Nicht alle profitieren durch das neue Nordamerika-Abkommen. Für Mexikos Bauern könnte es Nachteile bringen, warnen Experten.

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Als US-Präsident Donald Trump 2017 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) zur Disposition stellte, fiel Mexiko aus allen Wolken. Immerhin gehen 80 Prozent seiner Exporte zu den nördlichen Nachbarn. Heute steht fest: Der Freihandel in Nordamerika wurde durch den Schritt nicht beerdigt.

Nach der kürzlichen Abstimmung im US-Senat fehlt nur noch die parlamentarische Zustimmung Kanadas zum Inkrafttreten der Neufassung von Nafta: T-Mec/ USMCA, kurz für USA-Mexiko-Kanada-Abkommen. Der modernisierte Deal merzt einige Schwachstellen aus, etwa in Sachen Umweltschutz und Arbeiterrechte. Für Mexikos Bevölkerung eine gute Nachricht. Doch für Experten hat es noch immer Lücken – und einige Fallstricke.

Der neue Deal war der Grund, der Mexikos Politiker im Mai 2019 zu einer längst überfälligen Reform des Arbeitsrechts bewegte. Sie beerdigten das aus der Zeit nach der mexikanischen Revolution vor hundert Jahren stammende Modell korporativer Gewerkschaften. Diese waren bisher ein verlängerter Arm der Parteipolitik, korrupt und intransparent und dienten seit der Öffnung durch Nafta häufig Unternehmerinteressen. Mexiko bekommt nun ein modernes Gewerkschaftsrecht. Wiederholte Verletzungen von arbeits- und umweltrechtlichen Standards können einem Panel vorgelegt werden; die Beweislast liegt beim Angeklagten. Andere Länder können ein solches Panel nicht mehr blockieren.

Hoffnung auf höheren Lohn

Mexikos Industriearbeiter hoffen außerdem auf Lohnerhöhungen, denn laut USMCA müssen in spätestens sieben Jahren 40 Prozent der Komponenten eines Fahrzeuges von Standorten stammen, bei denen die Arbeiter mindestens 16 US-Dollar (14,4 Euro) pro Stunde verdienen – achtmal mehr als derzeit üblich. Trump hingegen geht davon aus, dass US-Firmen ihre Produktion ohne den Vorteil mexikanischer Niedriglöhne zurück in die USA verlegen werden.

Nicht alle sind damit zufrieden: Der Vorsitzende des mexikanischen Unternehmerverbandes Coparmex, Gustavo de Hoyos, bescheinigte seiner Regierung "wenig Verhandlungsgeschick". Großkonzerne hatten ihre Produktionsketten unter Ausnutzung der jeweiligen Standortvorteile bisher auf die drei Nafta-Länder verteilt. Mexiko stach durch Billiglöhne, niedrige Steuern und laxe Umweltgesetze hervor.

Ein Teil der Autokomponenten wurde bisher von chinesischen Zulieferern gefertigt. Das dürfte sich unter dem neuen Vertrag ändern, da der Regionalanteil fortan auf 75 Prozent angehoben wird. Trump will damit den Einfluss Chinas zurückdrängen. Dem dient auch eine Klausel, die den Vertragspartnern das Recht einräumt, einen Staat "hinauszuwerfen", wenn dieser mit einer "Nichtmarktwirtschaft" einen Freihandelsvertrag schließt.

USA macht Druck auf Mexiko

Auf Druck der USA muss Mexiko künftig härter gegen Produktpiraterie vorgehen. Das ist ein zweischneidiges Schwert: Es könnte zum einen dazu dienen, der Mafia einen wichtigen Einkommenszweig streitig zu machen, stellt aber auch viele Arbeitsplätze im informellen Sektor aufs Spiel. Auch in der Landwirtschaft kommt es zu Änderungen. Experten warnen, dass US-Agrokonzerne durch die Hintertür der Patente die mexikanische Landwirtschaft überrennen könnten. Das Abkommen stellt den Ländern zwar frei, ob sie gentechnisch verändertes Saatgut zulassen, verpflichtet sie dann aber zur Einhaltung des UPOV-Abkommens – auch Monsanto-Gesetz genannt –, das Saatgutkonzernen Lizenzgebühren zugesteht und Bauern verbietet, Samen selbst zu ziehen.

Nichts sagt der Vertrag hingegen zum Thema Klimawandel oder Menschenrechte. Kanada wollte die beiden Themen aufnehmen, machte aber angesichts des Widerstands von Trump einen Rückzieher. Mexiko habe alles in allem wenig Spielraum gehabt, meinen Experten. Ob der Deal letztlich zur Modernisierung Mexikos führe, sei unklar, sagte Mexikos ehemaliger Außenminister Jorge Castañeda. "Die Umstände sind alles andere als günstig, mit einer Wirtschaft in der Rezession und einem ideologisch und erratisch agierenden Präsidenten." Gemeint damit ist niemand anderer als US-Präsident Trump. (Sandra Weiss aus Puebla, 3.2.2020)