verteidigungsministerium nicht mehr primär mit den Sorgen und Nöten des Bundesheeres herumschlagen, sondern kann sich endlich ganz auf die Wünsche der Rüstungskonzerne konzentrieren. Im Bildungsministerium wäre die ewige Streitfrage, ob die Anliegen der Lehrer, Schüler oder Eltern dringlicher sind, endlich gelöst, indem künftig keine der drei Gruppen, sondern stattdessen Nachhilfecamps und Matura-Partyurlaubveranstalter als Kunden bevorzugt behandelt werden.

Das Sportministerium könnte die Vergabe von Fördermitteln direkt an Peter Schröcksnadel und Didi Mateschitz outsourcen. Und das Außenministerium sollte über bessere Serviceangebote nachdenken, zumal sein Internetserver gerade von Kundenbeschwerden aus Russland lahmgelegt wurde.

Interventions- und Drohbereitschaft

Wirklich spannend wird es aber für jene Regierungsstellen, wo die Befriedigung unterschiedlicher Kundeninteressen neue Synergien hervorbringen könnte. Zum Beispiel im Kanzleramt, wo Gerald Fleischmann, der für seine hemmungslose Interventions- und Drohbereitschaft berüchtigte Propagandaexperte von Sebastian Kurz, nun auch als "Kanzlerbeauftragter für Medienfragen" tätig ist. Seine Kunden sind also zum einen die beim Buhlen um Förderungen oftmals jede Schamgrenze pulverisierenden Medien, zum anderen der beim Buhlen um schmeichelnde Berichterstattung oftmals verblüffend unsouveräne Bundeskanzler.

Hier könnte Fleischmann, in Anlehnung an das von ihm erdachte Regierungs-Wording, unter dem neuen Motto "das Beste FÜR beide Welten" künftig Presseförderungen an das Abschneiden bei einem nach dem Doyen der ÖVP-Hofberichterstattung benannten "Gerhard-Jelinek-Preis" koppeln. Im Kampf um diesen Staatspreis für Hagiografie und angewandte Rückgratvermeidung könnten sich die Top-Favoriten Martina Salomon, Wolfgang Fellner oder Michael Jeannée gegenseitig zu neuen Spitzenleistungen pushen, während Kurz bei der Auslegung des Begriffs "Kundenbindung" neue Maßstäbe setzen könnte. (Florian Scheuba, 30.1.2020)