Donald Trumps dritte Ansprache im Kongress war weitgehend eine, wie man sie inzwischen von ihm gewöhnt ist: reich an Eigenlob, arm an Substanziellem. Der Präsident der USA bewarb sich in seiner Rede zur Lage der Nation um eine zweite Amtszeit, indem er das Land in schönsten Farben zeichnete. Er weiß das Momentum auf seiner Seite. Just einen Tag vor der finalen Abstimmung über eine mögliche Amtsenthebung hat Trump einen besonders guten Lauf. Es grenzte an ein Wunder, sollte das von der Opposition angestrengte Impeachment-Verfahren am Mittwoch nicht mit einem Freispruch enden. Trump kann sich der absoluten Loyalität fast aller seiner republikanischen Abgeordneten im Senat sicher sein.

Zudem dürfte die Ukraine-Affäre entgegen der Strategie der Demokraten auch auf lange Sicht keinen Schaden hinterlassen. Obwohl sich Trump selbst nach Ansicht einiger seiner eigenen Parteikolleginnen und -kollegen offensichtlich des Machtmissbrauchs schuldig gemacht hat, zieht er mit phänomenalen Umfragewerten in den nächsten Wahlkampf. Seine Zustimmungswerte von 49 Prozent mögen laut aktueller Gallup-Umfrage zwar historisch schlecht sein, in seiner Amtszeit jedoch wurde nie eine höhere Zufriedenheit gemessen. Hinzu kam ein Geschenk, das ihm ausgerechnet die Demokraten machten: In Iowa vergeigten sie ihre erste Vorwahl technisch völlig, was Trump mit seinem Rekordergebnis in noch besserem Licht erstrahlen ließ – und sie selbst in einem, das nach blamabler Inkompetenz aussieht.

Zwei respektlose Gesten

Die Verbitterung aufseiten der Demokraten ist groß und in weiten Teilen auch durchaus verständlich. Die Republikaner haben demonstriert, dass sie dem Präsidenten die Mauer machen, obwohl sie dessen Fehlverhalten in der Ukraine-Affäre anerkennen. Nachvollziehbar ist auch die deutlich erkennbare Wut, die die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, wegzuignorieren versuchte. Zuerst verweigerte Trump der hinter ihm sitzenden ranghöchsten Demokratin im Kongress den Handschlag. Dann brach der Präsident einmal mehr mit Gepflogenheiten des politischen Betriebes, und das in ihrem Haus. Trump verlieh dem ultrakonservativen, für seine rassistischen und frauenverachtenden Ausfälle bekannten Radiomoderator Rush Limbaugh eine der höchsten zivilen Auszeichnungen – eine des Präsidenten wohlgemerkt, die daher üblicherweise im Weißen Haus vergeben wird. Nicht im Kongress, nicht während der State-of-the-Union-Rede im Repräsentantenhaus.

Dessen Hausherrin verbindet eine längere Geschichte der Animositäten mit dem Präsidenten. Die gegenseitige Verachtung demonstrierten die beiden am Dienstag vor laufenden TV-Kameras. Im Anschluss an Trumps Ansprache zerriss Pelosi das Redemanuskript. Es war eine respektlose Geste, die auf eine respektlose Geste Trumps gefolgt war. Insgesamt war es ein unwürdiger Moment, ein peinlich anmutendes Schauspiel beider Seiten. Die Lage der Nation nämlich ist diese hier: Das Land ist entlang der Grenzen der Parteizugehörigkeit zutiefst zerrissen. Das trifft auf die Wahlbevölkerung zu, aber auch auf die Volksvertreterinnen und Volksvertreter. Letztere allerdings sollten sich in der Lage sehen, in der Öffentlichkeit ein besseres Bild abzugeben. Gräben schließen sich so nicht. (Anna Giulia Fink, 5.2.2020)