Bild nicht mehr verfügbar.

Saubermachen in Des Moines im Wahlbüro von Bernie Sanders – viel mehr konnten seine Anhänger nicht tun, denn das Vorwahlergebnis ließ lange Stunden auf sich warten.

Foto: Reuters / Mike Segar

Bernie Sanders versuchte es mit trockenem Humor. "Ich habe stark den Eindruck, dass die Ergebnisse irgendwann bekanntgegeben werden", witzelte der Senator aus Vermont, als er zur Geisterstunde in Des Moines, Iowa, auf einer Wahlparty sprach. Auf einer Party, auf der er, in den Umfragen zuletzt an erster Stelle, eigentlich seinen Sieg hatte feiern wollen. Was nun aber, angesichts blamablen Technikversagens, nicht möglich war.

Der Auftakt der Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten war für die US-Demokraten ein Fehlstart. Am Montagabend hatten eingetragene Mitglieder oder Sympathisanten auf fast 1700 Wahlversammlungen in Iowa darüber abgestimmt, wen sie für den geeignetsten Herausforderer Donald Trumps halten. Doch die so oft praktizierte Aufgabe, die einzelnen Resultate zu sammeln, um das Gesamtergebnis zu ermitteln, endete in heillosem Chaos.

Normalerweise steht spätestens in den frühen Morgenstunden fest, wer gewonnen hat. Diesmal konnten die Verantwortlichen auch am Morgen danach nicht einmal Bruchstückhaftes vermelden. Mandy McClure, die lokale Sprecherin der Demokraten, sprach kryptisch von "Qualitätskontrollen" – bevor sie ebenso kryptisch erklärte, dass man hier und da Ungereimtheiten zu bereinigen habe.

Softwarefehlers

Wie sich bald herausstellte, konnten Einzelergebnisse entweder nur mit großer Verzögerung oder zunächst überhaupt nicht an die Zentrale in Des Moines, der Hauptstadt des Bundesstaats, übermittelt werden. In etlichen Fällen scheint eine Handy-App nicht funktioniert zu haben, wegen eines Softwarefehlers, wie die Zuständigen etliche Stunden später erklärten.

Verzweifelte Freiwillige, damit beauftragt, die Resultate ihrer Wahlversammlungen zu melden, berichteten ratlos von einer Serie technischer Pannen. Mal ließ sich die App nicht herunterladen. Mal soll die App trotz Eingabe der richtigen PIN nicht reagiert haben.

App und Hotline überlastet

Folgt man Sean Bagniewski, dem Vorsitzenden der Partei im Polk County, haben die Organisatoren Einwände, die es offenbar vorher schon gab, auf die leichte Schulter genommen. "Wir wussten, wie anfällig die App war", sagt Bagniewski. "Wir hatten von so vielen Beschwerden gehört, dass wir unseren Leuten rieten, die Resultate einfach am Telefon durchzugeben." Letzteres allerdings scheiterte an einer offenbar völlig überlasteten Hotline. Bis zu zwei Stunden, berichteten Wahlkreisleiter, hätten sie in der Leitung gewartet, ohne dass sich etwas tat.

Kein Wunder, dass die Kampagne Donald Trumps umgehend Kapital aus der Pannenserie zu schlagen versuchte. Prompt stempelte der Wahlkampfmanager des republikanischen Präsidenten die Demokraten zu Amateuren, die zwar große Pläne entwerfen, aber selbst an einfachsten Aufgaben scheitern. "Sie wollen regieren und schaffen es nicht einmal, einen Caucus über die Bühne zu bringen", spottete Brad Parscale.

"Caucus" – das ist jenes antiquiert anmutende Verfahren, das in Iowa über die Erstplatzierten entscheidet. Die Abstimmung erfolgt nicht per Stimmzettel in einer Wahlkabine, sondern dadurch, dass sich eine bestimmte Gruppe zu einem bestimmten Kandidaten bekennt. Zu diesem Zweck kommen Wähler in Turnhallen, Kirchen oder Bibliotheken zusammen. Anfangs begründen Anhänger des jeweiligen Bewerbers, warum sie ihren Favoriten im Weißen Haus sehen wollen. Nach kurzer Debatte teilt man sich in Grüppchen auf, allerdings müssen mindestens 15 Prozent der Anwesenden einem Aspiranten den Zuschlag geben, wenn der nicht leer ausgehen soll.

Kompliziertes Verfahren

Wer einer Gruppe angehört, deren Favorit unter diesem Wert bleibt, kann in einer zweiten Runde ins Lager eines anderen wechseln. Erst danach wird ausgezählt. Und weil das Verfahren, so kompliziert es ist, bereits so oft praktiziert wurde, kam die Erkenntnis, dass diesmal vieles nicht so lief, wie es laufen sollte, umso überraschender. Wer von den elf Bewerbern das Rennen machen würde, war auch am Dienstagvormittag (Ortszeit) noch offen.

Was den Jüngsten des Feldes freilich nicht daran hinderte, sich zum Sieger zu erklären. "Ihr habt hier in Iowa die Nation geschockt", jubelte Pete Buttigieg (38). Die Wähler Iowas, suggerierte er, hätten ihn zum Spitzenreiter gemacht. Ihn, den als Außenseiter Gestarteten, der es den Etablierten gezeigt habe.

"Qualitätskontrollen"

Joe Biden wiederum, der vor Monaten als Favorit an den Start gegangen war, unter seinen Anhängern aber keine Begeisterung zu schüren versteht, ließ Bedenken zu Protokoll geben. Wenn von Qualitätskontrollen die Rede sei, schrieb einer der Anwälte des ehemaligen Vizepräsidenten unter Bezug auf oben zitierte Mandy McClure, dann wolle man eine ausführliche Erklärung darüber, "welche Methoden Sie dabei anwenden", bevor irgendeine Tabelle publik gemacht werde.

Am Dienstagnachmittag dann ging Sanders‘ Kampagne in die Offensive, indem sie inoffiziell einen Zwischenstand meldete, den ihre Helfer ermittelt hatten. Nach Auszählung von knapp zwei Dritteln der Stimmen kam Sanders demnach auf 29,4 Prozent, gefolgt von Buttigieg (24,8 Prozent), Warren (20,6 Prozent), Biden (12,9 Prozent) und Amy Klobuchar (11,1 Prozent). Gegen 17 Uhr Ortszeit, in Mitteleuropa gegen Mitternacht, teilte die Parteizentrale Iowas parallel dazu mit, werde man die "Mehrzahl" der Resultate veröffentlichen. Was konkret damit gemeint war, ob eine Mehrheit von 51 oder aber 95 Prozent, behielten die Organisatoren vorläufig für sich. (Frank Herrmann aus Washington, 4.2.2020)