Foto: Heyne

Mit nur einem Tag Verspätung kommt hier die Rezension eines Romanes, der in der "New York Post" mit "Nach der Lektüre von 'The One' werden Sie den Valentinstag mit anderen Augen sehen", gelobt wurde. Im Original ist er 2016 als drittes Buch des Engländers John Marrs erschienen, dem es der zunehmende Erfolg seiner Thriller inzwischen ermöglicht hat, den Beruf als Journalist an den Nagel zu hängen. Nachdem seine anderen Titel auf Deutsch bislang via Amazon Publishing veröffentlicht wurden, hat sich mit Heyne nun auch ein traditioneller Verlag des Autors angenommen. Nach "The One" soll im Sommer auch noch "The Passengers" folgen, in dem autonome Fahrzeuge für Angst und Spannung sorgen.

In "The One" setzt ein technologischer Fortschritt völlig anderer Natur die Dinge in Gang: Herkömmliche Partnersuche ist in dieser (sehr nahen) Zukunft passé – es gibt nämlich einen ganz einfach durchzuführenden Gentest. Wer beim Unternehmen "Match Your DNA" seine Erbgutdaten einspeist, erhält umgehend Bescheid, sobald für ihn der perfekte Partner – und zwar wirklich im Sinne von der einzig perfekte Partner – gefunden wurde. Bei manchen geschieht das sofort, andere hingegen müssen jahrelang warten (Denn: Es kann nur einen geben ...). Aber ist ein "Match" erst mal gefunden, dann kann man sich darauf verlassen, dass es mit 99,vielestellenhinterdemkomma-iger Wahrscheinlichkeit stimmt.

Der Cast

Die Erfolgsquote von "Match Your DNA" kann freilich nicht verhindern, dass jede der fünf Hauptpersonen des Romans mit ihrem Match ihr blaues Wunder erleben wird. Da wäre zum Beispiel Mandy, die schon eine Ehe und mehrere Fehlgeburten hinter sich hat und nun erfahren muss, dass ihr gerade erst ausfindig gemachtes Match vor kurzem verstorben ist. Oder Nick, der sich auf die Hochzeit mit seiner langjährigen Freundin vorbereitet und schließlich ihrem Drängen nachgibt, per DNA-Test zu klären, ob sie füreinander bestimmt sind. Sind sie natürlich nicht – halb bestürzt, halb belustigt erfahren sie, dass Nicks wahres Match ein Mann sein soll.

Jade wiederum kommt sich vor wie in einer Folge von "Catfish", als sie endlich den Mut fasst, zu ihrem Traummann nach Australien zu reisen ... und der sie dann nicht ins Haus lassen will. Die milliardenschwere Unternehmerin Ellie (sie wird noch eine besondere Rolle spielen) wird mit einem Durchschnittstypen verkuppelt, der mehrere Gehaltsklassen unter ihr liegt. Und zu guter Letzt wäre da noch Christopher – er ist ein Serienmörder, und sein Match entpuppt sich als Polizistin. Angst vor schrillen Kombinationen hatte Marrs jedenfalls keine.

Der Aufbau

Das waren jetzt wohlgemerkt nur die Anfangsprobleme. Aber mehr will ich hier auch gar nicht spoilern, weil "The One" ganz und gar von seinen Überraschungen lebt und sonst auch nicht wirklich was zu bieten hat. Es folgt vor allem in der zweiten Hälfte ein haarsträubender Twist nach dem anderen – manche davon stammen aus dem typischen Repertoire von Seifenopern, andere – und zwar nicht nur im Handlungsfaden um Christopher! – gehen ins Kriminelle. Aus Marrs' übrigen Büchern weiß man ja, dass er eine ausgemachte Vorliebe für Psychospielchen hat.

Und apropos Seifenopern: "The One" ist exakt wie eine Daily Soap strukturiert. Die Kapitel um die fünf Perspektivfiguren sind stets kurz gehalten und folgen einander in regelmäßigem Takt – wer mit der einen Figur vielleicht nicht so viel anfangen kann, weiß damit, dass schon wenige Minuten später auf die nächste umgeschwenkt wird. Wer sich die ständige Cliffhängerei zwischen den Kapiteln ersparen will, könnte übrigens durchaus jeden Faden von vorne bis hinten einzeln weiterverfolgen. Im Prinzip ist "The One" eine Zusammenstellung von fünf Novelletten, die sich bis zum Schluss nicht überschneiden werden.

Ist das wirklich SF?

Allen, die über die Rundschau und ähnliche Formate auf das Buch stoßen, wird sich beim Lesen früher oder später die Frage aufdrängen: Kann man das eigentlich als Science Fiction bezeichnen? Jein. Im Kern schlummert tatsächlich eines der ganz klassischen SF-Motive, nämlich die technologiebezogene Cautionary Tale. Das einfache Rezept: Man nehme die Welt, wie wir sie kennen, plus irgendein neues Ding. Und dann schauen wir uns an, welche unheilvollen Folgen dieses Ding haben könnte.

Auf der anderen Seite fällt gerade dieses Weiterdenken ziemlich spärlich aus. Nicht nur, dass die DNA-Verkuppelung sämtliche nicht-genetischen Faktoren der Partnerwahl außer Acht lässt. Es ist auch in der Tat von einem Gen die Rede, das alles bestimmt. Und es gibt wie gesagt immer nur einen passenden Partner, als hätte Gott selbst sämtliche Idealpaare konzipiert. Von jeder Wissenschaftlichkeit ist das natürlich weit entfernt. Und wenn dann auch noch so nebenher erwähnt wird, dass die alle Schranken überwindenden Paarzusammenstellungen Probleme wie Rassismus, Homophobie oder religiösen Extremismus zum Verschwinden gebracht hätten, dann hängt das völlig in der Luft. Von konsequentem Worldbuilding ist hier keine Spur.

Guilty pleasure

Ich will aber auch nicht verhehlen, dass ich kaum ein Buch in letzter Zeit so schnell durchhatte wie dieses. Zum einen, weil es vergleichsweise simpel ist – zum anderen aber auch, weil einen der Serien-Effekt unweigerlich bei der Stange hält, wenn man erst mal so unvorsichtig war, in eine "Folge" reinzukippen. Wie in einer Serie möchte man dann doch gerne wissen, wie's mit der jeweiligen Lieblingsfigur weitergeht und was für eine Überraschung als Nächstes auf sie zukommt.

Und wie in einer Serie sind manche Abschnitte besser und andere schlechter geschrieben. Es ist schon ein ordentlich fieser Gag, wenn die Polizistin zu Christopher am Telefon sagt: "Sag mal, stör ich dich beim Pinkeln? Da plätschert doch irgendwas." ... während der gerade seinem jüngsten Opfer Bleichmittel in den Mund schüttet. Witzigen Dialogen ("Wie John Lennon gesagt hat: 'All you need ist love.'" – "Ja, aber er hat ebenfalls gesagt: 'I am the walrus.' Der hat die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen.") stehen solche gegenüber, bei deren unsäglicher Schmonzettenhaftigkeit man sich krümmen möchte: "Es zerreißt mir das Herz, das so zu sagen, aber wenn ich nicht durchdrehen will, muss ich dich gehen lassen. Wenn es jemand wäre, der nicht dein Match ist, würde ich um dich kämpfen. Aber mich mit den Genen anzulegen ist aussichtslos." – Ächz, das geht höchstens als Persiflage durch.

Gesamtbewertung: durchaus unterhaltsam, wenn auch eher im Sinne eines guilty pleasure. Wie Soaps halt so sind. Und jetzt kommt ein Twist, der niemanden überraschen dürfte: Netflix verfilmt "The One" aktuell als Serie. Da haben sich wieder zwei perfekte Matches gefunden!