Die Postkartenidylle, gepaart mit der jahrtausendelangen Geschichte, hat eine enorme Zugkraft.

Hörmandinger

Friedrich Idam (links) plädiert für saftige Eintrittspreise für Hallstatt-Besuche, Bürgermeister Alexander Scheutz warnt vor einem allzu musealen Zugang.

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Die Häuser schmiegen sich an die imposante Felswand. Eine idyllische Symbiose aus Holzbau und schroffem Gestein. Platz ist in Hallstatt eben Mangelware. Was aber rund eine Million, vorwiegend asiatische Gäste pro Jahr selbst in Zeiten viraler Bedrohungen nicht von einem Abstecher in den Weltkulturerbeort abhält. Ein kommunales Gespräch über den schmalen Grat zwischen Gast und Last.

STANDARD: Wie viele Österreicher besuchen eigentlich Hallstatt?

Scheutz: Bei den Nächtigungen führen die Österreicher, gefolgt von Deutschen, dann erst Chinesen. Beim Tagesgast ist es schwierig zu sagen.

Idam: Wir haben ja bei den österreichischen Gästen mittlerweile eine Art Metatourismus. Da kommen Leute, die nur schauen wollen, ob wirklich so viele Asiaten in Hallstatt sind.

Scheutz: Geh bitte, das sagen doch viele nur per Gaudi.

STANDARD: Herr Idam, Sie waren lange Zeit Totengräber. Haben Sie Ihren Heimatort geistig schon zu Grabe getragen?

Idam: Meine Zeit als Totengräber ist lange vorbei. Damit habe ich 1987 aufgehört. Aber: Hätte ich meinen Heimatort zu Grabe getragen, dann wäre ich nicht in der Politik aktiv. Es ist einfach dringend an der Zeit, dass wir etwas tun. Es kommen deutlich zu viele Touristen nach Hallstatt. Und das Zuviel löst viele andere Prozesse aus. Etwa die Okkupation des öffentlichen Raums. Das zeigt sich auf dem Marktplatz, aber ganz massiv auf dem Friedhof. Du kannst heute in Hallstatt kein Begräbnis mehr in Ruhe und Würde abhalten. Wir brauchen heute während einer Bestattung Polizeischutz.

Scheutz: Geh bitte, Fritz! Das ist doch völlig übertrieben.

Idam: Nein. Polizisten müssen mittlerweile alles abriegeln.

Scheutz: Das haben sie doch immer getan. Weil wir bei jedem Begräbnis einen Umzug durch den Ort machen. Da ist halt das Zentrum dann für den Verkehr gesperrt. Und ich bin bei jedem Begräbnis dabei, weil ich bei der Salinen-Musi spiele. Dich habe ich noch selten bei Begräbnissen gesehen.

Idam: Bitte, die Kirche muss bei einem Begräbnis zugesperrt werden. Am Friedhof ist die Situation extrem.

Scheutz: Dort ist halt auch mit dem Beinhaus eine echte Touristenattraktion. Und die Kirche zeigt das auch bewusst her und verdient Geld damit. Und mit diesen Einnahmen erhält und saniert die Pfarre die zahlreichen denkmalgeschützten kirchlichen Gebäude in Hallstatt.

STANDARD: Ist es nicht für einen Bürgermeister enorm schwierig? Sie müssen es allen recht machen – den Gästen, den Einwohnern, der Gemeindekassa.

Scheutz: Natürlich ist das enorm schwierig. Ich muss vor allem aber schauen, dass kein Lagerdenken im Ort entsteht. Wir haben ein Problem und müssen das aber gemeinsam lösen.

STANDARD: Aber wenn Sie sich rund um den aktuellen Eisprinzessinnen-Hype mit einer Elsa-Puppe in Tageszeitungen abbilden lassen, sorgt das eher für durchaus kontroversielle Diskussion im Ort, oder?

Scheutz: Das ändert doch an der Situation nichts. Ich bestreite ja nicht, dass es zu viele Touristen sind. Ganz klar: Es sind viel zu viele Tagesgäste in Hallstatt. Wir als Gemeinde unternehmen alles Mögliche, um das zu bewältigen. Ich kann daher diese ganzen Horrorszenarien nicht mehr hören.

Idam: Der Hut brennt. Das musst du endlich einmal erkennen. Die Entwicklung ist bedenklich: Die Tagesgäste werden mehr, aber die Nächtigungen dagegen stagnieren oder sind sogar leicht rückläufig. Die bleibenden Gäste beklagen sich, dass zu viele Tagesgäste da sind.

Scheutz: Hallstatt hat vor zehn Jahren 70.000 Nächtigungen gehabt. Wir haben investiert und uns weiterentwickelt, auf Qualität gesetzt. Im Vorjahr hatten wir 145.000 Nächtigungen. Heute sind wir als Gemeinde unabhängig und sind finanziell gut aufgestellt. Und wir haben Öffis, weil wir Touristen haben. Wegen uns Hallstättern fährt der Postbus nicht. Das muss man halt auch mal sagen.

STANDARD: Bis zu 10.000 Tagesgäste besuchen in Spitzenzeiten Hallstatt. Wo wäre die Grenze des Erträglichen?

Idam: Ich bin für eine Reduktion um gut zwei Drittel. Dann wäre ein qualitätsvoller Tourismus möglich. Ungefähr 2012 war es gerade noch erträglich in Hallstatt.

Scheutz: Da bin ich ja deiner Meinung: 10.000 sind definitiv zu viel. Mit Mai wird sich die Situation durch die Beschränkung des Busverkehrs aber entschärfen.

STANDARD: In vielen Orten und Regionen wird die Einführung von Eintritten für Touristen überlegt. Wäre dies auch für Hallstatt ein gangbarer Weg?

Idam: Wir werden ja jetzt wie ein Freilichtmuseum überrannt. Mit einem großen Unterschied: Es wird nichts gezahlt. Daher mein radikaler Ansatz: Wir reduzieren auf ein Drittel. Und dieses Drittel zahlt aber dreimal so viel. Man kann sich ein Ticket lösen. Und wenn es voll ist, ist es eben voll. Das ist in jeder Oper so, das ist beim Kolosseum in Rom so, bei den Vatikanischen Museen, in Florenz beim Dom oder wenn man Machu Picchu besucht.

Scheutz: Aber wir sind doch kein Museum. So etwas kann man den Leuten nicht zumuten. Das ist doch keine Lebensqualität. Da kann ich dann gleich die "Keine Touristen"-Schilder aufstellen.

Idam: Man darf es eben nicht Eintritt nennen. Es braucht eine Zugangsbeschränkung. Hallstatt ist doch heute längst eine Bühne, auf der immer mehr Akteure, die nicht mehr im Ort wohnen, ein Tourismus-Stück inszenieren. (Markus Rohrhofer, 31.1.2020)