Die Zahl der Journalisten in Österreich ist in den letzten zwölf Jahren um ein Viertel gesunken (von rund 7000 auf 5300), berichtet der "Journalismusreport" des Medienhaus Wien. Dafür haben PR- und Medienberater, vor allem auch in den Regierungsstäben, Hochkonjunktur. Ökonomisch durchaus notwendige Sparmaßnahmen in den Redaktionen und massive Aufrüstung im Medienbeeinflussungsgeschäft verändern auch die politische Kultur im Lande.

Dieser Tage hat mein Kollege Peter Michael Lingens von der Branchenzeitschrift "Der österreichische Journalist" den Preis für sein Lebenswerk bekommen.

Lingens begann mit großartigen Gerichtsreportagen im "Kurier". Er führte das "Profil" zu seinem damaligen Alleinstellungsmerkmal als zugleich investigativem wie brillant geschriebenem liberalem Magazin. Er hatte den moralischen Mut, um einem Sonnenkönig Bruno Kreisky in der Sache von Friedrich Peter / Simon Wiesenthal entgegenzutreten. Die Kehrseite war Lingens’ Neigung, sich manchmal apodiktisch zu verrennen. Aber er war (und ist – als "Falter"-Kolumnist) ein wichtiger Bestandteil des Qualitätsjournalismus.

Peter Michael Lingens erhielt von der Branchenzeitschrift "Der österreichische Journalist" den Preis für sein Lebenswerk.
Foto: APA/HANS PUNZ

Die Karriere von Lingens (und anderen) war möglich, weil es in einer durchpolitisierten, von Interessengruppen beherrschten Medienlandschaft in Österreich einen dringenden Bedarf an unabhängigem, kritischem Journalismus gab – und ein paar Leute wie Oscar Bronner, die diesen Bedarf durch Neugründungen deckten. Inzwischen haben sich die ökonomischen Voraussetzungen geändert und an die Stelle von Verleger- und Gründerpersönlichkeiten scheinen politisch vernetzte Investoren zu treten. Die Beteiligung des Immobilien-Tycoons und Kurz-Freundes René Benko an "Krone" und "Kurier", mit der Absicht der Mehrheitsübernahme zumindest an der "Krone", weist in Richtung Orbánistan: Dort haben betuchte Freunde des autoritären Herrschers die Medienlandschaft aufgekauft.

Die Tendenz, die Radauzeitungen mit Regierungsinseraten zu füttern und kritischen Journalismus durch Message-Control einzuhegen, hat nicht erst mit Türkis-Blau begonnen. Der Sozialdemokrat Faymann war da Vorreiter. Aber Türkis hat die Methode perfektioniert. Der neue grüne Regierungspartner muss sehr schnell zu einer eigenen, demokratiefördernden Politik kommen.

Selbstverständlich liegt es vor allem auch an den kritischen Medien, ihre Position abzusichern und auszubauen. Für einzelne kann die Tendenz zu autoritären Verhältnissen sogar einen zweiten Atem bedeuten. Die "New York Times" und die "Washington Post" schöpfen neue Kraft und neue (Online-)Leser aus dem Widerstand gegen Donald Trump, der sich eindeutig in Richtung Autokrat entwickelt.

Vor 25 Jahren startete derStandard.at, und Printjournalisten haben gelernt, welche Möglichkeiten das Feedback der Online-Leser bietet. Die Solidarität der Leser soll uns jetzt auch helfen, den ökonomischen Veränderungen und den autoritär-populistischen Tendenzen in der Politik zu widerstehen.

Die Situation in Österreich ist zwar nicht ganz so trist, wie es beim täglichen Konsum der Radaublätter aussehen mag. Aber über eines müssen sich auch konservativere Bürger im Klaren sein: In Österreich ist die autoritäre Versuchung traditionell sehr groß, und wenn einmal niemand mehr die Inszenierungen, die Message-Control, die "Einzelfälle", den Machtmissbrauch (egal in welcher Partei), die Korruption (egal, in welcher Partei) ins öffentliche Bewusstsein ruft, dann wird es ungemütlich in Österreich. (Hans Rauscher, 5.2.2020)