Viele Arten von Krebs sind mit einem gesunden Lebensstil vermeidbar. Doch was bringt dieser wirklich? Die Zahlen zum absoluten Krebsrisiko zeigen es.

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Etwa jeder Zweite erkrankt im Laufe seines Lebens an einem Tumor. Die Ursachen und Risiken dafür sind vielfältig. Und nicht jedes Risiko lässt sich tatsächlich auch vermeiden, weil es beispielsweise in unseren Genen weitergegeben wird oder noch unbekannt ist. Doch Studien zeigen: Viele Krebsfälle sind vermeidbar. Denn für die meisten Arten kennt die Medizin mittlerweile Ursachen und Risiken.

Als größte und gut belegte Risikofaktoren gelten Rauchen, Übergewicht, Alkohol, falsche Ernährung oder Sonnenbaden. Sie zu meiden und einen gesünderen Lebensstil zu führen verringert auch das persönliche Risiko, an Krebs zu erkranken. Die britische Krebsorganisation Cancer Research UK ermittelte für das Fachblatt "British Journal of Cancer", dass sich so rund vier von zehn Krebsfällen vermeiden ließen.

Die WHO warnt vor einem weltweiten Anstieg an Krebserkrankungen bis 2040.
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Für eine Änderung des eigenen Lebensstils braucht es jedoch überzeugende Argumente – die die meisten Studien nicht liefern, weil sie nur die Zahlen zum relativen Krebsrisiko ermitteln. Was dieses aber für das eigene Leben bedeutet, ist für den medizinischen Laien oftmals intransparent und nur schwer zu bewerten.

Krebs ab 70

Studien, die mit absoluten Zahlen arbeiten, anhand derer jeder für sich selbst einschätzen könnte, ob er seinen Lebensstil ändern sollte, sind eher selten. Doch es gibt sie, etwa zum Thema Rauchen. Es ist der mit Abstand größte Risikofaktor und Auslöser für die meisten Krebsfälle weltweit. Über 70 Substanzen im Tabakrauch verändern das Erbgut in den Zellen und können so vor allem Lungenkrebs hervorrufen. Eine Studie aus dem Jahr 2018 des Universitätsspitals Lausanne zeigt in absoluten Zahlen sehr deutlich, dass Raucher zehnmal häufiger an Krebs erkranken als Nichtraucher.

Die Forscher untersuchten die Krebsfälle in den Schweizer Kantonen Vaud und Valais von 1995 bis 2013 und stellten fest: Die meisten Raucher bekommen im siebten Lebensjahrzehnt Lungenkrebs, nämlich 49 von 1.000 männlichen und 37 von 1.000 weiblichen Rauchern. Von den Nichtrauchern hingegen erkranken nur vier von 1.000 Frauen beziehungsweise fünf von 1.000 Männern daran.

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Bekannt ist, dass das Risiko, an einer typischen Raucherkrankheit zu sterben, steigt, je früher man mit dem Rauchen anfängt, je mehr man raucht, je länger man raucht und je tiefer man inhaliert. Wichtig ist deshalb, so früh wie möglich und konsequent mit dem Rauchen aufzuhören, denn das Krebsrisiko geht nur sehr langsam zurück: Nach zehn Jahren hat sich das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, erst halbiert, das Risikoniveau eines Nichtrauchers erreichen Raucher erst wieder 20 bis 30 Jahre nach dem Rauchstopp.

Risikofaktor Übergewicht

Am besten klappt der Rauchstopp mit einer Verhaltenstherapie. Dabei werden die Situationen analysiert, in denen man zur Zigarette greift. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass so die höchste Erfolgsquote beim Rauchstopp erreicht wird. Übergewicht zählt ebenso zu den bedeutendsten Risikofaktoren. Allerdings steigt das Risiko erst ab einem Body-Mass-Index von 30. Ein solcher wird beispielsweise dann erreicht, wenn eine 160 Zentimeter große Frau schwerer ist als 77 Kilogramm.

Der Body-Mass-Index wird übrigens wie folgt berechnet: Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch Größe (in Metern) zum Quadrat. Eine Berechnung von Cancer Research UK zeigt am Beispiel des gefährlichen Gebärmutterhalskrebses, dass übergewichtige Frauen doppelt so häufig daran erkranken: Von 1.000 normalgewichtigen Frauen entwickeln in ihrem Leben etwa 16 Gebärmutterhalskrebs, von 1.000 adipösen Frauen sind es 41.

Warum Übergewicht Krebs auslösen kann, ist noch unklar. Möglicherweise sorgt der gestörte Stoffwechsel für chronische Entzündungen und schwächt die körpereigene Krebsabwehr. Wenn möglich, sollten Betroffene nachhaltig Gewicht reduzieren. Eine Diät, die sich dafür eignet, ist die mediterrane Ernährung mit viel Gemüse und Obst, gesunden Fetten und wenig Fleisch sowie viel Bewegung.

Gesunder Schatten

Die krebsauslösenden Mechanismen der UV-Strahlung sind hingegen gut bekannt, sie schädigt die Erbsubstanz in den Hautzellen, besonders bei Sonnenbrand. Die Fälle von gefährlichem schwarzem Hautkrebs haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Hautexperten empfehlen: zwischen elf und 15 Uhr im Schatten bleiben, Sonnenschutzcreme, Sonnenbrille, Hut und Kleidung tragen und auffällige Muttermale beim Hautarzt untersuchen lassen.

Durch diese Maßnahmen lassen sich laut Cancer Research UK neun von zehn Melanomen verhindern. Solarien sollten ebenfalls gemieden werden, sie belasten den Körper zusätzlich. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Solarien in die höchste Gefahrenkategorie der Krebsrisiken eingestuft.

Alkohol wirkt als Zellgift und schädigt die Erbsubstanz der Schleimhäute, der Speiseröhre und der Leber. Dies erhöht das Krebsrisiko. Außerdem verändert Alkohol die Hormone im Körper und könnte dadurch das Risiko für Brustkrebs steigern. Deutlich belegt ist das nur bei übermäßigem Konsum. Eine als unbedenklich anzusehende Menge Alkohol gibt es allerdings nicht. Als gering gilt aber das Risiko, wenn maximal ein Glas Wein am Tag getrunken und ein Tag in der Woche gänzlich alkoholfrei gelebt wird. Mediziner empfehlen auch hier den mediterranen Lebensstil: wenn Alkohol, dann Rotwein in moderaten Mengen zu einer gesunden Mahlzeit.

Ungesunde Wurst

Eine im Frühjahr 2019 im Fachblatt "BMC Public Health" publizierte Studie des britischen Universitätsspitals Southampton verglich die Krebsrisiken durch Alkoholkonsum mit jenen des Rauchens und kam zu folgendem Schluss: Das Krebsrisiko durch den Konsum einer Flasche Wein pro Woche ist bei Frauen vergleichbar mit dem Krebsrisiko durch das Rauchen von zehn Zigaretten in der Woche, bei Männern sind es fünf Zigaretten pro Woche.

Fleisch und der häufige Genuss von gepökelten, geräucherten und stark gesalzenen Fleischwaren erhöht das Risiko für Magen- und Darmkrebs. In Studien zeigen Personen, die mehr Gemüse und weniger Fleisch essen, ein geringeres Risiko, an Krebs zu erkranken. Ab einer Gesamtmenge von etwa 300 Gramm Fleisch pro Woche steige das Krebsrisiko. Bei verarbeitetem Fleisch sei es zudem deutlich höher als bei un verarbeitetem roten Fleisch. Denn das bei Würsten oft zugesetzte Nitritpökelsalz kann bei hohen Temperaturen Nitrosamine bilden, die Krebs auslösen können.

Cancer Research UK schrieb dazu in ihrer jüngsten Studie, die an einer halben Million Briten durchgeführt wurde, Folgendes: Von 10.000 Personen, die täglich 21 Gramm rotes und verarbeitetes Fleisch aßen, bekamen 40 Personen Darmkrebs, bei einer täglichen Menge von 76 Gramm waren es 48 Personen. Experten schätzen, dass ein- bis zweimal Fleisch essen in der Woche wahrscheinlich unproblematisch ist, solange die Ernährung ansonsten aus vielen frischen pflanzlichen Produkten besteht. (Andreas Grote, 4.2.2020)