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Das Mate 30 Pro kommt mit monatelanger Verzögerung nun auch nach Österreich und soll nur den Anfang einer Reihe von Huawei-Smartphones ganz ohne Google-Dienste darstellen.

Foto: MICHAEL DALDER / REUTERS

Als Mitte Mai 2019 bekannt wurde, dass Huawei auf einer schwarzen Liste des US-Handelsministeriums gelandet ist, sorgte dies nicht nur in der Presse für einige Aufregung. Die folgenden Wochen sei man damit beschäftigt gewesen, selbst herauszufinden, was das nun alles bedeutet, gestand Fred Wangfei, Country-Manager für Österreich, am Donnerstag im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien ein. Thema der Veranstaltung war die langfristige Strategie des chinesischen Hardwareherstellers, und nachdem man sich im Vorjahr eher verschlossen gegeben hatte, gewährte man dieses Mal einen recht detaillierten Einblick in die weiteren Pläne.

Der Zug ist abgefahren

Selbst wenn die USA den Handelsbann aufheben sollten, werde Huawei nicht mehr zu den Google-Diensten zurückkehren, betont das Unternehmen auf Frage des STANDARD. Der Grund dafür ist ein recht simpler: Immerhin könne man sich nicht darauf verlassen, dass nicht bald danach wieder eine neue Sperre erfolgt, dieser Abhängigkeit von der US-Politik wolle man sich entledigen. Ziel sei es, neben Android und iOS ein drittes Smartphone-Ökosystem zu schaffen – allerdings eines, das weiter auf dem Open-Source-Code von Android basieren wird und sich auch langfristig eng an das Original von Google halten soll, um die Kompatibilität zu garantieren.

Nachdem diese Nachricht auch international einige Wellen schlug, ruderte Huawei hinter den Kulissen allerdings etwas zurück. So betonte Huawei Deutschland etwa gegenüber t3n, dass sich nichts an der eigenen Position geändert habe, man also weiter mit Google zusammenarbeiten wolle. Ein echtes Dementi ist dies allerdings nicht, immerhin wird es auch ohne Google-Dienste weiter Zusammenarbeit zwischen den beiden Firmen benötigen. Immerhin will Huawei ja den Android Open Source Code für seine Geräte weiter verwenden, zudem müssen auch die bestehenden Geräte von Huawei mit Google-Diensten weiter gewartet werden.

Dementi

Deutlicher wurde Huawei hingegen gegenüber einem Journalisten der niederländischen Tech-Seite Tweakers.nl. Dieser wurde nämlich praktisch zeitgleich zum STANDARD-Bericht von dem chinesischen Hardwarehersteller mitgeteilt, dass Huawei im Falle der Aufhebung des Banns zu Google-Diensten zurück kehren würde. Klar ist damit eigentlich derzeit nur mehr, dass es dringend eines eindeutigen Statements von Huawei bedarf, um diese Frage zu klären. Bisher hatte man sich ja um diese zentrale Frage immer gedrückt.

Und tatsächlich folgte am frühen Dienstagabend dann noch eine internationale Stellungnahme von Huawei, die zur Wahrheitsfindung aber ebenfalls nur sehr begrenzt etwas beiträgt. Heißt es darin doch: "Ein offenes Android-Ökosystem ist noch immer unsere erste Wahl, aber wenn uns die USA dieses nicht benutzen lassen, haben wir die Möglichkeit eines selbst zu entwickeln".

Huawei Mobile Services

Derzeit liegt der Fokus von Huawei jedenfalls auf der Schaffung eines eigenen Ökosystems, und dafür nimmt das Unternehmen auch ordentlich Geld in die Hand. Drei Milliarden US-Dollar sollen allein 2020 in die Entwicklung der Huawei Mobile Services fließen, rund 4.000 Entwickler sind derzeit mit dieser Aufgabe betraut. Eine weitere Milliarde ist für das Marketing der Huawei-Dienste außerhalb Chinas gedacht. Bei den Huawei Mobile Services (HMS) handelt es sich um das Pendant zu den Google Play Services, also jenes Infrastrukturdiensts, dessen Verlust Huawei am härtesten getroffen hat. Immerhin wird diese Komponente von einem großen Teil aller Android-Apps genutzt, ohne sie funktionieren die betreffenden Programme nicht – oder nur eingeschränkt. Dabei handelt es sich um rund 60 unterschiedliche Services, die App-Entwicklern das Leben erheblich leichter machen, von der Einbindung von Karten in die eigene App bis zur Abwicklung von Login-Aufgaben oder die Standortbestimmung reicht die Palette.

Huawei will nun die App-Entwickler dazu bringen, ihre Apps anzupassen, um sie sowohl mit der Google-Lösung als auch mit den eigenen Alternativen lauffähig zu machen. Das ist natürlich eine herausfordernde Aufgabe, immerhin bedeutet dies für App-Entwickler Mehrarbeit. Der chinesische Hardwarehersteller betont allerdings, dass man einigen Aufwand betreibt, um die Belastung für Entwickler möglichst gering zu halten. So halte man sich etwa bei den Schnittstellen der einzelnen Services bewusst eng an das Google-Vorbild. Gleichzeitig bekennt Huawei auf Nachfrage, dass all das derzeit noch work in progress sei. Immerhin sind die Google Play Services über Jahre gereift, diese einfach so nachzubauen sei keine triviale Aufgabe. Derzeit beschränkt man sich genau deswegen auch auf 24 der 60 Dienste – die für die meisten Apps wichtigsten.

App Gallery statt Play Store

Trotz all dieser Hürden ist man davon überzeugt, dass das Angebot in der eigenen App Gallery – Huaweis Pendant zum Play Store – schon bald wachsen wird. Schon jetzt gebe es dort 1,2 Millionen Apps zu finden – größtenteils allerdings aus China, wo Huawei-Geräte ohnehin schon immer ohne Google-Dienste ausgeliefert werden, da der Android-Hersteller in dem Land nicht aktiv ist. Aber auch die Zahl europäischer Apps sei stark am wachsen, so gibt es etwa auch die STANDARD-App bereits in der App Gallery. Und sogar Apps von US-Unternehmen sollen bald hinzukommen, immerhin ist Huawei durchaus klar, dass deren Fehlen – allen voran Facebook und Whatsapp – viele Kunden von einem Kauf neuer Smartphone-Generation abhalten könnte.

Wen diese Ankündigung verwundert, weil der US-Handelsbann doch eigentlich auch große App-Hersteller betreffen sollte, für den hat Huawei eine Erklärung parat. Man hat schlicht eine Proxy-Firma in Europa eingerichtet, mit der die US-Anbieter ihre Verträge zur Nutzung der Dienste abschließen können, womit der Bann umschifft wird. Ob sich Facebook und Co auf solch "kreative" Konstruktionen einlassen, muss sich allerdings erst zeigen. Im Rahmen des Mobile World Congress Ende Februar will man jedenfalls viele Neuerungen zu Partnerschaften parat haben.

Erwartete Rückschläge

Trotzdem ist Huawei durchaus klar, dass der eingeschlagene Weg ein schwieriger wird. So geht man davon aus, dass die eigenen Marktanteile im Jahr 2020 auch in Österreich zurückgehen werden, wie das Unternehmen auf STANDARD-Frage offen bekennt. Immerhin wird keines der geplanten neuen Smartphones mehr mit Google-Diensten ausgeliefert werden. 2019 profitierte man noch von bereits vor dem Bann abgeschlossenen Verträgen und konnte so den Marktanteil (bei 25,6 Prozent) relativ stabil halten. Diesen Vorteil hat man heuer nicht mehr. Und solange die eigenen Geräte noch nicht alles, was die Kunden von Geräten mit Google Android gewohnt sind, ersetzen können, werde sich dies natürlich negativ auf die Absatzzahlen auswirken.

Mate 30 Pro kommt

Zumindest macht Huawei aber eines klar: Die neuen Smartphones des Unternehmens sollen künftig auch ohne Google-Dienste in Österreich verkauft werden. Den Anfang macht dabei das Mate 30 Pro, das ab Februar hierzulande erhältlich sein soll. Dies allerdings zunächst in einem stark begrenzten Rahmen, Ziel dabei sei vor allem, Feedback vom Markt zu erhalten, betont das Unternehmen. Neue Geräte wie das für Ende März erwartete P40 / P40 Pro sollen dann ebenfalls nach Österreich kommen. Dabei ist Huawei auch davon überzeugt, dass man die bestehenden Partnerschaften aufrechterhalten kann, die Geräte also weiter über alle großen Mobilfunker verkauft werden.

Der Gefahr, dass man viele Kunden verärgert, indem man ihnen Smartphones verkauft, auf denen viele gewohnte Apps fehlen, will man über Informationskampagnen begegnen. Sowohl online als auch in den Stores sollen Interessenten ausführlich über Softwarebeschränkungen und Alternativen zu bisher genutzten Diensten informiert werden. Zur Nachinstallation von Google-Diensten will man den Nutzern dabei allerdings nicht raten – abhalten wird man sie davon aber natürlich auch nicht. (Andreas Proschofsky, 30.1.2020)