Das Auto verliert langsam seine Eignung zum Statussymbol. Sehr langsam, aber doch. Der Zenit scheint jedenfalls überschritten. Das merkt man auch am Autoschlüssel. Denn zuletzt trug er das Auto sogar bis mit auf den Stammtisch oder ins Esszimmer von Freunden. Wem wichtig war, dass andere wissen, welches Auto zu einem gehört – gendern ist da jetzt nicht sooo wichtig –, legte seinen Autoschlüssel neben das Besteck. Da stand er dann, der kleine Porsche. Die Zuffenhausener bauen ihre Schlüssel gern in der Form des Autos. Das macht schon was her.

Porsche baut seine Schlüssel in Form des 911ers.
Foto: Porsche

Auch wenn man keinen Wagen mit herzeigbarem Schlüssel hat, aber trotzdem einedrahen will, ist man nicht gleich aufgeschmissen. Manche Hersteller bieten USB-Sticks an, die ihren Autoschlüsseln zum Verwechseln ähnlich sind. Für ganz ausgefuchste gibt es auch Fake-Schlüssel, die eine Mikrokamera verbaut haben, um wen auch immer zu bespitzeln. Dabei schauen Letztere nicht einmal aus wie Schlüssel von eindrucksvollen Fahrzeugen, sondern eher, als würden sie zu Topsellern gehören. Vermutlich, weil sie so viel mehr unauffällig als beeindruckend sind.

Im Subaru-Schlüssel verbirgt sich in Wahrheit ein USB-Stick. Die drei anderen Schlüssel sind zumindest gut gemeint.
Foto: Guido Gluschitsch

Aston Martin und Bentley können das besser, allein schon mit dem Autoschlüssel die Blicke auf sich ziehen. Beide sind so schwer, dass die Hose unweigerlich ein wenig schief auf der Hüfte hängt, wenn man sie eingesteckt hat. Also ist man fast dazu gezwungen, sie bei jeder Gelegenheit an die Luft zu lassen. Bentley arbeitet ein fettes, geflügeltes B aus Metall in die kleine Box, die den Schlüssel darstellt. Aston Martin verwendet echtes Glas, in welches natürlich das ebenfalls geflügelte Firmenlogo geätzt ist. Mit dem, was man unter einem Schlüssel versteht, haben beide kaum noch etwas gemeinsam. Der Schlüssel selbst, den man nur mehr braucht, wenn die Elektronik Schluckauf hat, versteckt sich teilweise so gut in diesen Schlüsselboxen, dass man sich leicht einmal einen Fingernagel abreißt, um ihn überhaupt erst rauszubekommen.

Als ob ein Bentley-Schlüssel nicht schon beeindruckend genug wäre, gibt es auch noch eine Box, in der man ihn standesgemäß ablegen kann.
Foto: Bentley

Die ersten Autoschlüssel waren in ihrer Schlichtheit das genaue Gegenteil der aktuellen. Während die modernen an Schachterln mit abgerundeten Ecken erinnern, konnte man die allerersten Schlüssel am ehesten mit einem Nagel verwechseln. Das war rund um 1910. Der Autoschlüssel musste damals nicht primär sperren, sondern vielmehr nur den Stromkreis für die Zündung schließen. Davor hat man sich darauf verlassen, dass der Startvorgang eines Autos eh so komplex und mühsam ist, dass sich außer dem eigenen Chauffeur ohnedies niemand die Mühe machte. Erst mit dem Anlasser wurde das Auto dann zum Schlüsselobjekt. Dabei müsste man sagen: Schlüsselnobjekt.

Hier ein ganz früher Porsche-Schlüssel.
Foto: Porsche

Denn bei stattlichen Autos hatte man bald mehr Schlüssel im Säckl als ein aktueller Haustechniker. Es gab einen Schlüssel zum Starten, einen für die Türen, einen für den Kofferraum und einen für den Tankdeckel. So konnte man auch zeigen, dass man sich ein protzertes Auto leisten kann.

Der Schlüsselsatz eines Jeep Cherokee von Anfang der 1990er-Jahre mit eigenem Schlüssel für den Tank, aber schon mit Fernbedienung – die aber noch extra. Der USB-Stick gehört nicht zum Auto, sondern zum inzwischen getauschten Radio. Und wer sich über das Chrysler-Logo am Jeep-Schlüssel wundert: Er ist ein Hinweis auf die bewegte Geschichte der Marke. Auf aktuellen Jeep-Schlüsseln ist trotzdem kein Fiat-Logo drauf.
Foto: Guido Gluschitsch

Oder man machte es wie einst Königin Soraya von Persien, die sich den Zündschlüssel für ihren Mercedes-Benz 300 SL in Gold anfertigen ließ. Dieser Schlüssel war abseits davon noch wahrlich als solcher zu erkennen. Es war so einer mit Bart. Vorne spitz zulaufend. Die Form wurde perfektioniert, bis sie in den 1990er-Jahren in der Lage war, eine Hosentasche nach der anderen in Sekundenbruchteilen zu durchstechen. Doch schon ab den 1960ern ging das recht gut, weil sich damals der Zentralschlüssel durchsetzte. Der konnte sich allein viel besser durch den Stoff bohren als ein ganzer Schlüsselbund.

Königin Soraya von Persien hatte nicht nur einen edlen SL, sondern auch einen dazupassenden Schlüssel.
Foto: Bosch

Die Schlüsselreide, also der Griff, wenn man so will, sorgte dafür, dass dann nicht gleich der ganze Schlüssel über die Schenkel in die Schuhe fiel. Doch wohl nicht darum wurde die Reide mit der Zeit immer größer. Man nutzte sie auch, um darin das Firmenlogo zu präsentieren – gestanzt oder eingedruckt. Es war dies die Zeit der ersten Zentralverriegelungen, und es sollte nicht lange dauern, bis die ersten Hersteller auf die Idee kamen, mehr Funktionen in dem Kombinationsschlüssel unterzubringen. Die Taschenlampenfunktion war sehr begehrt. Die Funzel reichte aber kaum, um wirklich bis zum Schloss zu leuchten. Außerdem waren die Dinger schneller kaputt als die Stablampen vom Weltspartag.

Die Schlüsselreide wurde gerne dafür genutzt, um ein bisserl Werbung zu machen, wie hier auf dem Schlüssel eines Porsche 924.
Foto: Guido Gluschitsch

Ende der 1980er-Jahre hat Ford den Autoschlüssel auch am anderen Ende neu erfunden. Der Tibbe-Schlüssel kam auf den Markt. Statt eines Bartes setzte man auf einen runden Schlüssel, der am Ende codiert war. Es dauerte nicht lange, bis irgendjemand draufkam, dass man mit so einem Schlüssel so ziemlich jeden Ford mit diesem Schlosssystem versperren konnte. Uh, da gibt's lustige Geschichten.

Der Tibbe-Schlüssel konnte nur das passende Schloss auf-, aber mehrere ähnliche Schlösser zusperren.
Foto: Guido Gluschitsch

Dennoch überdauerte das System bis hin zum Durchbruch der Funkschlüssel in den 1990er-Jahren. Via Knopfdruck auf eine der Tasten auf der Reide konnte man den Wagen öffnen oder versperren. Bei manchen Systemen konnte man so auch die Fenster schließen oder öffnen, wenn man nur lange genug auf das entsprechende Symbol drückte. Aber das kennen Sie ja vermutlich.

Der Schlüssel eines Hyundai Ioniq Elektro ist einfach nur mehr eine kompakte Box. Man achte auf den kleinen metallisch glänzenden Punkt neben der Ringaufnahme.
Foto: Guido Gluschitsch

Weil man wenig später dank der Keyless-Start-Funktion den Schlüssel gar nicht mehr zum Sperren brauchte, den Bart also quasi für den Notfall im eigenen Griff verstecken konnte, konnten Autoschlüssel auf einmal ganz neue Formen annehmen. Daraus resultieren die schachtelartigen Schlüssel, wie wir sie heute kennen. Brauchte man den Bart noch zum Starten, ist er seitlich eingeklappt und schnappt auf Knopfdruck raus – wie bei einem Klappmesser. Oder man suchte nach dem geheimen Knopf, den man drücken musste, um den Bart aus der Box ziehen zu können. Aber wissen Sie auch, wer mit den neuen Schlüsselformen den Vogel abgeschossen hat?

Die Ringaufnahme ist nun die Reide des Schlüssels, der als Ganzer in der Fernbedienung verschwindet.
Foto: Guido Gluschitsch

Wer mit Ja antwortet, fährt vermutlich Renault. Die Franzosen hatten die geniale Idee, das Scheckkartenformat als ideal anzusehen. Unglücklicherweise ist der Schlüssel aber zu dick, um ihn tatsächlich bei den anderen Karten abzulegen. Ein Glück war hingegen, dass der Hype um die immer kleiner werdenden Mobiltelefone von jenem der immer größer werdenden Smartphones abgelöst wurde. Jetzt fiel das Trumm Schlüssel in der Hosentasche dann doch wieder nicht so auf.

Renault baute seinen Schlüssel im Scheckkartenformat.
Foto: Renault

Das Smartphone nahm sich BMW zum Vorbild und integrierte vor gar nicht so langer Zeit einen Touchbildschirm in die Schlüssel seiner Edelschlitten. Damit kann man nun aus der Ferne abfragen, ob der Wagen versperrt ist, wie viel Sprit man noch hat, und sogar die Standheizung ließ sich so bedienen. Eine super Sache – solange man ihn immer rechtzeitig auflud. Und wäre bei allen Funkschlüsseln nicht die Angst groß, dass jemand das Signal abfangen und so den Wagen einem neuen Besitzer zuführen könnte. Darum legen nicht nur Aluhutträger solche Schlüssel daheim und im Büro in Signalblocker-Schachteln.

BMW bietet für seine besseren Modelle einen Autoschlüssel mit Touchbildschirm an. Über den kann man Infos ablesen wie den Sperr- oder Tankfüllzustand oder auch die Standheizung aktivieren.
Foto: BMW

Aber das Problem wird sich demnächst eh von allein lösen. Denn das Ende der Autoschlüssel, wie wir sie kennen, ist nah. Das Smartphone ist drauf und dran, ihn zu ersetzen. Moderne Autos sind permanent online, und mit der richtigen App kann man schon heute aus der Ferne Daten abrufen. Die Fahrzeughersteller haben außerdem sicher auch eine Freude, wenn sie über diesen Umweg an ein paar interessante Daten des Fahrzeughalters kommen. Auf der Habenseite steht, dass das Auto über den RFID-Chip im Smartphone den Fahrer identifizieren kann und ihm notfalls, sollte seit der letzen Fahrt jemand anders am Steuer gesessen sein, wieder alles so einstellt, wie er es mag – von der Sitzposition über den Radiosender bis hin zur Klimaanlage.

BMW arbeitet schon am Schloss, das sich entriegelt, wenn es das Smartphone des Besitzers erkennt.
Foto: BMW

Bleibt nur das Problem mit dem Einedrahn im Gasthaus. Da muss man dann halt den Umweg übers Smartphone gehen und sich da ein extra teures zulegen. Sparfüchse ziehen dem Telefon einfach eine Ferrarihülle an. Und in ein paar Monaten haben die Softwareentwickler der Autohersteller sicher eine schlüssige Lösung gefunden, wie sich der Nobelhobel zum rechten Zeitpunkt über die App von allein meldet. Mit einer modernen Sprachsteuerung kann das so ein Hexenwerk ja nicht sein, dass der Kübel auf ein Zauberwort hin gemeinsam mit mit dem M-, RS- oder AMG-Logo eine Nachricht einblendet: Fünf Passanten sagten gerade "Gefällt mir". (Guido Gluschitsch, 13.2.2020)

Über das Smartphone lassen sich mit den passenden Apps schon jetzt viele Funktionen des Autos aus der Ferne steuern.
Foto: Bosch