Conni ist ein überaus braves Kind. Sie macht strebsam Schulaufgaben anstatt zu prokrastinieren, schluckt tapfer Medizin, wenn sie krank ist, ohne auf Schokolade als Neutralisierer gegen den bitteren Geschmack zu bestehen, sie freut sich, wenn sie ein kleines Brüderchen bekommt, anstatt eifersüchtig um sich zu schlagen, und macht selbst beim ersten Zahnärztinnen-Besuch keinen Mucks, als diese den Bohrer zückt.

Conni ist eine Kinderbuchheldin, von deren Abenteuer eine gleichnamige Reihe erzählt. In dieser entspricht nicht nur Conni der Idealvorstellung, auch der Rest der Familie ist, was gemeinhin noch immer als perfekt gilt: Mama, Papa plus zwei Kinder – ein Bub, ein Mädchen –, eine Katze und gesunde Großeltern, die sich gern um Conni kümmern. Eher die Oma als der Opa natürlich. Und Connis Mama geht zwar arbeiten, wenn allerdings mal Papa alles übernehmen muss, weil Mama zur Fortbildung fährt, ist das dann doch ein kleiner Ausnahmezustand, der eben deshalb nicht unerwähnt bleiben darf.

Erst Wackelzähne, dann der Pay Gap

Die Kinderbuchreihe erschien erstmals 1992. Demnach wäre Conni heute 28 Jahre alt und somit in einem Alter, in dem sie über die ersten Nachteile genau dieser Rollenverteilung stolpert. Die Studentin Lea Weber ist selbst mit Conny aufgewachsen. Die 23-Jährige fragte sich im Zuge ihrer Abschlussarbeit ihres Germanistik- und Kunststudiums an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wie es Conni wohl nach ihren Abenteuern mit Wackelzähnen, Übernachtungspartys und Windelentwöhnung als Erwachsene ergehen könnte, und hat ein Cover im klassischen "Conni-Stil" entworfen. Nach "Conni lernt Radfahren", "Conni und das neue Baby" oder "Conni zieht um" heißt es allerdings für die inzwischen Erwachsene nun "Conni bekommt 21 % weniger Gehalt". Auf dem Cover ist Conni abgebildet, die sichtlich genervt auf ihren Gehaltszettel schaut – ihre zufrieden dreinschauenden Kollegen stehen im Hintergrund.

Foto: Lea Weber

"Ich wollte etwas thematisieren, was viele Frauen betrifft, aber nicht mehr viel mediale Aufmerksamkeit bekommt", sagt Weber gegenüber dem STANDARD. "Vielleicht liegt das daran, weil es das Problem einfach schon zu lang gibt." Dass es bei einem Buchcover bleibt und kein ganzes Buch draus wird, war beabsichtigt. Obwohl Weber nicht ausschließt, dass sie Connis Geschichte weiterschreibt. Das Cover sollte jedenfalls ein emotionaler, polarisierender Ausgangspunkt sein, sagt Weber. Sie erhielt auf ihre Arbeit, die sie über soziale Medien verbreitete, viele Rückmeldungen – oft auch darüber, dass es sich bei der auf dem Cover verwendeten Zahl von 21 Prozent nicht um den um Teilzeit, Branche und Position bereinigten Gender Pay Gap handle, der in Deutschland bei sieben Prozent liegt. Die Statistik Austria berechnet diesen bereinigten Pay Gap für Österreich, der 13,6 Prozent ergibt. "Egal ob bereinigt oder nicht, beide Zahlen sagen etwas aus, und wir sollten uns wieder mehr damit beschäftigen, welche strukturellen Ungleichheiten hinter diesen Zahlen stecken", sagt Weber.

Perfektion als Falle

Als Kind sei ihr gar nicht aufgefallen, wie unrealistisch das Familienbild in den Conni-Bücher ist, sagt sie: "Dieses immer brave und liebe Kind, das nie Ärger macht, tolle Noten bekommt, viele FreundInnen hat – alles klappt einfach wunderbar". Auch diese Perfektion wollte Weber mit ihrer Arbeit thematisieren, denn viele Eltern wüssten nicht, wie sie mit ihrem Kind diese Bilder einordnen sollen: dass nicht alle Väter Vollzeit arbeiten gehen und nicht alle Frauen voranging für den Haushalt zuständig sind. Denn in letzter Konsequenz trägt Teilzeit- und unbezahlte Familienarbeit eben genau zu dem bei, was Lea Weber als mögliches Szenario für Conni entwirft: zu einem frustrierten Blick auf den Gehaltszettel. (beaha, 4.2.2020)