Foto: Tor.com

Lob sei Tor! Gerade in seinen Novellen läuft K. J. Parker ja oft zur Bestform auf. Normalerweise erscheinen diese kleinen Juwelen allerdings bei Subterranean Press – ein Verlag, dessen Programm man zwar unbedingt Respekt zollen muss. Der aber leider auch die Angewohnheit hat, seine schön gestalteten Novellenbände in Mini-Auflagen zu luxuriösen Preisen zu vertreiben und keine E-Book-Versionen herauszugeben. Und 40 Dollar für 100 Seiten ist dann selbst mir zu viel. Das zur Abwechslung mal von Tor herausgegebene "Prosper's Demon" gibt's nun kostengünstig und elektronisch. Und es ist wie von Parker gewohnt wieder mal eine Orgie intelligenter Boshaftigkeit.

Exorzismus um jeden Preis

Zu Beginn erwacht der namenlos bleibende Ich-Erzähler neben einer Frau, der die Kehle herausgerissen wurde, und mit dem Geschmack von Blut im Mund. Verdammt, es ist schon wieder passiert, denkt er sich. Man kann ihm zwar – vermutlich – nicht wirklich die Schuld an der Tat geben. Wie er routiniert die Leiche entsorgt und dabei deutlich mehr den kostbaren Textilien nachtrauert, in die er den blutigen Körper wickeln muss, als der Frau selbst, rechtfertigt allerdings seine Vermutung in Richtung Leserschaft: I have an idea you aren't going to like me very much. (Nachsatz: Da haben wir was gemeinsam.)

Wieder einmal haben wir es also mit einem typisch Parker'schen Protagonisten zu tun, den wir zu hassen lieben. Vor dem Hintergrund der Renaissance-ähnlichen Fantasy-Welt, in der die meisten Werke des Autors angesiedelt sind, lernen wir nun einen neuen Berufszweig kennen: einen Exorzisten, der mit der offiziellen Lizenz "des Ministeriums" Dämonen austreibt. Und zwar mit allen Mitteln – nicht selten bleibt das besessene Opfer dabei selbst auf der Strecke.

Sie

Sie, wie die Dämonen in der Erzählung stets nur genannt werden, sind eine neues Element in Parkers Welt. 72.936 von Ihnen soll es geben, hat mal ein Gelehrter berechnet. Ob das stimmt, sei dahingestellt – auf jeden Fall schlüpfen Sie gerne in Menschen, begehen allerlei fiese Taten und verfolgen zudem – unsterblich, wie Sie sind – angeblich einen Langzeitplan. Ausrotten kann man Sie nicht, nur kurzzeitig von einem Ort zum nächsten verscheuchen (also ungefähr so wie die Armut, wie Parker in gewohntem Zynismus anmerkt ...).

Eines kann man allerdings noch tun, wenn man Exorzist ist: nämlich Ihnen unermessliche Qualen zufügen. Das hat unser Protagonist bereits im Mutterleib gelernt, den er sich mit einem Dämon teilte – und dementsprechend wendet er seine Gabe nun auch an. Insbesondere den Dämon seiner Kindheit verfolgt er mit unerbittlicher Konsequenz von einem Wirt zum nächsten. Manchmal rächt der sich, übernimmt den Körper des Exorzisten im Schlaf, um eine Bluttat zu begehen wie die eingangs geschilderte. Aber er kann sich sicher sein, dass er dafür einen schmerzvollen Preis bezahlen wird, sobald der Exorzist ihn wieder eingeholt hat. Der bekennt auch ganz freimütig, dass es ihm Vergnügen bereitet, seinem Gegenspieler überlegen zu sein und ihn ausgiebig zu foltern.

[Ein kurzer Exkurs noch an dieser Stelle: Wir haben längst gelernt, dass man die Worte von Parkers Figuren nicht unbedingt immer für bare Münze nehmen sollte. Es ist durchaus möglich, dass der Exorzist nichts anderes ist als ein irrer Serienmörder, der sich – oder uns – die ganze Dämonenkiste nur vorgaukelt. Aber lassen wir's mal so stehen und genießen die Erzählung so, wie sie uns verkauft wird.]

Der Exorzist nimmt Fährte auf

Auf der Suche nach seiner Nemesis erfährt unser Exorzist eines Tages, dass im Herzogtum von Essen der beste Job der Welt vergeben wurde: Das Fürstenkind soll zu einem Universalgelehrten ausgebildet werden – und zwar vom prominentesten Mann seiner Zeit, dem alten Prosper of Schanz. Auch der ist eine typisch Parker'sche Figur: ein – vorgebliches oder echtes? – Genie in allen Disziplinen, zugleich aber ein Schaumschläger und Lebemann, der sich jeden Handgriff teuer bezahlen lässt. Als Tutor hätte er für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Der Exorzist ahnt, dass dies ein verlockender Wirt für jeden Dämon sein muss, und wird auch tatsächlich fündig ... wenn auch nicht ganz so, wie er vermutet hatte.

K. J. Parker ist ein Experte für historische Themen und baut in seine Erzählungen gerne das eine oder andere Wissenswerte ein. Von der Logistik einer Belagerung bis zur Schwertschmiedekunst hat er uns schon alles Mögliche nahegebracht – diesmal geht es um die Kunst, eine Bronzestatue zu gießen. Ein bemerkenswert vielstufiges Verfahren, nebenbei bemerkt.

Das kommt hier deshalb ins Spiel, weil sich Prosper anschickt, die größte Bronzestatue aller Zeiten herzustellen. Und der Exorzist steht damit plötzlich vor einem Dilemma: Er erfährt, dass die monumentale Pferdestatue in ferner Zukunft eine Rolle im Langzeitplan der Dämonen spielen wird. Zugleich wäre sie aber über Jahrhunderte hinweg eine Inspiration für die ganze Menschheit. Soll er, der Sie bisher so konsequent bekämpft hat, also mit Ihnen einen Deal in beiderseitigem Interesse eingehen? Es wäre ein Pakt mit dem Teufel ... oder genauer gesagt eher ein Pakt unter Teufeln.

Anhaltend in Hochform

Einmal mehr staunt man, wie viel macchiavellistische Bösartigkeit sich auf 100 Seiten unterbringen lässt. Parker kleidet den Zynismus in Worte, die runtergehen wie Öl – seien es eigene oder passend entlehnte wie der Satz "When all else fails, tell the truth", der von Donald Regan, einem Berater Ronald Reagans, stammt.

Bemerkenswert: Als in den 1970ern James Tiptree Jr. als Pseudonym von Alice B. Sheldon enthüllt wurde, war schon bald die Luft aus der Karriere des gefeierten SF-Stars heraußen. Der britische Autor Tom Holt verbarg sich fast doppelt so lange hinter dem Alias K. J. Parker, bis er das Geheimnis endlich lüftete. Das ist mittlerweile schon fünf Jahre her, und ein Knick zeichnet sich nach wie vor nicht ab. "Prosper's Demon" bietet wieder alles, was man sich von einer Parker-Erzählung erhofft.