Im Feinkostland Österreich gärt es wieder einmal. Eine Truppe an Rebellen begehrt auf. Es geht nicht um die Wurst, sondern um die Milch.

Die IG-Milch, eine Interessengemeinschaft von rund 1000 Milchbauern, wirft der Molkerei Ennstal Milch vor, dass sie ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die Steirer würden sich unliebsame Konkurrenz vom Hals schaffen – Bauern, die die Vermarktung ihrer Milch selbst in die Hand nehmen wollen, indem sie ihren eigenen Käse machen. Stein des Anstoßes ist, dass Ennstal Milch den Milchbauern ab März Preisabschläge in Rechnung stellen will, wenn sie weniger Milch liefern als vertraglich vereinbart. Das sei für kleinere Milchbauern existenzbedrohend, klagen die Bauernvertreter. Und das in Zeiten, wo ohnehin viele Landwirte mit dem Rücken zur Wand stünden. Ist an diesen Vorwürfen etwas dran?

Ja und nein. Milchwirtschaft ist ein hartes Geschäft, so wie die gesamte landwirtschaftliche Produktion. Die Preise werden vom Weltmarkt mitbestimmt. Wer da nicht unter die Räder kommen will, muss sich etwas einfallen lassen. Und das tun viele Bauern. Immer mehr setzen auf Direktvermarktung im eigenen Hofladen, gemeinsam mit gleichgesinnten Mitstreitern. Das ist gut – und kommt bei den Konsumenten immer besser an. In Zeiten des Klimawandels und zunehmend austauschbarer Ware, besinnt man sich der regionalen Produzenten und ist auch bereit – zumindest in Maßen – mehr zu zahlen.

Planungssicherheit

Doch auch das gewachsene System hat seine Berechtigung. Nicht jeder Bauer kann die Konsumenten auf seinen eigenen Hof lotsen. Dafür braucht es eben Verarbeiter wie Molkereien und es braucht auch den Handel als wichtigsten Kanal für die Verteilung der Produkte. Beide brauchen Planungssicherheit bei den Mengen.

Milchwirtschaft ist ein hartes Geschäft.
Foto: imago/Roland Mühlanger

Und ja, es braucht auch Kontrolle aller mächtigen Player in diesem Spiel, vor allem des Handels. Aber es kann gut sein, dass die Wettbewerbsbehörde auch zu dem Schluss kommt, dass Ennstal Milch mit den Abschlagszahlungen übers Ziel geschossen hat.

Grundsätzlich geht es also doch auch um die Wurst – nämlich in der Frage, wer in welchem Ausmaß an der Wertschöpfung mitnaschen darf. Im Fall der Milch sieht das so aus: Rund ein Drittel des Preises, den der Konsument bezahlt, landet bei den Bauern. Bedenkt man den Aufwand, der damit verbunden ist, ist das nicht viel. Ein weiteres Drittel teilen sich der Finanzminister, der die Steuer kassiert, der Handel und die Logistiker. Das letzte Drittel landet bei den Verarbeitern, sprich bei den Molkereien, manche davon sind mächtig und groß.

Doch auch wenn Rebellen wie die IG-Milch das nicht gern hören: Der Bauer ist der Molkerei nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Vielmehr ist es ein Geben und Nehmen. Die Verarbeiter verpflichten sich, den Landwirten bestimmte Mengen abzunehmen. Im internationalen Vergleich ist außerdem jede heimische Molkerei ein Zwerg, der wiederum seinen Abnehmern verpflichtet ist.

Lebensmittelproduktion und -verteilung ist ein jahrzehntelang gewachsenes professionelles Werk, bei dem ein Rädchen ins andere greift. Verständlich, dass manche Produzenten aus dem komplett aussteigen wollen. Mit innovativen Ideen geht das auch. Immer mehr Bauern bringen ihre Milch, ihren Käse oder die Wurst selbst an die Konsumenten. Die haben letztlich die Wahl – und so soll es auch bleiben. (Regina Bruckner, 5.2.2020)