Mit ihrem Experiment ist den Forschern eine Premiere geglückt.
Foto: Kahan Dare, Lorenzo Magrini, Yuriy Coroli, University of Vienna

Wien – Wiener Physikern ist es erstmals gelungen, einen schwebenden Festkörper mit Quanteneigenschaften zu erzeugen: Sie konnten ein winziges Glaskügelchen mittels Laserlicht nicht nur zum Schweben bringen, sondern es gleichzeitig bis zum sogenannten Quantenregime abkühlen, unter dem seine Bewegung nicht mehr den Gesetzen der klassischen Physik, sondern jenen der Quantenphysik folgt.

Die Herausforderung

Was mit Atomwolken relativ "einfach" geht, war mit Festkörpern, die eine viel höhere Dichte haben, bisher nicht möglich. Der Grund dafür ist die starke Bindung zwischen den Atomen, die fest im Kristallgitter sitzen und sich unisono bewegen, sagt Markus Aspelmeyer von der Fakultät für Physik der Universität Wien und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Damit man auch über einen Festkörper die Quantenkontrolle erlangt, muss das Objekt einerseits von Umgebungseinflüssen möglichst gut isoliert werden. Andererseits muss seiner Bewegung praktisch die gesamte thermische Energie entzogen werden. Erst ganz nah am absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) dominiert die Quantenmechanik.

Die Methode

Für ihr Experiment verwenden die Physiker ein Glaskügelchen, etwa tausendmal kleiner als ein Sandkorn, das aber immer noch aus einigen hundert Millionen Atomen besteht. Um es von seiner Umgebung zu isolieren, wurde es im Hochvakuum von einem stark fokussierten Laserstrahl in Schwebe gehalten und gleichzeitig vom Laserlicht gekühlt. Aspelmeyer hat bereits 2013 gemeinsam mit seinem Wiener Kollegen Markus Arndt gezeigt, dass sich Nanoteilchen aus Glas im Lichtfeld eines optischen Resonators festhalten und kühlen lassen. Damit erreichte man bisher aber nur Temperaturen weit über dem absoluten Nullpunkt.

Die Physiker haben diesen Experimentaufbau nun gemeinsam mit Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) aufgerüstet und setzten dabei frühere Ideen von Kollegen aus Innsbruck und Stanford um. Dabei wird vereinfacht gesagt das Glaskügelchen zwischen zwei Spiegel positioniert. Das zum Fangen verwendete Laserlicht wird am Teilchen gestreut und tauscht dabei mechanische Energie mit dem Teilchen aus. Durch genaues Abstimmen des Abstands zwischen den Spiegeln mit der Wellenlänge des Laserlichts können solche Streuprozesse verstärkt werden, bei denen dem Kügelchen Bewegungsenergie entzogen wird. Im Gegensatz zu früheren Experimenten ist kein zweites Lichtfeld für die Kühlung notwendig, wodurch sich viel tiefere Endtemperaturen erreichen lassen.

So schafften es die Forscher, die Bewegungsenergie des Glaskügelchens auf nur 0,00001 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt abzukühlen, sodass es sich wie ein Quantenteilchen verhält. Für das Kügelchen bedeutet das eine kuriose Situation: Seine Oberfläche ist durch den Laser auf 300 Grad Celsius aufgeheizt, "doch die Bewegungsenergie ist äquivalent zu minus 273 Grad Celsius", so Aspelmeyer.

Vergleich zwischen Mikro- und Makrokosmos

Um das zu veranschaulichen, zieht der Physiker einen Vergleich mit der Erde heran. So wie diese um die Sonne kreist, bewegt sich das Glaskügelchen innerhalb der Laserfalle. Und so wie die Erde eine bestimmte Oberflächentemperatur hat, hat auch das Kügelchen eine solche – auch dann, wenn seine Bewegungsenergie auf ein Maß reduziert wird, dass seine Bewegung nicht mehr durch die Gesetze der klassischen Physik beschrieben werden kann. Auch die Erde hätte noch immer ihre Oberflächentemperatur, wenn man sie plötzlich auf ihrem Weg um die Sonne stoppen würde. "Die Bewegung des Teilchens und seine Temperatur sind zwei völlig unterschiedliche Dinge", so Aspelmeyer.

Bisher konnten Festkörper im Quantenregime nur in Form von winzigen Sprungbrettern oder Trommelfellen untersucht werden, die soweit gekühlt werden, dass sie nicht mehr schwingen. Doch solche Systeme sind immer an einer Trägerstruktur fixiert. Ein schwebender Festkörper mit Quanteneigenschaften erlaubt dagegen viel mehr Freiheit – für Aspelmeyer ist das eine "coole Toolbox", die unglaublich reich an Optionen ist.

Vorstellbar wären etwa eine neue Art von hochsensitiven Messgeräten, die Untersuchung grundlegender Prozesse von Wärmekraftmaschinen im Quantenregime oder von Quantenphänomenen mit großen Massen. (APA, red, 30. 1. 2020)