Die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ist groß. Die Geschäftstätigkeit in China ist massiv eingeschränkt. Die Automobilindustrie zittert vor weiteren Quarantänezonen.

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Mit der Ausbreitung des Coronavirus bekommt Chinas Wirtschaft dort einen Dämpfer, wo sie stark verwundbar ist. Das Reich der Mitte hatte in den vergangenen Jahrzehnten hart an einer Transformation gearbeitet: weg von der Werkbank der Welt hin zu einem starken Binnenmarkt, der vom Konsum angetrieben wird. Und dieser Motor könnte nun ins Stottern kommen.

"Die Angst vor dem Virus wirkt sich auf das Konsumverhalten der Menschen aus", erklärt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin Private Banking der Unicredit Bank Austria. In Krisenzeiten gehen Leute weniger oft ins Restaurant, meiden Shoppingcenter oder verzichten auf Großveranstaltungen. Das hat sich bei den Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr gezeigt. Einige Festakte wurden abgesagt, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Auswirkungen auf den Rest der Welt

"Wir erwarten, dass das Coronavirus Chinas Wirtschaft im ersten Quartal ein Prozent vom Wachstum kostet", sagt Rosen-Philipp. Das wirkt sich auch auf den Rest der Welt aus. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt würde um 0,4 Prozent sinken, jenes der Eurozone um 0,25 Prozent. Die Geschäftstätigkeit in China ist bereits stark eingeschränkt. Viele ausländische Unternehmen haben ihre Aktivitäten reduziert. Apple kündigte am Wochenende an, Filialen und Büros in Festland-China vorerst zu schließen. Der koreanische Autobauer Hyundai setzte seine SUV-Produktion aus. Der Elektronikkonzern Foxconn (Apple-Zulieferer) aus Taiwan schloss seine Fabriken in China bis Mitte Februar. Neben VW stoppten auch die Autobauer Toyota und Tesla, der Möbelriese Ikea sowie Starbucks und McDonald’s ihre Produktion in China bzw. schlossen ihre Filialen.

Zwar werden immer mehr Gesichtsmasken verkauft, für die Gesamtwirtschaft Chinas ändert das allerdings nicht viel – sie leidet unter den Virusfolgen.
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Hinzu kommt, dass mehrere Airlines China nicht mehr anfliegen. Der Einschnitt beim Tourismus hat weitreichende Folgen: "Thailand und Vietnam hängen stark am Tourismus von China", sagt Rosen-Philipp. Hongkong ist laut der Analystin besonders betroffen. Denn die Sonderverwaltungszone ist wegen der anhaltenden Proteste bereits in die Rezession gerutscht. Das Virus, das sich ja auf das gesamte Reiseverhalten von und nach China auswirkt, wird das wirtschaftlich angeschlagene Land nun deutlich stärker treffen.

Die Auswirkungen beschränken sich aber nicht nur auf Asien. Chinesische Touristen sind dafür bekannt, dass sie bei ihren Reisen nach Europa gerne zu Luxusartikeln greifen. Den Umsatzrückgang werden Hersteller spüren.

Wuhan, Epizentrum des Virus, ist zudem ein wichtiger Knotenpunkt für Logistikunternehmen. Dass andere Lieferwege gefunden werden müssen, wirkt sich freilich auf diverse Zustellungen aus.

Autoindustrie fürchtet Dämpfer

Eine Ausweitung der Quarantänegebiete über die Provinz Hubei hinaus könnte der Autoindustrie, insbesondere der deutschen, erheblich in die Parade fahren. Das Car-Center der Uni Duisburg-Essen kommt in einer ersten Einschätzung – bei einer nach eigenen Angaben konservativen Schätzung – zu einem dramatischen Ergebnis: Ein Monat Quarantäne in nur einem Fünftel des Riesenstaates China kann für deutsche Hersteller wie VW, Daimler, BMW und Opel und Zulieferindustrie Umsatzeinbußen von 2,5 Milliarden Euro und 300 Millionen Euro bedeuten.

Zugrunde gelegt wurde dieser Hochrechnung ein Umsatz von täglich 600 Millionen Euro bei 251 Arbeitstagen pro Jahr in China. Bei zehn Prozent Gewinnmarge ergibt dies pro Tag 60 Millionen Euro Gewinn. Angenommen werden weiters Fixkosten vom Umsatz in Höhe von 22 Prozent, die sich aus Arbeitskosten (zwölf Prozent) und zehn Prozent an Kapitalkosten (Zinsen und Abschreibungen) zusammensetzen. Zusammen mit dem aufgrund von Werks- und Geschäftsschließungen entgangenen Umsatz und Gewinn schlägt damit jeder Tag Stillstand in China mit 72 Millionen Euro Verlust zu Buche. Insgesamt setzt die deutsche Autoindustrie (inklusive Zulieferer) pro Jahr weltweit 430 Milliarden Euro um, davon 150 in China.

Niedriges Risiko

"Das Risiko weiterer Quarantänegebiete ist nicht gering", warnt der Chef des Car-Instituts, Ferdinand Dudenhöffer. Denn kein Industriezweig in Deutschland sei so eng mit China verknüpft wie die Autoindustrie. Von den 5,1 Millionen Pkws, die deutsche Autokonzerne pro Jahr weltweit produzieren, geht ein Drittel in die Volksrepublik – die von Daimler und BMW in den USA produzierten Stadtgeländewagen (SUV), die nach China exportiert werden, noch nicht eingerechnet.

Zum Vergleich: Die 2003 in China ausgebrochene Lungenkrankheit Sars hat dem Land damals mehr als ein Prozent Wachstum gekostet. Damals trug China zur weltweiten Wirtschaftsleistung erst vier Prozent bei – heute sind es 16 Prozent. (Bettina Pfluger, Luise Ungerboeck, red, 4.2.2020)