Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) will sich am Berliner Modell der Kunstförderung orientieren.

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Unter dem Schlagwort Fair Pay hat die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler angekündigt, die Kunstförderung der Stadt auf neue Beine zu stellen. Fairer, nachvollziehbarer und objektiver soll diese werden. Anlass dazu geben nicht nur zwei aktuelle Studien zur schlechten sozialen Lage der Kunstschaffenden, auch der interne Umgang mit Befangenheit bei der Subventionsvergabe steht offenbar auf dem Prüfstand.

Dem STANDARD wurde ein Fall zugetragen, der womöglich mit ausschlaggebend gewesen sein könnte, dass man bei Befangenheiten künftig genauer hinschauen will: Es geht um einen bekannten und für die Szene wichtigen Kunst-Offspace, der als Verein betrieben wird und in den vergangenen Jahren mehrfach Subventionen bezogen hat. Zuletzt bekam dieser 35.000 Euro Jahresförderung für das Jahr 2020 zuerkannt.

Im Einreichtermin Oktober 2019 war dies der höchste Betrag, der aus dem Topf Bildende Kunst und Medienkunst ausgeschüttet wurde. Alle übrigen Empfänger mussten mit 5.000 bis 20.000 Euro auskommen. Doch die Krux bei der Sache: Die Leiterin des Kunstvereins saß seit 2017 selbst drei Jahre im Beirat, der die Förderempfehlungen ausspricht. Im September legte sie ihre Tätigkeit zurück und wurde durch eine neue Beirätin ersetzt, die selbigem Kunstverein fallweise als freie Kuratorin verbunden ist.

Problem der Befangenheit

Wie ist man mit der Befangenheit umgegangen? Sauber und den Regularien entsprechend, versicherten dem STANDARD auf Nachfrage sowohl das Kulturamt als auch die Leiterin des Kunstvereins. Diese habe, wie vorgesehen, bei Befangenheit stets den Raum verlassen und an den betreffenden Abstimmungen "nicht teilgenommen", auch nicht an jener für den Einreichtermin Oktober.

Zwar stoßen Fördergeber bei einer überschaubaren, aber hochgradig vernetzten Kunstszene, in der jeder mit jedem irgendwann einmal zusammengearbeitet hat, bezüglich des Vermeidens von Befangenheiten an Grenzen; das Kulturamt sah dennoch Veranlassung, nachzuschärfen – oder zu "präzisieren", wie es heißt.

Anfang des Jahres wurde das gesamte Förderwesen auf eine neue Datenbank umgestellt. Damit einher ging ein größerer Reformprozess, der auch neue Förderrichtlinien, ein neues Abrechnungsprozedere und digitale Einreichmodalitäten umfasst. Beim Thema Befangenheit kam ein Passus dazu, der Beirats- bzw. Jurymitgliedern verbietet, während ihrer Funktionsperiode für den jeweiligen Fördergegenstand, dessen Beiratsmitglied sie sind, selbst Förderanträge zu stellen. Die bloße Enthaltung an der Abstimmung reicht also nicht mehr aus.

In der Realität dürfte es nun so gehandhabt werden, dass Subventionen an Vereine, deren Leiter zugleich im Beirat sitzen, während der Funktionsperiode tabu sind.

Honoraruntergrenze

Bei den Kulturschaffenden selbst kommt der angestoßene Reformprozess jedenfalls gut an. Nicht nur gibt es nach einer Erhöhung des Kulturbudgets um zehn Prozent nunmehr quer durch alle Sparten mehr Geld, auch bei der Höhe der einzelnen Ansuchen setzt man mit dem ersten Termin ab 15. Februar 2020 auf Verbesserungen: Orientiert an Berlin, führt Wien nun eine Honoraruntergrenze ein. Die frühere Unsitte, dass Künstler in einem "Race to the bottom" darum wetteiferten, wer um die geringere Summe ansucht, um die Chancen auf Bewilligung zu erhöhen, soll damit der Vergangenheit angehören.

"Selbstausbeutung wird künftig nicht mehr belohnt, sondern faire Bezahlung wird zur Voraussetzung für ein positives Förderansuchen gemacht", heißt es bei der IG Theater, die das Modell seit langem fordert. Die Interessenvertretung stellt im Internet Hilfestellungen für Förderansuchen bereit.

Pro Einreichtermin werden in einem Bereich etwa 300 Anträge gestellt, von denen im Schnitt 20 Prozent bewilligt werden. Der Devise Kaup-Haslers, dass mit dem zusätzlichen Geld nicht mehr, sondern unter besseren sozialen Bedingungen produziert werden soll, stimmt die IG zu: Setzt Wien all das um, könne es noch zum Vorbild für andere Bundesländer werden. (Stefan Weiss, 5.2.2020)