Elena Popa reist über Grenzen hinweg von Prozess zu Prozess. Und um zu arbeiten.

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Dass die 24-Stunden-Betreuerin Elena Popa verklagt wird, ist für sie nicht neu. Seit mehreren Jahren, seit sie Missstände in der Betreuungsbranche öffentlich gemacht hat, hagelt es Klagen von Agenturbetreibern, deren Angestellten oder Fahrern.

Seit Jahren pendelt sie nicht nur im Job zwischen ihrem Arbeitsland Österreich und dem Heimatland Rumänien, sondern auch zwischen den dortigen Gerichten. Dass aber eine Gewerkschafterin sie klagt, ist neu. Dass die gleich in beiden Ländern wegen derselben Sache klagt, ist zumindest ungewöhnlich. Auch weil Popa im Laufe der Prozesse selbst Gewerkschaftsmitglied wurde.

Die Gewerkschaft Vidaflex will Transparenz schaffen in der 24-Stunden-Betreuung, einer Branche, in der Ausbeutung für viele zum Alltag gehört. Etwa weil sie in Inkassoverträgen stecken oder hohe Strafen zahlen müssen, wenn sie die Person, die sie betreuen, wechseln wollen. Die Betreuerinnen – meist Frauen aus Osteuropa – sollen aufgeklärt werden und rechtlichen Beistand bekommen, hat die Gewerkschaftsinitiative für Ein-Personen-Unternehmen und Partnerin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) als Ziel festgeschrieben.

All diese Missstände machte auch Popa in ihrer Facebook-Gruppe öffentlich, in der sie vor zwielichtigen Agenturen und Akteuren warnte. Die Gruppe war ein Raum, in dem Betreuerinnen sich austauschten, sie wurde von Facebook nach anonymen Beschwerden geschlossen. Dass Popa damit 30.000 Betreuerinnen erreichte, ist vielen in der Betreuungsbranche ein Dorn im Auge.

Ein Fall, zwei Prozesse

Nun braucht Popa rechtlichen Beistand in gleich zwei Prozessen gegen eine Mitarbeiterin der Gewerkschaft. Diese klagte sie einmal im niederösterreichischen Korneuburg, einmal im rumänischen Temeswar. Stein des Anstoßes ist eine Reihe Postings, getippt in Versalien, veröffentlicht auf Facebook, viele davon von Popa. "Haltet euch fern von ihr", steht da etwa vor dem Namen der Klägerin, und "fallt nicht auf ihre Falle rein".

Am 11. Juni 2019 wurde die Causa in Temeswar verhandelt, am Tag darauf in Korneuburg. In Österreich wurde Popa am ersten Prozesstag freigesprochen. Die Klägerin sagte später, sie habe Beweise zu Hause vergessen, Beweise, die bestätigen würden, wie sehr sie unter Popas Äußerungen auf Facebook leide – aufgrund dieses Leidensdrucks verzichtet DER STANDARD darauf, ihren Namen zu nennen.

Darüber, was in den Tagen danach passierte, gibt es zwei Erzählungen: Popa gibt an, die Klägerin habe ihr gesagt, wenn sie Gewerkschaftsmitglied wird, würde sie die Klage in Rumänien fallenlassen. Die wiederum gibt an, Popa sei freiwillig Mitglied geworden, habe sich einen Vorteil erhofft. Fest steht: Am 28. Juni überwies Popa 100 Euro als Mitgliedsbeitrag für die Monate Juni bis September.

Gewerkschaft hält sich raus

Franz Binderlehner ist im Vidaflex-Vorstand und bestreitet, dass Popa zur Mitgliedschaft genötigt worden sein soll. Er kündigt seinerseits rechtliche Schritte gegen jene an, die Gegenteiliges behaupten. Die laufenden Prozesse sind ihm bekannt, Binderlehner spricht von einer "längeren persönlichen Auseinandersetzung". Vidaflex sei darin nicht involviert: "Wenn zwei Privatpersonen eine Fehde austragen, hat das mit uns nichts zu tun", sagt er. Außerdem könne man einer Mitarbeiterin nicht verbieten, sich zu wehren.

Aus rechtlicher Sicht mutet es für Laien zumindest eigenwillig an, dass wegen derselben Causa parallel in zwei Ländern verhandelt wird und die Prozesse unterschiedlich enden. Doch die Facebook-Postings wurden in Österreich unter dem Tatbestand Cybermobbing in einem Strafrechtsprozess abgehandelt, in Rumänien jedoch nach dem "Neuen Zivilcode", vergleichbar mit einem Schadenersatzprozess. Und ein strafrechtlicher Freispruch bindet ein Zivilgericht nicht. Die Klägerin sagt dazu schlicht, sie hätte zweimal geklagt, um Popa "eine Lektion zu erteilen", immerhin trage man Konflikte nicht auf Facebook aus.

Kürzlich erfuhr Popa, dass sie vom Gericht in Temeswar zu 2.000 Euro Schadenersatz verurteilt wurde. Einen anderen Prozess gegen einen Agenturbetreiber gewann sie, einen weiteren gegen den Fahrer einer Agentur verlor sie und ging in Berufung. Ein weiteres Verfahren, das seit zwei Jahren läuft, liegt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Fall gegen die Gewerkschafterin wird sie Einspruch erheben. Alle vier Kläger werden in Rumänien vom selben Anwalt vertreten. (Gabriele Scherndl, 4.2.2020)