Die durch das Coronavirus ausgelöste Epidemie dürfte deutliche Bremsspuren in der chinesischen Wirtschaft hinterlassen. Aber nicht nur das. Die Auswirkungen des in vielen Landesteilen erzwungenen Stillstands spüren auch immer mehr heimische Unternehmen. Der steirische Industriekonzern AT&S, der in China in drei Werken rund 7000 Mitarbeiter beschäftigt, geht von gröberen Dellen aus. Die Ausbreitung des Virus beeinflusse die Produktion in China und trage ihren Teil dazu bei, dass die Geschäftsprognose gekappt werden musste, so der Konzern. AT&S-Aktien bescherte die Gewinnwarnung einen Absturz an der Börse in Wien.

Ein Erklärvideo für den schnellen Überblick.
DER STANDARD

Auch der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing sieht sich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Derzeit sei der Produktionsstandort in Nanjing noch in Betrieb – mit rund 80 Prozent der Leistung. Nicht auszuschließen, dass die Unsicherheiten rund um das Thema "jederzeit zu einem erzwungenen Abschalten der Linien führen können", so Unternehmenssprecher Filip Miermans. Nanjing ist etwa 500 Kilometer von Wuhan entfernt, wo das Coronavirus ursprünglich ausgebrochen ist.

Bis jetzt seien die wirtschaftlichen Einbußen noch gering. Rund 200 Mitarbeiter seien im Werk beschäftigt, 600 Mitarbeiter zu Hause. "An den Bürostandorten wird verstärkt Heimarbeit ermöglicht, um die Infektionsgefahr zu verringern", so Miermans. Am Produktionsstandort selbst würden Fiebermessungen beim Zutritt ins Werk durchgeführt.

Im AT&S-Werk in Chongqing in Zentralchina wird auch jetzt produziert. Gröbere Dellen erwartet der steirische Konzern dennoch.
Foto: APA/AT&S

Lieferketten unterbrochen

Gut möglich, dass die Lieferketten unterbrochen werden, was wiederum die Produktion stören würde. Unter anderem könne aufgrund der von der Regierung verhängten Transportkontrollen bei Lkws ein Engpass bei Chemikalien auftreten. Noch sei der Lagerbestand – Stand Dienstag – im normalen Bereich. Will heißen: Die Rohstoffe reichen noch für zwei Tage Produktion. Anderen wie etwa dem Autozulieferer Miba verschafft der durch die chinesische Nomenklatura erzwungene Stillstand durch die Verlängerung der Ferien rund um das chinesische Neujahr eine willkommene Atempause.

Miba beschäftigt in China rund 1100 Mitarbeiter – eine Handvoll davon EU-Bürger als Expats – an zwei Standorten: einer in Suzhou nahe Schanghai und einer in Qinxi nahe Shenzhen. Nur einer dieser Expats sei derzeit vor Ort – und wolle dort auch bleiben, so Unternehmenssprecher Wolfgang Chmelir. Erkrankt ist bislang niemand. Die beiden Werke sind bis 9. Februar geschlossen. Was danach kommen muss, wird laut Chmelir von den lokalen Behörden vorgegeben: "Voraussichtlich werden Temperaturmessungen für die Mitarbeiter beim Werkseingang und Gesichtsmasken vorgeschrieben." Ohnehin bewege man sich im Gleichklang mit den lokalen Kunden und Lieferanten. Fahren diese nach der Urlaubszeit ihre Gewerke wieder hoch, werde man dies ebenfalls tun.

Reisen verschieben

Was die Reisetätigkeit der österreichischen Mitarbeiter nach China betrifft, so raten derzeit alle Unternehmen dazu, nicht notwendige Reisen zu verschieben, auch innerhalb des Landes, wie es etwa bei der Agrana heißt. Aufgrund der Flugstreichungen diverser Airlines liegt dieses Vorgehen auf der Hand. Agrana beschäftigt an den drei Standorten in China rund 380 Mitarbeiter, an einem der Standorte wird seit Montag wieder produziert, die beiden anderen stehen derzeit still. Ähnlich sieht es beim Welser Pulverlackhersteller Tiger Coatings aus. Interne Reisebeschränkungen, internes Notfallteam und Bereitschaftsdienste, so beschreibt das Welser Unternehmen seinen hausinternen China-Notfallplan.

Auch der Mühlviertler Spritzguss-Maschinenerzeuger Engel mit zwei Produktionswerken in China beschreibt eine eher stressige Situation. Die dynamische Entwicklung mache es erforderlich, die Lage laufend neu zu bewerten, heißt es aus dem Unternehmen. Den ursprünglich für 3. Februar geplanten Arbeitsbeginn nach den Betriebsferien hat man ebenfalls auf den 10. Februar verschoben. Ab da stellt man sich auf ein verzögertes Anlaufen des regulären Betriebs ein. Der Grund: In einigen Regionen sind die Reisemöglichkeiten noch eingeschränkt, so dass nicht alle Mitarbeiter wieder rechtzeitig bei den Werken in Shanghai und Changzhou sein würden. Mitarbeiter, die ihren Urlaub in stärker betroffenen Regionen verbracht haben, müssen nach ihrer Rückkehr außerdem 14 Tage abwarten, bevor sie wieder zur Arbeit kommen.

Auch die Voestalpine hat Werke in China und beschäftigt dort mehr als 3000 Leute an rund 30 Standorten, davon sind neun Produktionsstandorte. Auch davon stehen einige still. Ob das aufs Ergebnis durchschlagen wird, wird man am Donnerstag sehen, wenn die Voestalpine ihre Quartalszahlen vorlegen wird. (Regina Bruckner, 5.2.2020)