Die Aussagen von Mila O. zum Islam sorgen in Frankreich für eine hitzige Debatte über Religionsfreiheit.

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"Ich hasse Religion. Im Koran steckt nur Hass, der Islam ist scheiße", erklärte die 16-jährige Schülerin Mila O. am 18. Jänner in einem Video, angereichert mit wenig freundlichen Worten an "euren Gott." Was eigentlich als Reaktion auf eine entgleiste Instagram-Debatte gedacht war und nach einem Tag automatisch gelöscht wurde, hat sich in Frankreich zu einer Affäre für die nationale Politik entwickelt.

Einer ihrer Follower hatte die Teenagerin mit den lila gefärbten als "dreckige Lesbe" beschimpft, als sie in einem Livevideo mit einer Freundin über die Schönheit arabischer Frauen gesprochen hatte, wie "Liberation" berichtet. Als Reaktion entstand das Video. O. will es als generelle Religionskritik verstanden wissen. Es erreichte über eine Million Aufrufe.

"Ich bin (nicht) Mila"

Seitdem sind in den französischen Sphären auf Twitter und Co. zwei Gruppen zu beobachten. #JeSuisMila und #JeNeSuisPasMila – "Ich bin Mila" und "Ich bin nicht Mila" – ergreifen Partei und liefern sich nicht immer sehr freundliche Scharmützel in Schriftform. Doch die von ihr nie erahnte Verbreitung des Videos hat auch ganz reale Folgen. Nicht nur hagelte es zahlreiche Beschimpfungen und Morddrohungen gegen die Schülerin. Seitdem ihre Adresse veröffentlicht wurde, geht sie kaum außer Haus. Ihre Social Media-Konten hat sie gelöscht.

Beim Unterrichtsministerium fahndet man nach einer Schule, die ausreichende Sicherheit für sie gewährleisten könne. O. wurde selbst von Schülern auf dem von ihr bisher besuchten Gymnasium bedroht.

Politische Verstimmungen

Für erhitzte Gemüter sorgte auch Abdallah Zekri, Generaldelegierter des französischen Islamrats. O. habe sich den Ärger mit ihren Äußerungen selbst eingehandelt und müsse nun eben mit den Folgen leben, sagte er gegenüber Radio Sud: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten." Marelene Schiappa, Staatssekretärin für Frauenrechte, bezeichnete Zekris Aussagen einer Reaktion als "beschämend" und "kriminell". Justizministerin Nicole Belloubet sah O. Aussage hingegen zuerst als potenziellen Angriff auf die "Gewissensfreiheit". Einen Standpunkt, den sie unter öffentlichem Druck schließlich als "ungeschickt" formuliert zurückzog.

Milas Aussagen seien möglicherweise "vulgär" gewesen, doch niemand solle sich dafür Todesdrohungen gefallen lassen müssen. Was die Schülerin gesagt habe, sei wie eine mündliche Version der Islamkarikaturen des Satiremagazins Charlie Hebdo, schaltete sich Marine Le Pen, Vorsitzende der Rechtsaußenpartei Rassemblement National, ein. Besagtes Magazin hat den "Fall Mila" auch schon aufgegriffen. Der Anwalt Richard Malka, der das Medium betreut, hat auch die Vertretung des Mädchens vor Gericht übernommen.

Rechts vs. Links

Am 24. Jänner eröffnete die Staatsanwaltschaft zwei Verfahren. Ersteres geht den Hasspostings und Morddrohungen gegen O. nach. Das Zweite untersuchte, ob der Teenager sich mit seinen Äußerungen selbst der Hassrede schuldig gemacht hat, wurde aber bereits eingestellt. Frankreichs Gesetzeslage erlaubt Kritik an Religionen an sich, allerdings nicht die Beleidigung der Anhänger.

Mittlerweile hat auch der Islamrat seinen Standpunkt präzisiert. Präsident Mohammed Moussaoui veröffentlichte am 28. Jänner eine Pressemitteilung, in der er klar stellte, dass es keine Rechtfertigung für Morddrohungen geben könne. Zekris Aussage, dass O. es "darauf angelegt habe", sei aber aus dem Kontext genommen worden. Auch er hätte die Drohungen klar verurteilt. Ob die Äußerungen des Mädchens Hassrede seien, habe ausschließlich die Justiz zu entscheiden.

In der nationalen Politik ist der Fall längst zu einer Links-Rechts-Auseinandersetzung geworden. Während eine Seite der anderen vorwirft, den Fall für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, wird von der anderen unterstellt, aus Angst vor der Kritik an einer Religion dem Treiben tatenlos zuzusehen und französische Werte zu untergraben. O. gibt sich indes kämpferisch: "Ich bin keine Rassistin. Ich habe das Recht zu sagen, was ich denke, ich bereue es nicht." (gpi, 02.02.2020)