Die erste Folge der neuen Reportagereihe "Das Leben ist schön" bewegt sich mit Thekla "The Toxic Spider" in der Wiener Wrestling-Szene.

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Sendungschef Peter Liska will die schönen Seiten zeigen.

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Tagsüber trägt er als Postler artig Briefe aus, am Abend quetscht er sein Kampfgewicht in eine rote Radlerhose und stülpt sich mit ihr Namen wie "Yugo-Betrugo", "Zerlega-Kollega" oder "King von Ottakring" über: Mirko "Yugo" Panic ist Hobby-Wrestler – und als solcher quasi weltberühmt in Teilen Wien -Ottakrings. "Das Schlimmste für einen Wrestler ist, wenn du rausgehst, und es reagiert keiner."

Die Reaktionen des Publikums sind es auch, die "Yugo" auf die Bühne treiben: "Ich komme als niemand, bleibe als König und gehe als Legende", sagt er und schmunzelt dabei. Wrestling ist Unterhaltung, Wrestling ist Kult.

Mirko "Yugo" Panic.
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Sieht man in die Gesichter der Zuseher, die sich im Wiener Gürtellokal Weberknecht beim Underground-Wrestling tummeln, scheint "Yugos" Metamorphose nicht so weit hergeholt. Ob beim Auftritt von "Chabela, der Königin vom Keller", oder bei Thekla "The Toxic Spider", die sich "wie im Kolosseum" fühlt: Frenetischen Applaus gibt es für alle.

Und an der Spitze der Crew thront Ex-Profiwrestler Gerhard Hradil alias "Humungus". Er trainiert die Schützlinge in seiner Wrestling School Austria und tritt mit ihnen sechs Mal im Jahr im Weberknecht auf: "Wir improvisieren sehr. Ich gebe meinen Leuten wenig vor, bis auf das, wer gewinnt." Der 55-Jährige steigt manchmal selbst noch in den Ring, auch wenn er das danach wochenlang bereut: "Meine Ärzte und mein Körper sagen seit zehn Jahren: Hör’ auf mit dem Schaß."_

Keine Sozialkritik

"Humungus" "Yugo" und Co sind die Protagonisten der ersten Folge, die Silvan Huber für die neue ORF-Reportagereihe Das Leben ist schön, vor den Vorhang holt. Unter dem Namen Unter der Gürtellinie blickt er heute, Dienstag, um 21.05 Uhr in ORF 1 in die Welt des Underground-Wrestlings.

"Der Titel sagt bereits, dass wir auf die schönen Seiten des Lebens schauen", erklärt Peter Liska, der das neue Dienstagsformat im ORF leitet. Das unterscheide es von klassischen Sozialreportagen wie Am Schauplatz donnerstags in ORF 2. Den Unterschied muss Liska gut kennen, hat er doch 110 Folgen für die erfolgreiche Am Schauplatz-Reihe gestaltet und noch viele Dokumentationen für Menschen & Mächte wie etwa die preisgekrönte Kolaric’ Erben – Die Tschuschenkinder von einst: "Es geht bei Das Leben ist schön nicht um einen sozialkritischen Ansatz, wir wollen unterhalten und locker daherkommen."

30 Folgen

Die Sendung ist demnach an ein jüngeres Publikum adressiert. Das zu erreichen, ist schwer genug. Ist doch ORF 1 trotz neuer Programmelemente mit einem Marktanteil von nur mehr 12 Prozent im Jänner 2020 noch immer eine Baustelle. Das neue Format soll ein Mosaikstein sein, um die Quoten anzukurbeln. Geplant sind für heuer 30 Folgen. Der ORF gibt sie bei externen Produktionsfirmen in Auftrag. "Wir schwimmen nicht im Geld", sagt Liska im Gespräch mit dem STANDARD, aber: "Das sind unterschiedliche Gestalter mit eigenen Zugängen."

Künftige Schauplätze sind neben der Wrestling-Bühne zum Auftakt beispielsweise ein Autoschrottplatz, ein See mit Fischern oder Zeltfeste, wo eine junge Band auftritt. "Wir wollen in ein Biotop eintauchen, und dort Menschen unter die Lupe nehmen."

Zeltfeste wären auch bei Elizabeth T. Spira mögliche Drehorte gewesen. War die im März 2019 verstorbene Fernsehjournalistin doch auch bekannt dafür, Rauschigen nicht gerade aus dem Weg zu gehen. Spira prägte das Genre Sozialreportage von 1985 weg 20 Jahre lang wie keine andere im ORF. Angesprochen auf einen Vergleich, sagt Liska: "Die Alltagsgeschichten wird man nicht neu erfinden können. Bei der Toni Spira sind viele Sozialthemen durchgeblitzt. Stichwort: Ausländer in den 1990er-Jahren."

Ohne Wirtshausrunden

Jetzt gebe es in Österreich eine andere Bevölkerungsstruktur: "Die wird auch bei uns vorkommen. Was es nicht geben wird, sind Wirtshausrunden, die das explizit kommentieren." Also weniger Besoffene? "Es wird auch heiter werden, sich aber nicht in höheren Promilleregionen bewegen. Spira war eine große Künstlerin, die aus Menschen viel herausgeholt hat. Wir suchen nicht explizit die lockere Zunge." (Oliver Mark, 4.2.2020)