Proteste auf Lesbos.

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Lesbos mal wieder. Die griechische Insel wird mehr und mehr zum Sinnbild der europäischen Flüchtlingskrise. Das Registrierlager Moria ist dauerhaft überfüllt, und in regelmäßigen Abständen protestieren Flüchtlinge und Migranten gegen die unwürdigen Lebensumstände. So geschehen auch am Montag, als rund 2.000 Menschen auf die Straßen gingen und forderten, auf das griechische Festland beziehungsweise in andere EU-Staaten gebracht zu werden. Die Polizei setzte Tränengas ein, damit die Menschen in ihre Lager zurückkehren.

Auch am Dienstag wurde wieder auf Lesbos demonstriert, sagt Ronny Kokert. Der 49-jährige Wiener befindet sich seit einigen Tagen auf der Insel. Wieso es ihn dorthin verschlagen hat? Kokert, Kampfsportweltmeister und Gründer der Trainingsmethode Shinergy, hat in der Josefstadt das Integrationsprojekt Freedom Fighters ins Leben gerufen. Dabei sollen geflüchtete Jugendliche die Kampfkunst, Disziplin und den Respekt vor anderen lernen.

"Ich muss dort helfen"

"Ich habe so Einblick in Fluchtgeschichten erhalten", sagt Kokert dem STANDARD, "und als ich zu Weihnachten las, was auf Lesbos passiert, war klar: Ich muss dort helfen." Seit einigen Tagen befindet er sich nun dort. Dabei hat er es sogar ins Lager Moria geschafft: "Die Polizei war mit der Demo beschäftigt, da konnte ich hinein."

Was er zu sehen bekam? "Die Menschen haben alles verloren und leben nun in menschenunwürdigen Umständen. Die Angst und Verzweiflung, die man vor Ort pur mitbekommt, sind schlimmer, als man sich das je vorstellen kann. Man kann gar nicht glauben, dass so etwas in der EU möglich ist." Gleichzeitig, sagt er, gehen die Flüchtlinge und Migranten sowie die Helfer respektvoll miteinander um. "Dieser Lebensmut, dieser Anstand, das erwartet man in solch einer Situation nicht."

Kamera in der Socke versteckt

Er sprach mit den Menschen in Moria, machte Fotos und Videos, bis man ihn erwischte. "Die Polizei konfiszierte mein Handy, fand aber nicht meine Kamera, die ich in meiner Socke versteckt hatte." Das darauf Aufgenommene postete er auf Facebook, damit die Welt sehen kann, wie es in Moria zugeht.

Rund um das Lager hat sich ein Zeltcamp für jene entwickelt, die in Moria keinen Platz haben. Dort traf er auch die Familie eines seiner Freedom Fighters. Der Afghane Ismail Noori ist mittlerweile österreichischer Staatsmeister im Kickboxen und befindet sich im Hotel Sacher im dritten Lehrjahr als Koch. Sein erster Asylantrag wurde abgewiesen, nun geht sein Fall in die nächste Instanz.

Zu Weihnachten erreichte seine siebenköpfige Familie Lesbos. "Zweimal sind sie auf dem Meer gekentert, beim dritten Mal haben sie es von der Türkei hierhergeschafft", so Kokert. Nun wollen sie wie die anderen aufs griechische Festland, um dann ihrem Sohn nach Wien folgen zu können.

Warten auf den Anruf

Bis dahin will Kokert ihnen auf Lesbos helfen, so gut es geht. Am Freitag kehrt der Wiener dann zurück nach Österreich. Doch er will wiederkommen. Bei der Hilfsorganisation Proactiva Open Arms hat er sich als Rettungsschwimmer beworben, um Menschen in Seenot zwischen der Türkei und Lesbos zu helfen. Wenn sich die NGO meldet, steht er bereit. (Kim Son Hoang, 5.2.2020)