Stefan Kaineder will keine roten Linien ziehen.

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Die Zeit ist auf grüner Seite offensichtlich knapp. Zwanzig Minuten sind als Gesprächsrahmen vorgegeben. Als Ort für das Interview hat Stefan Kaineder das Café im Linzer Musiktheater gewählt. Was wohl auf dessen Sangesleidenschaft zurückzuführen ist.

STANDARD: Sie sind Theologe. Eigentlich ungewöhnlich für eine Karriere bei den Grünen, oder?

Kaineder: Find ich nicht. Wenn man es von der Wertehaltung betrachtet, ist es doch alles andere als ungewöhnlich. Die Werte, die ich aus meiner Familie und vor allem auch aus dem Studium mitgenommen habe, überschneiden sich mit meiner politischen Einstellung. Etwa die Frage der Solidarität – wie gehen wir miteinander um. Und natürlich die Frage, wie wir mit der Umwelt umgehen.

STANDARD: Zum theologischen Hintergrund kommt ja noch, dass Sie aus einer ÖVP-Familie stammen. Bei den Türkisen hätte man Ihnen mit diesen Voraussetzungen wohl den roten Teppich ausgerollt. Wäre das für Sie eine mögliche Option gewesen?

Kaineder: Für mich war Politik eine Option. Ich war immer ein umtriebiger Typ. Und ich wollte dann ins Tun kommen. Die drängendste Frage ist nun einmal, wie wir es schaffen, unseren Planeten zu retten. Und da ist man dann schnell bei grüner Politik.

STANDARD: Man hat ja im Moment den Eindruck, dass auf Bundesebene ganz klar Türkis das Tempo und die Themen vorgibt. Bereitet Ihnen das als Vizebundeschef keine schlaflosen Nächte?

Kaineder: Das sehe ich entschieden anders. Insbesondere die letzten Tage ist doch im Rahmen der Regierungsklausur viel über das Klima-Ticket geredet worden. Das sind grüne Inhalte, die noch nie so breit diskutiert worden sind.

STANDARD: Bei der jüngsten Regierungsklausur wurde praktisch nichts Neues oder Konkretes präsentiert. Ist das jetzt immer so, dass bei Regierungsklausuren das verlesen wird, was ohnehin im Regierungsprogramm steht?

Kaineder: Ich war nicht dabei und Sie vermutlich auch nicht. Ich gehe aber davon aus, dass da sehr intensiv über das Regierungsprogramm und die Details diskutiert wurde. Türkis und Grün sind natürlich zwei grundverschiedene Parteien. Und da ist das Einschwingen auf einen gemeinsamen Weg nicht immer so leicht. Das ist ein Verhandlungsprozess.

STANDARD: Und irgendwann muss man dann aber auch einmal liefern ...

Kaineder: ... genau. Das wird auch passieren. Aber die türkis-grüne Bundesregierung ist jetzt genau drei Wochen im Amt. Da brauchen Sie bitte noch nicht ungeduldig werden. Und einer Regierung nach drei Wochen auszurichten, sie bringt nichts zustande, ist vermessen.

STANDARD: Dann machen wir es jetzt konkret. Wann kommt das 1-2-3-Österreichticket, und wie soll es finanziert werden?

Kaineder: Finanziert werden muss es vom Bund und den Ländern. Wir wissen, dass ein 365-Euro-Ticket 15 bis 20 Millionen Euro in Oberösterreich kostet. Das ist machbar, das hätten wir schon im Budget. Das brauchen wir nur tun.

Standard: Aber ist das auch gesamtösterreichisch finanzierbar. Befürchtet wird, dass das letztlich ein Fass ohne Boden ist.

Kaineder: Nein. Es gibt in Wien, Tirol, Salzburg, Vorarlberg bereits ein solches Klimaticket. Und es stürzt keines der Länder in finanzielle Schwierigkeiten.

STANDARD: Was soll der Bund, was die Länder zahlen?

Kaineder: Das muss man jetzt verhandeln. Je schneller sich die Betreiber von öffentlichen Verkehrsmitteln darauf einlassen, desto schneller wird das Ticket kommen, und mehr Leute werden auf die Öffis umsteigen. Und das Argument, dass es so schwierig ist, alle Betreiber unter einen Hut zu bekommen, zieht nicht. Es gibt in Oberösterreich ein Jugendticket für 70 Euro. Und bei Erwachsenen soll es nicht funktionieren?

STANDARD: Was ist diesbezüglich ein realistischer Zeithorizont hinsichtlich einer Umsetzung?

Kaineder: So schnell wie möglich.

STANDARD: Sind Sie für die Einführung einer CO2-Steuer?

Kaineder: Die erste Steuerreform kommt 2021. Und da kommen Ökologisierungsmaßnahmen und das Absetzen der untersten Steuerstufe. 2022 kommt dann entweder eine Bepreisung von CO2, oder man ökologisiert das Steuersystem.

STANDARD: Danke für den Auszug aus dem Regierungsprogramm. Die Frage war aber, ob Sie persönlich für eine CO2-Steuer sind?

Kaineder: Da gibt es verschiedene Ansätze. Ich finde es schlau, dass man sich jetzt in einem ersten Schritt anschaut, was State of the Art ist. Und das gehört dann gemacht. Da bin ich jetzt nicht gescheiter als die Experten.

STANDARD: Warum tut man sich bei den Grünen mit einer klaren Positionierung eigentlich so hart?

Kaineder: Es gibt doch eine ganz klare Position. Aber was ist daran verkehrt, ein Thema zuerst ausführlich intern zu behandeln, um dann Maßnahmen zu setzen, die tatsächlich etwas bewirken.

STANDARD: Was aber einer persönlichen Meinung nicht entgegensteht, oder?

Kaineder: Es ist Sache der Bundesregierung, und ich habe da vollstes Vertrauen.

STANDARD: Das Pendlerpauschale soll ökologisiert werden. Heißt jetzt was genau?

Kaineder: Das wird Ministerin Leonore Gewessler mit Sicherheit sehr genau festlegen.

STANDARD: Kopftuchverbot, Sicherungshaft. Wo ist die rote Linie bei den Grünen? Wann würde es mit Türkis nicht mehr gehen?

Kaineder: Rote Linie, Bünde, Lager – mit diesem Denken kann ich und kann meine Politikergeneration nichts anfangen. Es gibt ein 300-Seiten-Regierungsprogramm. Und da ist alles klar definiert. (Markus Rohrhofer, 3.2.2020)