Günther Brandstetter beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Vor dem neuen Coronavirus fürchtet er sich nicht.

Foto: cremer/rawicka/istock

Die Grippewelle allein verursacht schon viel Arbeit. Das Coronavirus sorgt für zusätzlichen Stress.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Die fünfjährige Tochter klagt über Juckreiz, wenn sie Lulu macht. Möglicherweise plagt sie ein Harnwegsinfekt. Ein Anruf bei der Kinderärztin, ob sie noch einen Termin frei hat. Normalerweise ist das keine große Sache, doch derzeit dauert es gefühlt eine Stunde, bis jemand abhebt. "Die Grippewelle breitet sich über Wien aus, viele besorgte Eltern wollen wissen, was sie tun sollen. Und vor dem Coronavirus haben auch einige Angst. Das Telefon klingelt pausenlos", erklärt die Sprechstundenhilfe. "Ob ich mit meiner Tochter vorbeikommen soll?", will ich wissen. "Nein, nein, auf keinen Fall", sagt sie rasch, "es reicht, wenn Sie eine Urinprobe vorbeibringen."

Das Kind muss überzeugt werden, dass es jetzt in einen kleinen Plastikbecher ludeln soll und nicht ins Klo. Am besten ab in die Badewanne, da ist es egal, wenn etwas daneben geht. Sie findet das lustig und will gleich im Wasser plantschen. Meine Frau wäscht das Kind, ich bringe das Lulu zur Kinderärztin. Es ist kurz vor Ordinationsschluss, im Wartezimmer sitzen zum Glück nur mehr ein paar besorgte Eltern mit ihren kranken Buben und Mäderln. Die Sprechstundenhilfe untersucht den Urin meiner Tochter auf Bakterien, die Kinderärztin telefoniert mit einem Kollegen, einem Virologen.

Das Telefon ist auf Lautsprechermodus geschaltet, ich kann mithören, was der Arzt spricht. Er echauffiert sich über die Berichterstattung über das Coronavirus. "Ein Wahnsinn, was für einen Blödsinn die meisten Medien schreiben", sagt er. Er nennt ein konkretes Medium, dessen Informationswert seiner Meinung nach besonders fragwürdig ist, es handelt sich nicht um den STANDARD. "Mit so einem Schwachsinn werden die Leute verrückt gemacht. Das neue Coronavirus ist im Vergleich zur Influenza ein Lercherlschas", höre ich noch, bevor ich das Testergebnis von der Urinprobe erhalte. Kein Harnwegsinfekt, alles in Ordnung. Und das Coronavirus macht mir ohnehin keine Sorgen. (Günther Brandstetter, 2.2.2020)