In Deutschland ist eine Diskussion über faire Lebensmittelpreise entbrannt. Landwirte protestieren, sie fühlen sich unfair behandelt.

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Ein Plakat hat das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht. Mit dem Komiker Otto Waalkes wollte die Supermarktkette Edeka eigentlich ihr hundertjähriges Bestehen feiern, doch der Plan ging nach hinten los. Die Werbung brachte deutsche Bauern, die bereits seit Monaten gegen steigende Umweltauflagen und sinkende Abnehmerpreise in der Landwirtschaft protestieren, zusätzlich in Rage. "Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten", war da zu lesen.

"Wir haben kein Verständnis dafür, dass Edeka zu seinem Jubiläum nichts anderes als 'der niedrigste Preis' einfällt", wetterte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Die Werbung ziele darauf ab, dass "hochwertige Lebensmittel verramscht werden". Diese Meinung teilten wohl auch rund 200 Landwirte im norddeutschen Niedersachsen, die mit ihren Traktoren prompt die Zufahrt zu einem Edeka-Großlager blockierten.

Dieses Plakat zog viel Unmut auf sich.

Zwar ruderte der Großkonzern zurück – mit Essen sei lediglich die Stadt bei Oldenburg gemeint gewesen –, die Diskussion um Niedrigstpreise im Supermarkt war aber bereits entfacht. Gerade Diskonter wie Edeka oder Aldi stehen im Zentrum der Kritik. Sie würden Kunden mit Billigstangeboten – vor allem im Fleischsektor – anlocken, für Landwirte bliebe letztlich kaum etwas übrig.

Rückendeckung bekommen die Bauern von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Diese zeigte sich in einem Facebook-Video über die Preisgestaltung in Supermärkten verärgert. Um 2,89 Euro sei ein Kilogramm Hühnerschenkel zu haben, kritisierte die Politikerin. "Das geht nicht", meinte Klöckner und appellierte an Verbraucher, an Tier- und Menschenwohl zu denken: "Wie soll eine Bauernfamilie von solch einem Preis leben?"

Kein staatlicher Mindestpreis

Seither wurde in Deutschland wieder einmal die Diskussion über einen staatlichen Mindestpreis für Lebensmittel zum Leben erweckt. Kanzlerin Angela Merkel wischte diesen vom Tisch und lud stattdessen am Montag die Vertreter der vier größten Handelsketten zu einem Gipfel nach Berlin ein. Künftig sollen Landwirte nicht nur eine faire Entlohnung bekommen, sondern auch mehr Wertschätzung, so der Plan. Wie genau das geschehen soll, steht noch nicht fest. Demnächst ist ein weiteres Treffen zwischen Vertretern des Einzelhandels und der Landwirtschaft geplant.

Kanzlerin Merkel und Ministerin Klöckner beim Gipfeltreffen mit dem Handel.
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Dabei zeigt ein Blick in die Statistik, dass der Einkauf in Deutschlands Supermärkten zumindest im europäischen Vergleich nicht besonders teuer ist. Die Preise für Lebensmittel und nichtalkoholische Getränke liegen nur knapp über dem EU-Schnitt, wie aus Daten der Statistikbehörde Eurostat hervorgeht. Ganz anders sieht es in Österreich aus, hierzulande liegt der Preis ein Viertel über dem Durchschnitt (in Kaufkraftparitäten). Nur in Dänemark müssen Konsumenten mehr für den täglichen Einkauf zahlen.

Besonders günstig sind in Deutschland hingegen alkoholische Getränke, der Preis liegt mehr als elf Prozent unter dem EU-weiten Durchschnitt. In Österreich schlägt das Pendel eher in die andere Richtung aus: Brot- und Getreideprodukte liegen 35 Prozent über dem EU-Durchschnitt, Fleisch bei mehr als 45 Prozent. Sowohl beim Fleisch als auch bei Fisch liegt Österreich preislich an der EU-Spitze.

Aber auch in Österreich bleibt Bauern oft nicht viel von dem übrig, was auf dem Preisschild steht, wie die Landwirtschaftskammer errechnete. Zahlen Verbraucher beispielsweise 2,27 Euro für einen Kilo Äpfel, erhält der Bauer davon nur 59 Cent. "Bei uns ist es auch nicht lustig", heißt es seitens der Bauernvertretung. Ganz so schlimm wie in Deutschlands Diskontern, in denen überwiegend "Rabattitis" herrsche, sei die Lage hierzulande allerdings nicht. (Nora Laufer, 5.2.2020)