In Linz gibt es Musicalschwung mit Akrobatikcharme

Foto: Reinhard Winkler

Parallel zum Sandalenfilm erlebte das Sandalenmusical in den 1960er-Jahren eine kurze und seltene Blüte. A Funny Thing Happened on the Way to the Forum wollte sich einen Jux machen, die Historienschinken veräppeln und das Vulgaritätsvakuum am Broadway lustvoll mit heißer Luft füllen.

Am Landestheater Linz hat sich Musicalchef Matthias Davids dieser Klamotte angenommen und in Teilen stimmig umgesetzt. Die farbenfrohen Kostüme von Susanne Hubrich unterhalten mit erstklassigem schlechtem Geschmack, die Szene serviert Hysterie als Normalzustand. Outrieren gehört hier zum sehr guten Ton: Kreisch! Quiek! Zeter!

Orchester auf dem Dach

Konträr zu dieser Buntheit hat Hans Kudlich die benachbarten Domizile von Senex, Marcus Lycus und Erronius in sandfarbenem Klassizismus hingebaut. Auf deren gemeinsamem Dach logiert das Orchester, umfangen von einem kolosseumartigen Halboval. So tut sich auf der riesigen Bühne nach oben und nach hinten hin reichlich Leere auf, weite Teile der szenischen Energie müssen denn auch verpuffen. Und das Licht (Michael Grundner) macht leider mehr auf Fabrikshalle denn auf knallfarbenen Trash.

In diesem für eine grelle Farce eher lebensfeindlichen Ambiente müht sich David Arnsperger als Pseudolus nach Kräften, die Strippen zu ziehen. Der Haussklave von Senex, dessen Frau Domina und Filius Hero führt letzten Endes zusammen, was zusammengehört – nämlich Hero und seine geliebte Philia. Arnsperger zeichnet den Freiheitsliebenden mit souveränem Schalk.

Puffvater Marcus

Pseudolus’ sklavischen Kollegen Hysterium gibt Gernot Romic namensgemäß seelisch überhitzt. Kurzzeitig erregt zeigt sich auch Frau Domina, Sanne Mieloos vibratostarke Gesangslinien umschlingen ihren Haussklaven wie Lianen. Klaus Brantzens Senex lässt die unverhofften Begierden des Alters mit komödiantischer Präzision wiederauferstehen, Karsten Kenzel siedelt den Puffvater Marcus Lycus optisch zwischen Quentin Tarantino und Guildo Horn an. Und Christian Fröhlichs Feldherr Miles Gloriosus ist so selbstverliebt, wie seine Plateaustiefel hoch sind: sehr.

Schüchtern, aber gut

Das Juwel der Produktion ist aber Lukas Sandmann. Der Hero des 26-jährigen Ensemblemitglieds ist von schüchterner Gutherzigkeit, unschuldig wie ein Gänseblümchen und sanft wie ein Osterlamm. Und Sandmann singt auch noch so unglaublich schön! An diese Qualitäten kommt Hanna Kastner als Philia mit ihrem etwas quietschigen Sopran nicht wirklich heran.

Während sich das Ensemble zu ebener Erde hochtourig abplagt, agiert das Orchester im ersten Stock unter der dynamischen Leitung von Juheon Han mit Präzision und Feingefühl. Schade nur, dass die Qualitäten des Komponisten Stephen Sondheim im textlastigen Werk selten zum Klingen kommen – so zieht sich das tolle Treiben der spinnerten Römer etwas. Anschließend reichlich Premierenjubel. (Stefan Ender, 3.2.2020)