Es ist der Tag vor dem 25-Jahr-Jubiläum von FM4, an dem wir Angelika Lang im neuen FM4-Studio auf dem Küniglberg treffen. Sie ist nur selten hier, der halbe Sender rennt freudig zusammen, als sie bei der Tür hereingeht.

Angelika Lang moderiert zwar beruflich nicht mehr für FM4, aber das Gespräch bot eine gute Gelegenheit, das neue Studio einmal zu besuchen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner / theflow.cc

Es hat sich viel verändert seit dem Tag, an dem sich Angelika Lang, im achten Monat schwanger, an das Mischpult setzte, ihren Kaugummi draufpickte und zum im Hintergrund eingespielten Sound der Beastie Boys ins Mikro sprach: "So klingt es, wenn das FM4-Herz zu schlagen beginnt."

Am 16.1.1995 eröffnete Angelika Lang Radio FM4.
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Genau diese Worte sagt sie jetzt noch einmal. Vielleicht, um sich zu beruhigen. Sie wird nicht gerne fotografiert. Und genau das passiert gerade. Im neuen Studio, das sie erstmals betritt, weil sie nicht mehr bei FM4 moderiert, auch wenn sie sich im Sender bewegt, als wäre er ihr Zuhause.

Angelika Lang ist Sprecherin und Moderatorin, fährt ein E-Auto und fliegt wenig, sie liebt Katzen und die Stones. Sie macht sich Gedanken
über Lebensmittel, Regionalität und Heimat.
Foto: Wolf-Dieter Grabner / theflow.cc

Von Wien ins Weinviertel

Auch ihr tatsächliches Zuhause hat sich verändert. Angelika Lang lebt nicht mehr in Wien, sondern ist ins Weinviertel zurückgegangen. "Ich bin da draußen aufgewachsen, als Landkind, geprägt und erzogen von der Natur, die mich umgeben hat", erzählt sie. "Später wurde ich zu einem leidenschaftlichen Stadtmenschen, bis ich merkte, ich brauche wieder das langsamere Tempo." Heute mag sie es, wenn um 17, 18 Uhr die Straßen im Ort leer sind, sie am Abend die Sterne sehen kann, weil es so gut wie keine Lichtverschmutzung gibt.

Angelika Lang war schon immer eine Frau, die sehr bewusst und womöglich auch intensiv gelebt hat. Sie war eine richtige Kretzn, gibt sie zu, die Revoluzzerin steckt immer noch tief in ihr, obwohl sie kalmierend einwirft: "Das Leben schleift einen schon sehr."

Vielleicht tut es das umso mehr, wenn man auch die eigenen Entscheidungen immer wieder hinterfragt. "Sehr abgelegen leben zu wollen hat den Preis, zum Arbeitsplatz pendeln zu müssen. Und diesen Preis will ich für die Umwelt so niedrig wie möglich halten", sagt sie. Darum hat sie, als sie das alte Haus sanierte, "nicht nur eine Wärmedämmung und eine Solaranlage gemacht, sondern auch gleich einen Ladeanschluss für ein E-Auto."

Damit sie die rund 80 Kilometer nach Wien nicht mit einem Verbrenner fahren muss, hat sie sich vor drei Jahren ein E-Auto gekauft – obwohl sie sich auch mit dieser Art, wie mit jeder Form des Individualverkehrs, höchst kritisch auseinandersetzt. Aber eine akzeptable Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es bei ihr draußen nicht.

Die Kostmiezen mitgerechnet, die Angelika Lang am Land regelmäßig besuchen, betreut sie ein gutes Duzend Katzen – äh Gadsen.
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Reichweite um vernünftiges Geld

Für die Distanz musste es ein E-Auto mit genügend Reichweite sein, ein kompakter Wagen um ein vernünftiges Geld. Nur eine Sitzheizung hat Angelika Lang nachgerüstet, denn jetzt im Winter, wenn die Reichweite ob der niedrigen Temperaturen zurückgeht, verzichtet sie im Auto auf die Heizung. "Ich sitze oft mit Mantel und Handschuhen im Auto", sagt sie und schmunzelt dabei.

Wir werden es später noch einmal machen, schmunzeln, wenn wir den Aufkleber auf ihrem Auto sehen. Eine Katze mit Verband an Ohren und Pfote, daneben die Worte: "Please! Slow down for us."

Zusammen mit den zwei eigenen und den Streunern betreut Angelika Lang ein gutes Dutzend Katzen. "Ich bin ein Katzenmensch", sagt sie, "Kennst du die Zuordnung, dass Rolling-Stones-Fans Katzenfans, Beatlesfans aber Hundefans sind? Stimmt meistens", sagt sie lachend. "Katzen sind Freigeister, haben eine eigene Persönlichkeit. Sie suchen sich ihre Menschen aus."

Schon wahr, Katzen sind sehr sensible Tiere, die werden also vermutlich eine Freude an ihrer Stimme haben. "Die habe ich von meiner Mutter", sagt Angelika Lang, die für Magazine und Dokus in ORF 2, ORF 3 oder auch Ö1 spricht.

Natürlich gibt es auch das für so eine Geschichte obligatorische Autoansteckfoto.
Foto: Wolf-Dieter Grabner / theflow.cc

Wer Probleme hat, sich selbst auf Aufnahmen oder über eine Anlage zu hören, kann beruhigt sein. Angelika Lang ging es da lange Zeit nicht anders. "Irgendwann hat es mich dann nicht mehr geschüttelt, wenn ich mich selbst gehört habe. Irgendwann gewöhnt man sich daran, und inzwischen kann ich mir selber zuhören und merke, wenn ich etwas nicht so gut rübergebracht habe oder anders hätte machen können."

Stimmung mit Stimme

Der Begriff Sprecherin sei da ein wenig irreführend, meint sie. "Es geht ja um viel mehr als das Sprechen, es geht ums Erzählen einer Geschichte, darum, sich und seine Stimme in den Dienst der Geschichte zu stellen. Mit Stimme Stimmung zu machen."

Sie stellt sich aber auch in den Dienst der Umwelt. Nicht nur mit ihrem E-Auto. Sie kauft sehr selten Kleidung und trägt immer noch gerne ihre Sachen aus den 1980er-Jahren. "Die finden meine Kinder mittlerweile wieder cool." Sie sagt, sie werde richtiggehend aggressiv, wenn ihr die Werbung erzählt: "Darauf kannst du diesen Winter nicht verzichten!", und antwortet darauf: "Und wie ich kann!" Sie bekommt keine Postwurfsendungen, benutzt für Reisen in den Urlaub am liebsten die Bahn und den Nachtzug, außerdem fliegt sie so wenig wie möglich.

"Ich fliege extrem wenig", bestätigt sie, "dank meiner Flugangst ist das allerdings eine leichte Übung. Ich hab vor nichts Angst im Leben, aber Flugzeuge sind der Horror für mich."

Überhaupt fällt auf: So konsequent sie ihr eigenes Leben zu führen versucht, so wenig missionarisch ist sie dabei. Der Schuss ginge auch oft nach hinten los, ist sie überzeugt. "Das lernst du spätestens, wenn du Kinder erziehst: Alles, was ich gepredigt habe, ist bei einem Ohr rein, beim anderen wieder raus. Alles, was ich vorgelebt habe, leben sie nach", sagt sie, und erklärt: "Ich war und bin ja selbst sofort skeptisch, wenn etwas mit dem Zeigefinger daherkommt." Da ist sie also wieder, die Frau, die sich erst auflehnt und dann doch über alles nachdenkt.

Angelika Lang fürchtet sich nicht vor dem Begriff Heimat, auch wenn dieser für "seltsame Schnittmengen zwischen Nationalisten und Globalisierungsgegnern" taugt.
Foto: Wolf-Dieter Grabner / theflow.cc

Ernährung und Regionalität

Um das Bild vollends abzurunden, fehlt dann eigentlich nur noch, dass sie vegan lebt oder zumindest Vegetarierin ist.

Sie geht mit dem Thema Ernährung sehr bewusst um, "aber auf Fleisch kann ich zum Beispiel nicht verzichten, das gibt’s dann halt nicht oft und wird zum Beispiel beim Bauern im Weinviertel gekauft. Fleisch, das eine Grenze passiert hat, esse ich nicht. Oder Obst und Gemüse: Da geht’s weniger ums Verzichten als ums Timing. Ich muss zum Beispiel Erdbeeren nicht ausgerechnet dann essen wollen, wenn’s bei uns keine gibt. Und regionale Lebensmittel mit kurzen Transportwegen schmecken ja einfach auch besser." Sie steht auf "Essen und Kochen wie die Großelterngeneration – Essbares wegwerfen geht gar nicht. Aus Restln was kreieren, das macht Spaß, schmeckt – meistens zumindest – gut, aber immer anders." Wobei uns der Regionalitätsbegriff zum nächsten Thema, Heimat, bringt.

"Ich habe da keine Berührungsängste, auch oder gerade wenn es wie in den letzten Jahren vordergründig zu seltsamen Schnittmengen zwischen Nationalisten und Globalisierungsgegnern kommt. Wenn ich meine Heimat wirklich liebe, dann will ich das doch teilen – mit Gastfreundlichkeit und offenen Armen." Für Angelika Lang ist Heimat nicht ausgrenzend. So wie es ihr auch beim Klimaschutz nicht darum geht, die Erde zu retten: "In diesem Slogan findet sich vielleicht mit ein Grund, warum es an zu vielen Ecken und Enden immer noch zu wenig Bewusstsein für den Klimaschutz gibt. Es geht darum, unser Leben hier zu retten. Der Erde ist das letztlich wurscht. Die schüttelt sich einmal und ist uns los." (Guido Gluschitsch, 1.2.2020)