Das klare Bekenntnis zu Exzellenz im Aufsichtsrat gewinnt auch in Österreich zunehmend an Bedeutung. Die Erwartungen gehen inzwischen weit über die Kontrollfunktion hinaus – und die Frage, wem sich das Board am stärksten verpflichtet fühlt, ist sich ständig ändernden Markt- und Umweltbedingungen ausgesetzt.

Dies braucht laufende Überprüfung und Abstimmung unter den einzelnen Aufsichtsräten. Zusätzlich zur klar vorgegebenen Gruppe der Aktionäre verdienen auch die Interessen anderer Stakeholder gesteigerte Aufmerksamkeit: Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter, die eigene Organisation und letztlich alle, die von Entscheidungen und Aktivitäten des Unternehmens betroffen sind, vor allem auch Umwelt und Gesellschaft.

Von der Besetzung über die laufende Zusammenarbeit bis hin zur Nachfolgeplanung: Der Wille zur Veränderung ist da. Was macht nun konkret eine gute Aufsicht aus? Diese Frage muss mehr als nur einmal gestellt und beantwortet werden, denn sie ist eine wiederkehrende, zumal sich die Anforderungen für das Unternehmen schon innerhalb weniger Monate verändern können. Eine angemessene Wahrnehmung der klassischen Kontrollfunktion stellt den einen, ein aktiver Beitrag zur strategischen Steuerung des Unternehmens den anderen Schlüsselfaktor dar. Der Aufsichtsrat – als Symbiose von "Aufsicht" und "Rat" – prägt das Erfolgsmodell für die Gegenwart und die Zukunft.

Diversität in allen Facetten

Die Zusammensetzung des Boards und die Qualifikation der einzelnen Mitglieder – das ist ein Thema von besonderer Brisanz und Aktualität. Im Kern geht es immer darum, alle wesentlichen Funktionen des Unternehmens auch im Aufsichtsrat abzubilden, um für alle entscheidenden Themen gerüstet zu sein und kurzfristig – wie auch langfristig – Richtung geben zu können.

Sabine Aigner ist international tätig im Executive Search bei Spencer Stuart.
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Der perfekte Mix aus Erfahrung und Fähigkeiten, aus persönlichen Eigenschaften und Perspektiven macht den Unterschied. Diversität in allen Facetten ist ein Imperativ – hinsichtlich Art und Seniorität der Erfahrung, hinsichtlich Alter, Nationalität und Geschlecht und hinsichtlich besonderer Fähigkeiten, durch welche völlig neue Impulse gesetzt und bisherige Vorgangsweisen infrage gestellt und diskutiert werden müssen. Es braucht juristische und finanztechnische Erfahrung, und es braucht absolutes Verständnis für das Geschäftsmodell und die Dynamik des Marktes, in dem das Unternehmen tätig ist. Es braucht ein tragfähiges Netzwerk an Geschäftsbeziehungen, die man zum Nutzen des Unternehmens einsetzen sollte. Themenführerschaft in Feldern wie Nachhaltigkeit, Environment Social Governance (ESG), Digitalisierung und Technologisierung, Diversität und Inklusion verleiht besonderen Vorsprung, wenn sie vom Aufsichtsrat getragen wird.

Gute Aufsicht bedarf aber auch einer weisen und sensiblen Führung. Das gemeinsame Verständnis für strategische Prioritäten, Kultur und Werte steht immer wieder auf dem Prüfstand, nicht nur wenn ein neues Aufsichtsratsmitglied hinzukommt – eine geschickte Führung dessen liegt natürlich vor allem in Händen des Aufsichtsratsvorsitzenden. Es sollte aber vom gesamten Board mitgetragen werden.

Aus vielen mehr machen

Die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder kommt aus Top-Managementpositionen. Dadurch entsteht eine unermesslich vielseitige wie reichhaltige Fülle an Erfahrungen. Die Kunst liegt darin, diese zu einem schlagkräftigen Board zu verbinden und durch Hereinholen zusätzlicher Fähigkeiten (Stichworte Digitalisierung, Human Resources und Nachfolgeplanung) noch effektiver zu werden. Für viele selbstverständlich, dennoch fallweise unterschätzt ist der erforderliche Zeitaufwand, den es braucht, um ein Mandat bestmöglich auszufüllen.

Während internationale Durchschnittswerte von etwa 240 Arbeitsstunden oder 30 Tagen pro Jahr berichten, befanden einzelne Aufsichtsratsmitglieder in Österreich in einer kürzlichen Umfrage dies als nicht ausreichend, um umfassend vorbereitet zu sein. Wenn man jedenfalls in Hinkunft die Bereitschaft, einem Aufsichtsratsmandat auch angemessenen Zeitaufwand zu widmen, als Auswahl- und Bestellungskriterium definiert, wird konsequenterweise auch die dringend zu führende Debatte zur Aufsichtsratsvergütung unumgänglich.

Es wird in nächster Zeit auch der Druck dahingehend steigen, sich in Zusammensetzung und Diversität, bei Auswahl und Besetzung, aber auch hinsichtlich der Effektivität der Board-Arbeit breiter aufzustellen. Wesentliche Zukunftsfaktoren sind Aus- und Weiterbildung, aber auch die Bereitschaft, sich objektiver Auswahl- und Evaluierungsverfahren zu bedienen und strategische Beratung hinzuzuziehen. (Der Standard, 7.2.2020)