Um wirklich umweltfreundlich zu sein, sollte Biokunststoff am besten aus regional verfügbaren Rohstoffen oder idealerweise aus Abfallprodukten gefertigt werden.

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Biokunststoffe machen Hoffnung auf eine Welt, in der die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen weiter zurückgedrängt ist. Sie machen Hoffnung, dass man den Problemen rund um Mikroplastik, der Verschmutzung der Meere und den CO2-Emissionen bei der thermischen Verwertung von Einwegprodukten ein Ende bereiten könnte. Doch so einfach ist die Sache nicht. Biokunststoffe können umweltfreundlicher und leichter abbaubar sein als die fossilen Pendants, müssen es aber nicht. Eine Einschätzung hängt von vielen Faktoren ab: Woher kommen die alternativen Ressourcen? Wie viel Energie wird bei der Herstellung verbraucht? Welche Prozesse braucht man für die Entsorgung von Bioplastik, und sind diese verfügbar?

"Man muss die Sache differenziert betrachten. Es kommt wirklich auf die jeweilige Situation an", sagt Alexander Bismarck vom Institut für Materialchemie der Universität Wien. "Der gesamte Lebenszyklus eines Produkts muss analysiert werden, um eine Aussage treffen zu können." Ein Beispiel für eine Anwendung biogener Materialien, die in Sachen Umweltschutz eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu etablierten Materialien bieten können, geben Bismarck und Kollegen mit einem Projekt an ihrem Institut. Gemeinsam mit Partnern aus der Luftfahrt in Hongkong entwickeln sie Prozesse für die Produktion von Einwegessensbehältern, die für den Einsatz in Flugzeugen ideal wären. Gefertigt werden diese Behälter aus Zellulose.

Bismarck war kürzlich Keynote-Speaker der ersten "Kaiserschild Lecture 2020" in der Wirtschaftskammer Wien. Der Auftakt der Veranstaltungsreihe – eine Kooperation des Postgraduate Center der Universität Wien und der gemeinnützigen Kaiserschild-Stiftung – stand unter dem Titel "Grünes Plastik zwischen Hype und Realität: Was wir von biologisch abbaubaren Kunststoffen erwarten dürfen".

Die richtige Fasergröße

Die Zellulosefasern, mit denen Bismarck und Kollegen arbeiten, stammen aus landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Stroh. Viele pflanzliche Grundstoffe kommen infrage – regional bezogene Abfallprodukte sind ideal. Die Zellulosefasern, die etwa für Papier verwendet werden, sind für Verpackungszwecke kaum geeignet. "Das Fasernetzwerk ist relativ grob und kann Sauerstoff oder Wasserdampf nicht draußen halten. Die Lücken können aber in einer mikro- oder nanofibrillierten Zellulose geschlossen werden", erklärt Bismarck. "Die Fasern werden dabei zerkleinert, und es wird ein viel engmaschigeres Fasernetzwerk hergestellt, mit dem auch Sauerstoffbarriere-Eigenschaften zu erreichen sind."

Die Zellulosebehälter ersetzen die auf vielen Flügen üblichen Aluminiumschalen. Auch sie werden samt Inhalt schockgefroren, um dann an Bord bei höheren Temperaturen erwärmt und serviert zu werden. Gerade weil zwischen dem Erwärmen und dem Konsum im Flugzeug nur wenig Zeit liegt, ist Zellulose hier eine geeignete Variante, erläutert der Materialchemiker. Bei Supermarktprodukten, die auch bei Zimmertemperaturen langfristig lagerbar sein müssen, gebe es aber noch Probleme, weil flüssiger Inhalt und Luftfeuchtigkeit die Verpackung verändern. Bismarck: "Wird Wasser absorbiert, ändern sich mit der Zeit die mechanischen Eigenschaften. Das ist bis jetzt ein ungelöstes Problem."

Vorteil der Zellulosebehälter

Der große Vorteil der Zellulosebehälter ist die gute Verwertbarkeit nach dem Gebrauch. Die Behälter können samt Essensresten in einem industriellen Prozess kompostiert werden, die Zellulose kann rückgewonnen werden oder in Biogasanlagen fermentiert werden, um Methan zu gewinnen.

Bei den Mengen an gebrauchten Behältern, die bei einer Airline anfallen, zahlt sich die notwendige industrielle Kompostierung – in diesem Fall in einem dreimonatigen Prozess bei etwa 65 Grad Celsius – eher aus als bei Biokunststoffen, die etwa als Tragetaschen in Umlauf gebracht werden. In wenigen Städten gibt es eigene Sammelsysteme für Biokunststoffe. Für eine eigene Sammelkategorie braucht es nämlich ein entsprechendes Volumen. Auch in Wien wird Bioplastik nur via Restmüll gesammelt und thermisch verwertet. Viele Konsumenten unterliegen dem Irrtum, dass sich ein mit "Bio" etikettiertes Produkt auch in der Natur zersetzt. Diese Art Bioplastik bleibt bei normalen Bedingungen – auch im Gartenkompost – langfristig stabil.

Steigender Rohstoffbedarf

Steigen hingegen die Volumina, steigt auch der Rohstoffbedarf. Dem verbreiteten Biokunststoff PLA (Polylactid) liegt etwa Milchsäure zugrunde, die wiederum aus dem Zucker in Mais, Zuckerrohr oder -rüben gewonnen wird. Zu Nahrung und Biotreibstoff kommt mit dem Biokunststoff also ein weiterer Konkurrent im Wettbewerb um Anbauflächen hinzu, betont der Forscher.

Wo es möglich ist, sollte man ohne Verpackung auskommen. "Kartoffeln haben eine Schale, da ist keine Kunststofftasche notwendig", gibt Bismarck ein Beispiel. Wo sie großen Nutzen bringen, sollen die Kunststoffe aber im Kreislauf geführt werden – egal ob sie fossilen oder biogenen Ursprungs sind. Während man bei den Recyclingtechnologien bereits weit fortgeschritten ist, machen oft wirtschaftliche Aspekte einen Strich durch die Rechnung. "Je höher der Wert der Polymere ist, desto größer ist der Anreiz zum Recycling", sagt Bismarck.

Steigt der Preis von Kunststoffen – beispielsweise weil die Besteuerung an jene von Treibstoffen, die aus denselben Rohstoffen hergestellt werden, angepasst wird –, könnte sich also die Wiederverwertung eher auszahlen. Neben dem Recycling dient natürlich auch eine lange Nutzungsdauer von Kunststoffprodukten dem Umweltschutz. Bioplastik hat dabei den Vorteil, dass es CO2 aus dem bestehenden Kohlenstoffkreislauf entnimmt und bindet. Bismarck gibt hier einen provokanten Denkanstoß für eine CO2-Speicherung der etwas anderen Art: "Kohlenstoff von nachwachsenden Rohstoffen wird in Polymermaterialien langfristig ,haltbar gemacht‘. Vielleicht wäre es gar nicht so dumm, diese Polymere wieder in Deponien zu vergraben, um CO2 langfristig der Atmosphäre zu entziehen." (Alois Pumhösel, 6.2.2020)