Triumphalismus wollte Boris Johnson am Freitag vermeiden, das Wort "Brexit" vermied er in seiner Rede. Zum Zeitpunkt des Brexits schlug er dann doch kurz andere Töne an.

Foto: Andrew Parsons / 10 Downing Street

Kaum ist der Brexit vorbei, kommt die Brexit-Aufregung wieder zurück. Premier Boris Johnson gönnte sich in der Nacht von Freitag auf Samstag zum offiziellen Austritt des Vereinigten Königreichs nur einen kleinen, medial aber wohlinszenierten Feierempfang für enge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er schlug dort um Mitternacht Brüsseler Zeit zwar auf einen Gong, hielt sich zum unmittelbaren Anlass mit Äußerungen aber zurück. Umso schallender dürften bei der Union daher jene Ansagen eingeschlagen sein, mit denen sich sein Umfeld bereits kurz zuvor daran machte, an der Drohkulisse für die kommenden Handelsgespräche mit den EU-27 zu bauen.

Schon eine Stunde vor der "Brexit-Hour" vermeldete etwa der britische "Telegraph", der Johnsons Konservativen nahesteht, eine massive Änderung in den Anweisungen der Regierung für die britische Zollbürokratie. Diese sei angewiesen worden, sich auf vollständige Zoll- und Abgabenüberprüfungen von Waren an den EU-Grenzen ab dem 1. Jänner 2021 vorzubereiten. Das gilt für den Fall, dass London sich im Laufe der nun beginnenden elfmonatigen Übergangsphase nicht mit Brüssel auf einen Handelsdeal einigen kann – und man daher auf die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zurückfällt.

Die neuen Anweisungen sind eine deutliche Abweichung von den bisherigen Vorkehrungen, die die britische Regierung für den Fall eines No-Deal-Brexit hatte treffen lassen. Bis dato waren diese unter der Prämisse gestanden, den Warenverkehr an britischen Häfen weiter so friktionsfrei wie möglich laufen zu lassen und zahlreiche Warengruppen von Kontrollen auszunehmen. Ob Johnson nun wirklich bereit ist, einen Rückfall auf WTO-Regeln zu riskieren, ist noch nicht gesagt – immerhin würde das vor allem den Briten massiv schaden. Ein Signal sind die Ankündigungen aber allemal.

Dumping-Drohungen

Zumal es damit auch noch nicht vorbei ist – offenkundig wollte der Premier in einer am Montag geplanten Rede noch einmal kräftig nachlegen. Laut einem online veröffentlichten Bericht des "Guardian" plante Johnson, darin zu sagen, dass er drei zentrale Forderungen der Union nicht zu erfüllen gedenkt – nämlich bei den Standards für Umwelt-, Arbeitsgesetze sowie der staatlichen Unterstützungsleistungen für die Wirtschaft nicht von den Vorgaben der Union abzuweichen. Außenminister Dominic Raab gab sich in einem Interview mit der BBC in dieser Frage bereits am Sonntag unnachgiebig: "Diese Frage liegt nicht einmal auf dem Tisch – das wird sicher nicht passieren."

Genau das aber macht Brüssel zur Voraussetzung für einen Deal – man will mit Großbritannien keine Vereinbarungen abschließen, wenn London zugleich mit Dumping in diesen Bereichen droht.

In den Raum stellt London eine deutlich losere Partnerschaft, als sie bisher als wahrscheinlich gegolten hatte. Zwar wolle Johnson in seiner Rede weiter ein Handelsabkommen anstreben, das an den Deal der EU mit Kanada (Ceta) angelehnt ist. Für den Fall, dass das nicht möglich ist, möchte er aber auch eine Vereinbarung nach dem Vorbild jenes Vorgehens prüfen lassen, das Brüssel derzeit mit Australien pflegt. Dieses sieht unterschiedliche Zollsätze für unterschiedliche Warengruppen vor und würde noch kompliziertere Verhandlungen nötig machen.

Das Problem: Besteht London auf einem solchen Deal, würde das eine Einigung innerhalb der Übergangsfrist, deren Dauer ohnehin als ambitioniert gilt, wohl unmöglich machen.

Diese freilich lässt sich in der Theorie um bis zu zwei Jahre verlängern – Premier Johnson müsste bis Ende Juni 2020 in Brüssel darum ansuchen. Genau das aber hat der Premier stets ausgeschlossen. Wiederholt Johnson das am Montag, wäre ein weiterer Druckpunkt aktiviert. (Manuel Escher, 2.2.2020)