Herbert Oschep, der Schatten von Hans Peter Doskozil.
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Jetzt fragen sie sich alle, wie er das gemacht hat, der Doskozil. Mit seinem Wahlsieg hat er der wiedergängerischen SPÖ, die untot herumstakste von Wahldesaster zu Wahldesaster, ja ein wenig Lebensgeist eingehaucht. Man rätselt. Liegt es am Rechtsblinken? Liegt es am Linksauslegen? An der Person? An deren konjunktivfreien Sprache? Oder liegt es an den Burgenländern, die halt so sind?

Herbert Oschep antwortet ausholend. Der 37-jährige Salzburger, studierter Historiker und Politikwissenschafter, ist der wohl engste Wegbegleiter des Hans Peter Doskozil. "Ich bin sozusagen groß geworden mit ihm." Doskozil war im Büro des Hans Niessl Referent, später Büroleiter. Oschep, nicht bloß der Sprecher, als der er manchmal auch sehr offensiv auftreten kann. Er ist auch Stratege. Und war von Anfang an dabei, als man darangegangen ist, den burgenländischen Weg durchs Gestrüpp sozialdemokratischer Bedenklichkeit zu schlagen. Oschep war und ist wenn schon nicht der Bau-, so doch der Straßenmeister dieses Weges.

Rote Alamrglocken

"Wir haben gesehen, dass unser Stammwählerpotenzial täglich geschrumpft ist." In den Nullerjahren war das noch anders. "Ich kann mich erinnern, wie Werner Faymann da war. Sein Auftritt war mau, die Stimmung auch. Aber hier stand man eben eisern hinterm Spitzenkandidaten."

Das hat sich rasant geändert. Die Distanz der eigenen Leute zur Bundesperformance wurde – das ergaben Umfragen – größer und größer. Die roten Alarmglocken schrillten, im Burgenland jedenfalls, lauter und lauter. Es ging nun schon um den Landeshauptmann. "Es war mein erster oder zweiter Arbeitstag bei Niessl, im Juni 2014. Wir sind mit einem Politberater zusammengesessen und haben überlegt, wie wir den Hans Niessl stärker auch auf die nationale Ebene bringen können." Aus burgenländischen Gründen.

"Dass wir versucht haben, den Landeshauptmann auch mit kantigen Bundesthemen zu positionieren, war nicht innovativ, sondern logisch. Da kann nämlich Franz Steindl, der VP-Chef, nicht mehr mit. Mich hat das klarerweise gereizt."

Anfang 2015 hat sich eine ideale Gelegenheit ergeben. Franz Voves, roter steirischer Landeshauptmann, hat Strafen für Integrationsverweigerer gefordert. Darauf gab es Medienanfragen, ob Niessl etwas sagen wolle. Obwohl er eh derselben Meinung wie Voves war, habe er, seinem Naturell folgend, gezögert. "Ich hab ihm dazu geraten. Er hat’s getan. Und dann ist die Hölle ausgebrochen, medial und innerparteilich."

Wenn solch emotionale Debatten aufpoppen – da spricht jetzt der Politikwissenschafter – "weißt du, dass du den Nerv getroffen hast". Eigentlich seien das die besten politischen Diskussionen. Nur für die SPÖ nicht. "Damals habe ich zum ersten Mal gesehen, dass die SPÖ massive Probleme hat, über die Migrationsfrage vernünftig und entlang von Fakten zu reden."

Wahlschlappe

Im Mai 2015 gab es – auch aus diesem Grund – eine ordentliche Landtagswahl-Schlappe. Die SPÖ verlor drei Mandate. Eine Mehrheit gegen sie schien greifbar. Man machte der FPÖ ein Angebot. Zwei Polizisten gaben einander auf dem Forchtensteiner Polizeiposten darauf die Hand. Hans Peter Doskozil und Johann Tschürtz, nunmehr abgewählter Landeshauptmann-Vize, haben diesen "Forchtensteiner Pakt" geschlossen. Zum Entsetzen der restlichen SPÖ. Michael Häupl, Wiener Bürgermeister und burgenländischer Nebenwohnsitzer, war mit Blick auf die eigene Wahl im Herbst ausdrücklich not amused.

Die endgültige Positionierung des Hans Niessl als bundespolitischen Stichwortgeber gelang im Dezember 2015. Auch hier zögerte Niessl. Oschep überzeugte ihn mit der Alternative: "Seitenaufmacher oder Blattaufmacher?" Am 2. Dezember erschien die Krone mit dem Blattaufmacher: "Niessl an Kanzler: Asylkurs ändern!" Was folgte, "war ein Aufschrei. Und ein Wendepunkt seiner bundespolitischen Daseinsberechtigung. Für die SPÖ war’s sicher ein Brocken." Mittlerweile aber sei es "kein massiver Fauxpas mehr, für eine restriktivere Sicherheits- und Migrationspolitik einzutreten". Denn bald bekam der burgenländische Weg auch Abzweigungen.

Faktor Doskozil

In diesem so turbulenten Jahr 2015 war Hans Peter Doskozil längst schon ein Faktor. Niessl hätte ihn gerne als Landesrat gehabt. Aber es gab Widerstände, dem Newcomer Platz zu machen. Also wurde er – der sich als krisenfest erwiesen hat im Herbst dieses Jahres – Verteidigungsminister. Diente Werner Faymann, bis der vom Wiener Rathausplatz gepfiffen wurde. Diente Christian Kern, bis der von Sebastian Kurz vom Platz gestellt wurde. "Am 21. Dezember 2017 wurde er als Landesrat angelobt. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil am Tag zuvor meine Tochter zur Welt gekommen ist."

Herbert Oschep half mit beim Erfolg – Doskozil erkämpfte bei den Landtagswahlen im Burgenland die Absolute für die SPÖ.
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Bei Niessl war die Aufgabe, ihn bundespolitisch zu positionieren. "Dosko ist dort schon eingestiegen. Da musst du dann vorsichtiger sein. Du kannst nicht immer zu jedem Thema was sagen."

Die Unterschiede seiner beiden Herren – da spricht der Historiker – erklärt er mit historischen Veränderungen.

"Niessl war ein Politiker aus der bipolaren Zeit. Heute aber hast du keine Gefolgschaft mehr, du musst schauen, wie du Wähler immer wieder aufs Neue überzeugen kannst. Du musst klare, glaubhafte Botschaften setzen. Und du brauchst einen entsprechend geradlinigen Kommunikator, der Klartext redet. Diese Herumlaviererei, dieses ‚Schauma einmal‘ liegt dem Dosko aber eh nicht."

Vernünftig, ohne Schmäh

Ja, sagt Herbert Oschep, der dem Hans Peter Doskozil in Zukunft den Büroleiter machen wird, "im kleinen Burgenland ist das alles wohl schon einfacher. Aber wenn du halbwegs vernünftige Politik machst und keine Schmähparaden: Warum soll das woanders nicht funktionieren?" Die Wahlentscheidung passiere nicht punktuell, wegen nur eines Themas, einer Person. Die Inszenierung sei wichtig, klar. "Aber schlussendlich kommst du doch immer wieder an den Punkt, dass es ein halbwegs stimmiges Gesamtbild ergeben muss. Entweder du bist authentisch, oder du bist es nicht." (Wolfgang Weisgram, 1.2.2020)