Wien/Krems – Mikroplastik sorgt in der Regel – zu Recht – für Schlagzeilen der negativen Art: Die millimeterkleinen Kunststoffpartikel lagern Giftstoffe an oder setzen selbst welche frei, werden von verschiedensten Organismen aufgenommen und gelangen so in die Nahrungskette, die letztlich wieder zu uns zurückführt. Anscheinend gibt es aber auch Lebewesen, die aus dieser lästigen Form von Abfall ihren Nutzen ziehen können.

Bestimmte Bakterien, die in Seen leben, können Mikroplastik nämlich für lebenswichtige Zellbausteine verwenden, fanden österreichische Forscher mit Kollegen von mehreren finnischen Universitäten heraus. An der Studie, die im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht wurde, waren Experten der LIPTOX Forschungsgruppe der Donau-Universität Krems am WasserCluster Lunz unter der Leitung von Martin Kainz beteiligt.

Aufgenommen und weitergereicht

"Wir haben Mikroplastik gekauft, nämlich mit dem stabilen Kohlenstoff-Isotop 13C markiertes Polyethylen, und gaben es zu Bakterien, die in Seen natürlich vorkommen", erklärt Kainz. Er konnte feststellen, dass die Mikroben Teile des Kunststoffs aufnahmen und daraus Energie gewannen. "Der Kohlenstoff aus dem Mikroplastik wurde auch in die Membranen der Bakterien selbst aufgenommen, er wurde also Bestandteil ihrer Struktur", so der Forscher.

Die Bakterien wurden wiederum von sogenannten mixotrophen Algen verwertet. Das sind Algen, die sowohl durch Photosynthese Energie gewinnen können, als auch Bakterien und deren Bestandteile fressen. "Diese Algen synthetisierten aus den Bakterien, die 13C-Polyethylen enthielten, essenzielle Omega-3 Fettsäuren, die wichtige Bausteine von Zellmembranen sind", so die Forscher. Die Algen wuchsen durch die Aufnahme der Bakterien sogar schneller, als im autotrophen Modus nur mit Photosynthese. "Beim Kohlenstoff der Omega-3 Fettsäuren ist nachgewiesen worden, dass er teilweise vom Mikroplastik kommt", sagt Kainz.

Diese Omega-3 Fettsäuren sind sehr wichtig für weitere Glieder in der Nahrungskette einschließlich des Menschen. Die Forscher verfütterten die mixotrophen Algen daher an das nächste Glied, nämlich Wasserflöhe (Daphnia magna). Auch in deren Zellmembranen war schließlich der spezielle Kohlenstoff nachweisbar. Er war somit aus dem Mikroplastik über Bakterien und Algen in die Wassertiere gelangt und hat dort zur Bildung ihrer Zellbausteine beigetragen.

"Weiß gewaschen"

Neben den bekannten negativen Seiten von Mikroplastik gäbe es demnach auch einen anderen Weg, den der Kunststoff nehmen kann, so Kainz: Dass seine Bestandteile nämlich quasi durch die Nahrungskette weiß gewaschen werden, so wie Geld, das durch die Hand mehrerer Besitzer geht, wo der letzte keine Ahnung hat, woher es stammt. Sehr viel Omega-3 Fettsäure sei zum Beispiel im menschlichen Gehirn und in der Netzhaut enthalten. Teile daraus könnten durchaus aus Mikroplastik kommen. (red, APA, 30. 1. 2020)