Einen Austausch zwischen dem ÖSV und Leibovici-Mühlberger gab es schon länger. Ab 2018 wurde die Zusammenarbeit konkret, damals fertigte sie mit ihrem Team eine Strukturanalyse des Skiverbands an.

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Wien – Der Österreichische Skiverband (ÖSV) hat sich etwas überlegt – oder vielmehr überlegen lassen, und zwar von Martina Leibovici-Mühlberger, sie ist Ärztin, Psychologin, Erziehungsberaterin und einiges mehr. Herausgekommen ist "Optimal Sports", ein "Gesamtkonzept zur Förderung von Gesundheit, Bewegung, Werten und Haltungen", wie es der ÖSV formuliert.

"Im Moment trainieren wir die Sportler. Aber ich glaube, wir haben eine größere Verantwortung", sagte Präsident Peter Schröcksnadel bei der Vorstellung. "Optimal Sports" soll künftig "das Drumherum" beinhalten. "Ein Verband muss sich eine Vision geben: Wie stellen wir uns selbst in Zukunft dar? Wo wollen wir hin?"

Der ÖSV will Vorbild sein, Schröcksnadel betonte die Größe des Verbandes und die gesellschaftliche Reichweite. Drei Säulen hat Leibovici-Mühlberger mit ihrem Team definiert: Persönlichkeitsstärkung, Gesundheitsentwicklung, Ressourcenbewusstsein. Zwischen diesen Schlagwörtern stehen konkrete Anliegen: Respekt für andere, ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Natur, körperliche Gesundheit, Förderung der individuellen Identität von Athleten.

Stabsstelle für Opfer von Übergriffen

All das schlägt sich auch in den neuen Ethikkodizes für Athleten und Betreuer nieder, die der Verband am 1. Dezember des Vorjahres beschlossen hat. Ein wichtiger Punkt, hier in der Version des Betreuer-Kodex: "Sie unterlassen jedwede Form von Übergriffen in Gesten, Worten, Handlungen oder Taten, die persönliche Grenzen oder individuelles Empfinden überschreiten könnten." Sollten Betreuer Derartiges mitbekommen, müssen sie einschreiten und zur Aufklärung beitragen.

Neu im Verband ist auch ein Notfallplan für "unvorhergesehene Fälle, ob das Dopingfälle sind oder irgendwelche Übergriffe". Wer Opfer ist oder Vorfälle mitbekommt, kann sich an die von Leibovici-Mühlberger geleitete externe Stabsstelle wenden. Diese müsse dann "verifizieren, zuordnen, dokumentieren" und abschätzen, ob eine Gefährdungssituation vorliegt.

Konsequenzen

Bei strafrechtlich relevanten Tatbeständen oder einem Verstoß gegen den Ethikkodex ergreift die Stabsstelle Sofortmaßnahmen und koordiniert die weiteren Konsequenzen. "Entsprechend reagieren können, und zwar neutral – außerhalb des Verbandes. Das ist ein wichtiges, zentrales Thema", sagte Schröcksnadel. Bei Kleinigkeiten wie einem Streit kann der Vorfall intern abgehandelt werden, die Stabsstelle vermittelt dann zwischen den Betroffenen.

In der ÖSV-Trainerakademie wurden Teile des Programms schon 2019 umgesetzt. Das Thema Gruppendynamik übten die Teilnehmer mit Rollenspielen. "Der wesentliche Punkt ist der Transfer in die Persönlichkeit des Einzelnen. Der gelingt, indem man es für die Person erlebbar macht", sagte Leibovici-Mühlberger.

Hoffnung auf sportlichen Erfolg

Die Neuerungen sollen den ÖSV auch sportlich weiterbringen. "Ein glücklicher, guter Sportler – natürlich heißt das nicht, dass man den in der Ausbildung nicht entsprechend herannimmt –, aber er muss zufrieden sein in seinem Befinden und muss Selbstvertrauen haben, dann kann er eher für uns gewinnen", sagte der 78-jährige Tiroler.

Auch auf die Skischulen würde Schröcksnadel künftig gerne mehr Einfluss nehmen. "Die Kooperation zwischen Schule und Verband ist hinkend, diese Lücke wollen wir schließen." Verhandelt habe er seit zwei Jahren, herausgekommen ist ein Zertifikat für anerkannte Partnerschulen, für das sich diese dem Kodex unterwerfen müssen. "Bei der Kooperation im sportlichen Bereich haben uns die Ausländer überholt. Stams war ein Leuchtturm, das haben uns alle nachgemacht, jetzt müssen wir den nächsten Schritt gehen."

Mögliche Ausdehnung

Die in "Optimal Sports" betonten Werte sollen über den Skiverband hinaus Einfluss haben, Leibovici spricht gegenüber dem STANDARD das Thema Gesundheit an. "Da war die Idee, die Prominenz des Skifahrens zu nützen." So könnten Athleten in Schulen gehen und den Kindern sagen: "Schau, Sport hilft dir, dich als Person zu entwickeln und die Gesundheit zu erhalten." Schröcksnadel schlug vor, das Programm auch auf Veranstalter und andere Verbände zu erweitern: "Das ist nicht uns überlassen, aber wenn das Ministerium glaubt, das ist eine gute Geschichte, sind wir offen."

Übrigens: 70 Prozent der Inhalte von "Optimal Sports" sind laut Schröcksnadel schon umgesetzt. So bekamen die ÖSV-Damen Workshops zum Thema Identitätsbewusstsein, alle Athleten und Betreuer mussten die Kodizes unterschreiben. (Martin Schauhuber, 5.2.2020)