Andreas Treichl ereilte der Ruf zur Übernahme des Europäischen Forums Alpbach. Er soll mit der Position liebäugeln.

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Das Forum Alpbach hätte sich sein heuer anstehendes 75. Jubiläum wohl etwas einfacher vorgestellt. Präsident Franz Fischler erhält derzeit nicht nur Gratulationen. Mit der Nationalbank ist gerade ein prominenter Sponsor abgesprungen, zudem sorgen seit eineinhalb Jahren regelmäßig Spekulationen über Konkurrenzveranstaltungen für Gerede. Kurzum: Der traditionsreiche Kongress, an dem sich einst die Philosophen Karl Popper und Theodor W. Adorno die Ehre gaben, könnte turbulenten Zeiten entgegensteuern.

Franz Fischler übergibt sein Amt nächstes Jahr.
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Für zusätzliche Spannung sorgt die anstehende Nachfolgeregelung für Fischler. Der frühere ÖVP-Minister und EU-Kommissar führt das Forum seit acht Jahren mit eiserner Hand. Sponsoren sind erwünscht, deren Mitsprache nicht. Die Unnachgiebigkeit des Tirolers, der mit Kritik an der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung nie hinter dem Berg hielt, hat über die Jahre schon mehrere Institutionen entnervt.

Sozialpartner-Rückzug

Erst zog sich die Industriellenvereinigung aus den Wirtschaftsgesprächen zurück und beschränkt sich seither auf die Partnerschaft bei den Technologiegesprächen. Dann reichte es Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, auch die Arbeiterkammer reduzierte ihr Engagement.

Nun wird munter spekuliert, dass Mahrer auch die Nationalbank angestoßen haben könnte, damit sie dem Tiroler Bergdorf künftig fernbleibt. Der Kammerchef fungiert nebenberuflich als Präsident des Generalrats der Notenbank. Beate Meinl-Reisinger findet das nicht in Ordnung: "Der internationale, proeuropäische Kurs des Forums passt nicht zur Message-Control der ÖVP unter Sebastian Kurz", meint die Neos-Chefin. Dass diese bis zum Ausstieg der Nationalbank führe, findet sie "erbärmlich".

Mahrers Motive

Eine weitere Tangente: Fischlers Vize und zugleich Mahrers Vorgänger in der Nationalbank ist Claus Raidl. Er hatte Gouverneur Robert Holzmann öffentlich kritisiert, als dieser nach Amtsantritt in der Nationalbank personell ordentlich umrührte.

Tiroler Schützen bei der Eröffnung der Politischen Gespräche in Alpbach.
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Dass der Absprung aus Alpbach auch als Revanche für Raidls Standpauke zu werten sei, daraus machen hohe Notenbanker kein Hehl. Es wird aber auch betont, dass die Gesamtkosten von rund 50.000 Euro für den Tirol-Abstecher – davon 10.000 Euro Sponsoring – bei geringen Mitspracherechten aus Sicht der Notenbank kaum zu rechtfertigen seien.

Banker in den Bergen

Möglicherweise wird die Nachfolgeregelung Fischlers für etwas Entspannung sorgen. Am 14. Mai will dieser den künftigen Präsidenten der Generalversammlung des Forums präsentieren. Spekuliert wird schon länger: Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer wurde ebenso genannt wie der frühere Neos-Chef Matthias Strolz. Doch Favorit ist – so wurde dem STANDARD aus gut informierten Kreisen versichert – eine andere Persönlichkeit: Andreas Treichl.

Nach dem Ausscheiden aus der Erste Group, die er 23 Jahre lang geleitet hatte, wechselte Treichl in den Aufsichtsratsvorsitz der Erste-Stiftung. Dass ihn der Job zur Gänze ausfüllen wird, bezweifeln Kenner des Bankers und verweisen auf den Elan des 67-Jährigen. Als Netzwerker, Intellektueller und weit über die österreichischen Grenzen hinaus angesehener Finanzfachmann wird er als Idealbesetzung für Alpbach gesehen. Fischler soll Treichl bereits gefragt haben, ob er den Alpbach-Vorsitz übernehmen wolle.

Prominente Gäste wie Bundespräsident Van der Bellen kommen gerne nach Alpbach.
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Jetzt liegt es an dem langgedienten Banker. Er selbst lässt sich nicht in die Karten blicken: Treichl möchte sich auf seine zwei Herzensanliegen konzentrieren, lässt er ausrichten. Die heißen Finanzbildung und Social Banking, bei dem benachteiligte Gruppen einen Zugang zu Finanzgeschäften erhalten. Fischler, der im Frühjahr 2021 abtritt, will sich zu seiner Nachfolge nicht äußeren. Dementi klingen anders.

Alpbach will Mut machen

Forum-Alpbach-Generalsekretär Philippe Narval konzentriert sich derweil auf den heurigen Kongress: Unter dem Generalthema "Fundamentals" gehe es darum, die europäischen Werte zu stärken und Mut bei den Herausforderungen Klimakrise und Digitalisierung zu machen. Dass Kurz und das restliche Regierungsteam in Tirol auftreten werden, sei weitestgehend sicher, meint Narval.

Die Begleitmusik um den Ausstieg österreichischer Sponsoren hält er für übertrieben – Kritiker wie der Berater Wolfgang Rosam hatten von einer existenziellen Krise des Forums gesprochen. Narval: Die Nationalbank beispielsweise habe 0,03 Prozent zum Alpbach-Budget beigetragen. "Dass Sponsoren wechseln, ist völlig normal." (Andreas Schnauder, 1.2.2020)