Der türkische Präsident setzt vorerst auf Weiterkämpfen.

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Nach neun Jahren Bürgerkrieg in Syrien ist es jetzt das erste Mal zu einer direkten Konfrontation zwischen der Türkei und dem Assad-Regime gekommen. Am Montagmorgen gerieten türkische Soldaten in der letzten Rebellenhochburg Idlib in Nordsyrien unter direkten Beschuss syrischer Regimetruppen. Vier starben sofort, zwei weitere erlagen im Laufe des Tages ihren Verletzungen.

Auf Befehl von Präsident Recep Tayyip Erdoğan starteten die türkischen Truppen daraufhin selbst einen Angriff auf 42 Ziele in Idlib und in den angrenzenden Provinzen Hama und Latakia. Dabei seien rund 35 syrische Soldaten "außer Gefecht" gesetzt worden.

Gemäß syrischer Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London wurden bei dem türkischen Angriff 13 syrische Soldaten getötet und etliche weitere verletzt. Die syrische staatliche Nachrichtenagentur Sana behauptete hingegen, auf syrischer Seite habe es keine Opfer gegeben.

Erdoğan kündigte an, die Angriffe würden fortgesetzt. Am Montagnachmittag flog der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar ins Kriegsgebiet, um die Operationen vor Ort zu koordinieren. Während Ankara behauptet, man habe die Koordinaten über die Stellung seiner Soldaten weitergegeben, sagte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, die Türkei habe Russland nicht über ihre Truppenbewegungen informiert. Deshalb seien die türkischen Soldaten von syrischen Truppen unter Feuer genommen worden.

"Nicht in den Weg stellen"

Peskow rief dazu auf, dass die Türkei zum russischen Militär in Syrien in ständigem Kontakt bleiben solle. Demgegenüber sagte Erdoğan, Russland solle sich den türkischen Operationen "nicht in den Weg stellen".

Die derzeitige Eskalation ist ein Ergebnis des erfolgreichen Vorrückens syrischer Regimetruppen gegen Aufständische und Jihadisten in Idlib während der vergangenen Tage. Nach der Eroberung der zweitgrößten Stadt in Idlib, Maarat al-Numan, rücken syrische Bodentruppen des Regimes nun auf die Provinzhauptstadt Idlib selbst vor. Unterstützt durch massive Angriffe der russischen Luftwaffe, haben die Regimetruppen in den vergangenen Tagen nahezu den gesamten Süden der Provinz Idlib erobert und dabei auch die wichtige Autobahnverbindung von Damaskus nach Aleppo erreicht.

Durch den Vormarsch wurde erneut eine Flüchtlingswelle vom Süden der Provinz Idlib nach Norden in Richtung syrischer Grenze ausgelöst. Kilometerlange Flüchtlingszüge, berichtet unter anderem die Hilfsorganisation Save the Children unter Berufung auf ihre Partner vor Ort, seien auf dem Weg Richtung türkische Grenze.

Flüchtlinge auf dem Weg Richtung Türkei

Nach UN-Angaben haben sich in den vergangenen Wochen 400.000 Menschen auf den Weg gemacht. Erdoğan hatte am Wochenende angekündigt, dass die Türkei diese Situation nicht länger hinnehmen könne und notfalls militärisch intervenieren werde, bevor eine neue Flüchtlingswelle über ihre Grenze komme. Die jetzt getöteten türkischen Soldaten waren Teil einer Truppe, die die türkischen Beobachtungsposten in Idlib verstärken sollten. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 3.2.2020)