Heimische Milchbauern liefern ihre Milch an 84 verarbeitende Betriebe, dazu gehören große Molkereien wie NÖM oder Salzburgmilch genauso wie kleine Käsereien.

Foto: Elmar Gubisch

Wien – Bauern im Milchkrieg. Geht es um dem Strauß, den die IG-Milch derzeit mit der Molkerei Ennstal Milch ausficht, fallen drastische Worte. Er verstehe ja gar nicht, warum er die Presse in Wien erneut zusammentrommeln müsse, poltert Ewald Grünzweil, rebellischer Obmann der IG und selbst lange Milchbauer im Mühlviertel. Zumindest bis Ende vergangenen Jahres.

Im konkreten Fall wirft die IG-Milch der obersteirischen Ennstal Milch vor, dass sie ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche – und sich so missliebigen Wettbewerb durch Direktvermarktung vom Hals schaffe. Stein des Anstoßes ist, dass die Ennstal Milch den Vertragsbauern ab März heurigen Jahres Preisabschläge in Rechnung stellen will, wenn sie weniger Milch liefern als mit der Molkerei vereinbart. Existenzbedrohend sei das, sagt Grünzweil.

Kühe verkauft

Im Dezember hat er sich von seinen Milchkühen getrennt. Ein Landwirt mit Leib und Seele und dann das? Es sei nicht mehr gegangen, sagt der Biobauer aus Bad Leonfelden. Weil er die anderen Bauern rebellisch gemacht habe, hing das Damoklesschwert über seinem Hof, dass die Molkerei die Milch nicht mehr abholen würde. Zeit, einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zu setzen, sagt Grünzweil fast trotzig. So wie rund 1.000 Milchbauern im Vorjahr haben auch die Grünzweils die Kühe verkauft und die Milchkannen ins Ausgedinge geschickt.

Die Viehwirtschaft an sich hat er aber nicht an den Nagel gehängt. Auch seine Mission, die Landwirte im Kampf gegen das aus seiner Sicht übermächtige System aus Genossenschaften, Kammern und Banken zu unterstützen, will er weiterverfolgen. Nicht umsonst ist er auch im Film "Bauer unser" als Rebell aufgetreten. Es gehe aber nicht um seine Situation, sondern ums große Ganze. Und da sei einiges faul.

Milchbauern hören auf

Tatsächlich haben in Österreich viele Bauern mit der Milchproduktion in den vergangenen Jahren aufgehört. Die Zahl der Milchbauern ist von rund 44.000 im Jahr 2008 um 40 Prozent auf 27.000 im Jahr 2018 gesunken. Der Erzeugermilchpreis für die Bauern hat sich nach der Liberalisierung des europäischen Milchmarkts, dem Ende der Milchproduktionsquoten und der Milchpreiskrise 2015/16 wieder erholt.

Im Sommer 2016 erhielten die Bauern für konventionelle Milch etwas über 27 Cent netto, zuletzt waren es 35 Cent. Für Heumilch gibt es einen Zuschlag von fünf Cent, für Bio-Heumilch 15 Cent. Durch verstärkte Wertschöpfung am Hof ließe sich mehr erwirtschaften, argumentiert die IG-Milch, die 1.100 Bauern vertritt.

Strafe für die Bauern

Die Vorgaben der Ennstal Milch würden es vor allem kleineren Bauern verunmöglichen, die Direktvermarktung selbst in die Hand zu nehmen, klagt Grünzweil. Die Tourismusverantwortlichen fordern solche Initiativen, sekundiert Georg Berger, Bauer in der Ramsau. Berger kooperiert mit einer mobilen Käserei, um eigenen Käse herzustellen. 35 Cent je Liter bekommen die Bauern von der Molkerei; unterschreiten sie die vereinbarte Monatsmilchmenge, kämen fünf Cent "Strafe" je Liter dazu. Für einen Betrieb mit 30 Kühen und einer Jahresmenge von 180.000 Litern macht das 8.000 Euro, rechnet Grünzweil vor.

Der Streit schwelt bereits seit einem Jahr. Die Ennstal Milch, die von 700 Bauern beliefert wird, hat die Vorgaben abgeschwächt. Was jetzt auf dem Tisch sei, sei wenig besser, sagt IG-Milch-Mitstreiter Ernst Halbmayr. Halbmayr hat die Sorge, dass das Regime der Ennstal Milch anderen Molkereien als Vorbild diene und den Bauern immer mehr die Luft abschnüre. Deswegen wird man erneut die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) anrufen.

Die Furcht der Molkereien

Ennstal-Milch-Chef Harald Steinlechner weist den Vorwurf der marktbeherrschenden Stellung zurück und kontert, dass Direktvermarkter-Abschläge bei vielen Molkereien Praxis seien, um groben Schwankungen vorzubeugen. Auch er hat die Sorge, dass plötzlich immer mehr Bauern die Milch selbst verarbeiten: "Wie soll dann die Molkerei die Verträge mit den Handelsketten erfüllen?" (Regina Bruckner, 6.2.2020)