Schneekanonen in Seefeld.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Bevor es digitale Shitstorms gab, erlebte ich als 14-jähriger Schüler einen analogen. Ich hatte gewagt, bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion die Umweltzerstörung durch den Skitourismus in meiner Salzburger Heimatgemeinde anzuprangern. Da meine ganze Familie im Fremdenverkehr beschäftigt war, konnte ich mir auch zu Hause einiges anhören. Mir wurde schnell klar, wie konfliktgeladen das Thema ist. Auf der einen Seite Wirtschaftsmotor für oft strukturschwache Regionen, auf der anderen die fortschreitende Zerstörung der Alpen. Damals hätte ich mir nicht gedacht, dass es noch viel schlimmer kommen könnte.

Doch gerade diskutieren wir allen Ernstes darüber, ob in einem ökologisch sensiblen Gletschergebiet zwischen Pitz- und Ötztal eine Bergspitze gesprengt werden soll, um zwei schon voll ausgelastete Skigebiete noch größer zu machen. Chaletdörfer sprießen aus den Almböden wie Herrenpilze. Oft werden diese Großbauprojekte von Skandalen wegen intransparenter Umwidmungen begleitet, wie zuletzt im Pinzgau. Von den Schneekanonen ganz zu schweigen; waren es 2007 geschätzte 3.000 Stück, dröhnen inzwischen 25.000 bis 30.000 dieser Energiefresser auf den Bergen.

Pionierprojekte sind noch rar

Dabei wird in den niedriger gelegenen Alpenregionen Skitourismus bald gar nicht mehr möglich sein. Die Klimakrise erhitzt den Alpenraum schneller als andere Teile Europas. Diese Entwicklung wird weitergehen. Nur ein geringer Teil der Skigebiete in Österreich gilt bei fortschreitender Erderwärmung als schneesicher. Anstatt den Irrsinn weiter auf die Spitze zu treiben, brauchen wir jetzt wirtschaftliche und soziale Innovationen im ländlichen Raum, um den absehbaren Wegfall des Skitourismus abzufedern.

Vor allem Schülerinnen und Schüler, die bisher einen sicheren Werdegang im Tourismus einschlagen konnten, brauchen zukünftig neue Karriereoptionen, auch abseits der Piste. Die Digitalisierung bietet dabei enorme Chancen, denn sie ermöglicht das Arbeiten von überall aus. Der Ausbau digitaler Infrastrukturen über die Stadtgrenzen hinaus kann frische Anreize für Unternehmen schaffen, sich im ländlichen Raum niederzulassen. Insofern macht die neue Internetoffensive der Regierung auch Sinn. Ebenso zielführend ist die Anbindung der Digitalisierungsagenden an das Ministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.

Doch mit digitaler Infrastruktur alleine wird es nicht getan sein. Neue Ideen und Visionen für ländliche Entwicklung sind gefragt. Pionierprojekte an der Schnittstelle zum neuen Arbeiten auf dem Land sind bisher noch rar. Beispiele bieten die Schweizer Gemeinde Scuol im Engadin mit der Initiative "miaEngiadina" oder die "Basis Vinschgau Venosta". Dort wurden erfolgreiche Co-Working-Projekte für Einheimische und Zugezogene mit ultraschnellem Internet hochgezogen. In Gutenstein, Niederösterreich, wagte sich die Unternehmerin und Dorfaktivistin Theresa Steininger mit ihrer Wohnwagon-Manufaktur von Wien aufs Land. Protagonistin des neuen österreichischen Dokumentarfilms Rettet das Dorf macht ihre Geschichte Mut, rurale Wirtschaftskonzepte im Lichte der Digitalisierung und des Klimawandels neu zu denken. Fest steht auf jeden Fall jetzt schon: 5G hat mehr Zukunft als Schnee! (Philippe Narval, 3.2.2020)