Konstantinos-Napoleon "FORG1VEN" Tzortziou ist ein "LoL"-Urgestein.

Riot Games

Eigentlich hätte Konstantinos-Napoleon "FORG1VEN" Tzortziou seine Karriere als E-Sportler schon längst an den Nagel hängen sollen. Mit 27 Jahren sticht der Grieche nämlich deutlich heraus. Viele seiner ehemaligen Kollegen gingen deutlich früher in Pension. Tzortziou ist nach Absolvierung seines Militärdienstes wieder zurück in der höchsten europäischen League of Legends-Liga LEC. Der 27-Jährige über seine Vergangenheit, seine Zukunft und darüber, wieso es ihn nicht stört, wenn man ihn "Boomer" nennt.

FC Schalke 04 Esports

STANDARD: Sie sind nach Ihrem Militärdienst wieder als E-Sportler in der LEC tätig. Wieso sind Sie zurückgekommen?

Konstantinos-Napoleon "FORG1VEN" Tzortziou: Es war zuvor einfach mein Job. Nach dem Abschluss meines Militärdienstes habe ich mich umgesehen, bei welchem Team ich denn wieder spielen könnte. Ich hatte dann mehrere Anfragen aus Europa und Nordamerika. Letztlich habe ich mich dann für Schalke 04 entschieden, weil sie das beste Angebot hatten.

STANDARD: Konnten Sie während Ihrer Zeit beim Militär League of Legends (LoL) spielen?

Tzortziou: Nur circa drei kurze Partien (ARAMs) die Woche. Ich war die meiste Zeit im Camp der Armee, wo wir überhaupt keinen Kontakt mit der restlichen Welt hatten.

STANDARD: Sie sind mit 27 Jahren der älteste Spieler der Liga. Sehen Sie Ihr vergleichsweise hohes Alter als Vorteil oder Nachteil?

Tzortziou: Beides. Je älter man wird, desto mehr Verantwortung hat man zu tragen. Wenn man jünger ist, kann man im Grunde nur spielen. Da sagt dann auch niemand etwas. Wenn man allerdings älter ist, macht das alles nicht mehr so viel Spaß. LoL ist vor allem eines der negativsten Spiele da draußen. Ich habe schon sehr viel in meinem Leben gespielt, aber keines der Games war derart negativ wie LoL. Dieses Spiel löst einfach derart viele negative Emotionen aus. Wenn man jünger ist, lässt man sich davon beeinflussen. Mit einer gewissen Lebenserfahrung geht man mit solchen Situationen besser um.

STANDARD: Stört es Sie eigentlich, dass Sie von vielen Zuschauern aufgrund Ihres Alters "Boomer" genannt werden?

Tzortziou: Ganz und gar nicht. Das ist einfach nur ein Meme. Ich liebe Memes. Ich finde das eher lustig.

STANDARD: Sie sind seit vielen Jahren E-Sportler. Wie hat sich die Branche seit Ihrem Einstieg verändert?

Tzortziou: Es gibt nun eine deutlich bessere Infrastruktur. Früher haben E-Sportler in einem Gaming-House gewohnt und dort gemeinsam gespielt. Heute ist das alles aufgeteilt. Wir trainieren an einem Ort und wohnen an einem anderen. Dadurch kann man auch ein Privatleben führen. Man muss nicht die gesamte Zeit mit den Menschen verbringen, mit denen man auch arbeitet. Bei Schalke 04 haben wir dieses Konzept bereits – andere Teams werden das bald umsetzen. Zudem hat sich alles professionalisiert – vom Spielehersteller bis hin zu den Teams selbst. Gewissermaßen ist auch Realismus eingekehrt. Früher haben Leute geglaubt, dass E-Sportler ein Luxusleben führen. Es ist aber gut, dass viele eingesehen haben, dass es nicht so ist. Je mehr Geld aber da ist, desto schneller wird die Professionalisierung voranschreiten.

STANDARD: Sie haben das Thema Geld bereits angesprochen. Immer mehr Firmen investieren in E-Sport. Wie sehen Sie eigentlich diese Kommerzialisierung?

Tzortziou: Schlecht ist das natürlich nicht. Im Grunde spielt ja heutzutage jeder, da wird sich also noch einiges bewegen. Die investierenden Firmen sehen hier also ein gewisses Potenzial. Mehr Geld bedeutet letztlich, dass für alle mehr da ist. Damit einher geht natürlich auch Korruption – aber das hat man ja im Grunde bei jeder größeren Sportart.

STANDARD: Als Sie angefangen haben, wurde im E-Sport noch nicht viel Wert auf Fitness gelegt. Heute legen immer mehr Mannschaften einen Fokus auf das Thema, inklusive gesunder Ernährung. Hätten Sie sich das schon früher gewünscht?

Tzortziou: Das ist doch auch nur ein Meme. Jeder sollte von seiner Familie wissen, dass man sich gesund ernähren und bewegen sollte – dafür braucht es das Team nicht. Im Grunde ist es ja nicht schlecht, dass ein Fokus darauf gelegt wird. Ein Zwang hilft hierbei aber nicht.

Konstantinos-Napoleon "FORG1VEN" Tzortziou in seinem Element.
Riot Games

STANDARD: Wie kann man sich eigentlich Ihren typischen Tag vorstellen?

Tzortziou: Ich stehe zumeist um 11 Uhr auf, damit ich auf acht Stunden Schlaf komme. Um 12 bin ich dann im Büro, habe ein Meeting und dann Training bis 19 beziehungsweise 20 Uhr. Dazwischen essen wir gemeinsam. Nach dem Training haben wir dann Abendessen und danach Freizeit.

STANDARD: Nutzen Sie Ihre Freizeit, um dann weiter LoL zu spielen?

Tzortziou: Meistens ja. Manchmal gehe ich aber auch einfach mit Freunden aus. Das ist immer unterschiedlich.

STANDARD: Schalke 04 hatte bislang nicht den besten Start. Woran liegt das?

Tzortziou: Schalke 04 hat sicher keine schlechten Spieler. Mir wurde vor meiner Rückkehr auch immer gesagt, dass sich die gesamte Liga verbessert hat. Das stimmt nicht ganz. Die guten Spieler haben sich verschlechtert und die schlechten Spieler verbessert – das Niveau hat sich insgesamt angeglichen. Zu Schalke 04: Wir haben Rookies und erfahrene Spieler, hier gibt es unterschiedliche Denkansätze. Außerdem haben wir noch Probleme bei der Kommunikation.

STANDARD: Was macht G2 besser, wie sieht ihr Erfolgsrezept aus?

Tzortziou: Die haben kein Erfolgsrezept, sondern in der Vergangenheit einfach nur die besten Spieler zusammenbekommen. Man darf auch nicht vergessen, dass die meisten europäischen Teams kein so großes Budget haben. SK Gaming hat geschätzt etwa nur ein Sechstel des Geldes, das G2 zur Verfügung steht. Hierdurch ist eine gewisse Diskrepanz entstanden. Geld allein bringt aber natürlich keine Titel, G2 hat auch die richtigen Leute geholt und richtige Entscheidungen getroffen.

League of Legends

STANDARD: Eine Frage zum neuen Champion Aphelios. Hersteller Riot Games steht in der Kritik aufgrund der hohen Komplexität und des Überraschungseffekts, selbst für Profis – was sagen Sie dazu?

Tzortziou: Wenn man gegen ihn spielt, weiß man tatsächlich nicht, was als Nächstes kommt. Als Profi muss man bei einem Spiel ständig Überblick über alles bewahren, das ist nicht einfach. Darum sind beispielsweise manche Skins auf einem kompetitiven Level verboten, da man die Übersicht bei Teamfights verlieren kann. Das sollte einfach nicht passieren. Generell werden die Champions bei LoL immer komplexer und schwieriger zu spielen. Das liegt wohl an der Philosophie von Riot Games. Ein Designer hat mal gesagt, dass es bei seinem Job nicht darum geht, dass ein neuer Held ausgewogen ist, sondern dass er einfach erscheint. Wenn er unausgewogen ist, soll sich ein anderes Team darum kümmern. Das ist also ein tiefergehendes Problem beim Hersteller selbst.

STANDARD: Stört es Sie als Profi eigentlich, dass sich die Meta des Spiels durchgehend verändert?

Tzortziou: Nicht wirklich. Teams und Spieler können von den Veränderungen profitieren. Dadurch werden auch neue Taktiken erarbeitet. Generell würde ich mir mehr Stabilität wünschen, gleichzeitig ist es aber eine spannende Herausforderung für uns Profis.

STANDARD: Es gibt nur sehr wenige griechische LoL-Profis und gleichzeitig sehr viele E-Sportler aus Skandinavien. Woran liegt das?

Tzortziou: Es kommt einfach darauf an, ob man in einem Land geboren ist, das ein stabiles Wirtschaftswachstum und ein funktionierendes Sozialsystem aufweist. In Skandinavien herrschen auch eine andere Kultur und ein besseres Bildungssystem vor. Dadurch kann man seinen Traum, ein Pro-Gamer zu werden, deutlich einfacher verfolgen. Gleichzeitig bringt der E-Sport beziehungsweise andere Sportarten für Menschen aus ärmeren Ländern einen gewissen Ausweg.

STANDARD: Haben Ihre Eltern eigentlich Ihren Job akzeptiert?

Tzortziou: In der Vergangenheit überhaupt nicht. Ich habe mich davon aber nicht beirren lassen und meinen Traum weiterhin verfolgt. Als sie dann mein erstes Gehalt gesehen haben, haben sie ihre Meinung sofort geändert.

STANDARD: Sie sind nun 27. Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Ihrer Profikarriere?

Tzortziou: Ich sehe mich nicht als Coach oder Manager. Ich könnte mir aber vorstellen, als Kommentator zu arbeiten. Allerdings weiß ich, dass ich einen ziemlichen Akzent aufweise. Ich könnte also nur in Griechenland als Kommentator arbeiten. Solange ich aber immer noch zu den Besten zähle und der Wille da ist, hart dafür zu arbeiten, will ich weiterhin Profispieler sein. Sobald ich das nicht mehr bin, werde ich mich leise aus der Liga verabschieden. (Daniel Koller, 7.2.2020)