Das Abbrennen von Zuckerwatte sieht spektakulär aus, man sollte allerdings eine exakte Anleitung und bereits Kocherfahrung dafür haben.

Foto: Facebook/So Yummy (Faksimile)

Desserts und Dekorationen im Stil der "vier Elemente", vom "Wasserkeks" bis zum "Feuerflambé." Spektakuläre, aber scheinbar einfach umzusetzende Gerichte und Tricks, jeweils in circa 20 Sekunden und kurzen Arbeitsschritten präsentiert. Alleine dieses Video der Facebook-Seite "So Yummy" – erstellt in Partnerschaft mit Disney – hat über sieben Millionen Aufrufe erreicht, mehr als 55.000 Reaktionen erzeugt, gut 2.500 Kommentare erhalten und wurde fast 40.000 Mal geteilt.

Auch andere Clips dieser Art sind höchst erfolgreich. Ein weiteres Beispiel ist "Blossom", ebenfalls betrieben von First Media, das auch hinter "So Yummy" steckt. Auf Youtube hingegen ist "5 Minute Crafts" der Pionier für Life-Hacks aller Art, die als Kurzvideo präsentiert werden. Universal besonders beliebt: Alles, was mit Essen zu tun hat.

Inspirierend, aber oberflächlich

"Für mich sind das einfach nur Videos, die ganz kurz Möglichkeiten zeigen", meint dazu Thomas Sixt, bekannter Koch, Foodblogger und Autor. Er hat sich für den STANDARD mehrere Clips dieser Art angesehen und befindet die meisten für harmlos. Einige seine "eine gute Anregung", um etwas auszuprobieren, andere wiederum seien nicht besonders praktikabel. "Es fehlt meistens der Zusammenhang zu einem realen Gericht oder die Anleitung in der Tiefe", so der Experte. Diese wäre weder in den Videobeschreibungen, noch auf den Seiten selbst zu finden gewesen.

Einige wenige der "Hacks" bieten aber auch Gefahrenpotenzial, besonders wenn weniger kocherfahrene Personen zu Werke gehen. "Das Omelette Surprise in der Variante mit abgefackelter Zuckerwatte sieht natürlich spektakulär aus, ist jedoch unter Umständen mit Brandblasen oder Feuerwehreinsatz verbunden", warnt Sixt. Gerade, wenn etwa mit heißem Karamell oder Feuer gearbeitet wird, seien ein Thermometer und eine exakte Anleitung wichtig, sonst könne aus "Ui, schau mal!" schnell ein "Auweh!" werden.

How To Cook That

Gummibären in Vodka, Erdbeeren in Bleichmittel

Eine Reihe solcher potenzieller "Auweh"-Momente dokumentiert die australische Ernährungswissenschaftlerin Ann Reardon immer wieder in Videos auf ihrem Youtube-Kanal "How To Cook That". Dort probiert sie viele der Tipps selber aus und stößt immer wieder auf Anleitungen, die entweder einfach nicht funktionieren, an die falsche Altersgruppe gerichtet werden oder gefährlich sind.

So findet sich mitten unter Dessert-Anleitungen für Kinder etwa ein Rezept, das in Vodka versenkte Gummibärchen enthält. Und mitten unter Kurzanleitungen für essbare Desserts taucht der Tipp auf, Erdbeeren in Bleichmittel einzulegen, um sie weiß zu färben. Reardon ist auch auf das eine oder andere Video gestoßen, bei dem offensichtlich in die Videotrickkiste gegriffen wurde, um ein Rezept scheinbar funktionieren zu lassen.

Viral Publisher

Die Life-Hack-Videos sind die neueste Masche der sogenannten "Viral Publisher", wie man sie etwa von der Video- und Meme-Seite wie 9Gag oder Plattformen wie Ladbible kennt. Gerade "5 Minute Crafts" vom Anbieter The Soul Publishing hat nach seinem Start Ende 2016 einen geradezu kometenhaften Aufstieg hingelegt, dokumentiert Gründerszene.

In weniger als sechs Monate hatte es der Youtube-Channel auf eine Milliarde Aufrufe gebracht. Wobei Googles Videoplattform eigentlich nur Zweitverwertung ist. Bei First Media setzt man vor allem auf Facebook. Eye Candy gepaart mit mehr oder weniger erstaunlichen Kurztipps unter klickträchtigen Titelzeilen sorgen für weite Verbreitung. Schon damals verfügte das wohl von Russland aus betriebene Unternehmen über mehr als 20 ähnlich gestrickte Seiten und produzierte etwa 1.000 Videos pro Monat.

Instagram und Co. spielen mit

Dass in die Produktion der Clips viel Rechercheaufwand gesteckt wird, bezweifelt Alexandra Palla, Betreiberin einer Werbeagentur mit Fokus auf Kulinarik und Gründerin des Austria Food Blog Award. "Die Videos dienen Klicks und Aufregung", sagt sie. Das Geschäftsmodell ist klar: Die hohe Reichweite bringt Geld über Werbeeinblendungen und bezahlte Kooperationen. Medien wie Instagram würden die Informationsverknappung auch noch fördern, da ihre Algorithmen kürzere Clips dieser Art gerne nach oben spülen.

In Sachen Food-Hacks habe sie zwar "noch nichts Lebensgefährliches" gesehen, wohl aber viele Clips mit unbrauchbaren Anleitungen. Daran werde sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern, prognostiziert Palla. Solange in den Videos keine offensichtlich gefährlichen oder illegalen Inhalte auftauchen, würden Facebook, Google und Co nicht tätig werden.

Dieser Markt sei ein "offenes Feld", auch weil es keinen Werberat gibt, die sich mit den ethischen Grenzen dieser Formate beschäftigt. "Ich bin für die Einrichtung einer Instanz", meint Palla. Vorstellbar wäre für sie etwa eine Erweiterung der Kompetenzen des Werberats.

DER STANDARD

Lieber von den Profis lernen

Doch was tun, wenn man seine eigenen Kochkünste verbessern will? "Lieber bei den Köchen schauen", schmunzelt Thomas Sixt. Er selbst bietet ausführliche Rezepte auf seiner Website an und zeigt auch beim STANDARD immer wieder Tipps und Gerichte in Text- und Videoform.

Wer direkt von Profis lernen will, muss nicht unbedingt eine Lehre absolvieren. Auch Kochkurse sind seiner Ansicht nach eine gute Alternative, um zumindest in den eigenen vier Wänden künftig als Küchenchef glänzen zu können. (gpi, 10.2.2020)