Den Lehrkräften fehlt es an Material zu aktuellem Antisemitismus, obwohl antisemitische Einstellungen unter Jugendlichen stark verbreitet sind.

Foto: imago / Christian Ohde

Wien – Das Institut für Holocaust Education des Bildungsministeriums, erinnern.at, will Lehrer besser für den Umgang mit antisemitischen Äußerungen und Vorfällen rüsten. Im Laufe des Jahres sollen konkrete Empfehlungen, Lernmaterialien und Hilfestellungen für den Unterricht entwickelt werden. Damit das möglichst praxisnah ausfällt, sollen Lehrer ihre Erfahrungen aus dem Schulalltag schildern.

Während es für den Unterricht zu historischem Antisemitismus schon viel Material gibt, fehlt es noch an Hilfestellungen für den Umgang mit aktuellen Formen des Antisemitismus, etwa in Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. Für konkrete Szenarien, in denen Schüler im Unterricht antisemitische Klischees oder Vorurteile äußern, sollen die Lehrer nun zusätzliche pädagogische Angebote und Hilfestellungen bekommen. Auch spezielle Lehrerfortbildungen und Workshops für den Unterricht sind geplant.

Aktuelles Material gefordert

"Es reicht nicht, nur über geschichtlichen Antisemitismus zu unterrichten, es braucht Bezugspunkte ins Heute", begründet Erinnern.at-Mitarbeiter Axel Schacht den Bedarf. Gerade Schüler mit Migrationshintergrund würden oft nicht sehen, dass das Thema Holocaust auch für sie Relevanz hat und Teil ihrer eigenen Geschichte ist. Hier brauche es Material, das bei der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen anknüpft, etwa wenn auch die Fluchtgeschichte eines irakischen Juden thematisiert wird, wie in dem neuen Lernmaterial Fluchtpunkte.

Das Angebot sei allerdings nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe gedacht, so Schacht. Denn antisemitische Vorurteile gebe es auch unter Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, etwa das Stereotyp vom reichen Juden. Antisemitische Verschwörungstheorien kämen ebenfalls bei weitem nicht nur in der muslimischen Community vor.

Laut Studie hoher Anteil an antisemitischen Ressentiments

Einer Studie an Wiener Berufsschulen zufolge stimmte die Hälfte der Lehrlinge aus muslimischen Familien der Aussage zu, dass Juden in Österreich zu viel Einfluss hätten. Unter den Berufsschülern ohne Migrationshintergrund waren es nur 16 Prozent. Die Studie wurde von Stefan Schmid-Heher vom Zentrum für politische Bildung der Pädagogischen Hochschule (PH) durchgeführt. Der muslimisch geprägte Familienhintergrund dürfte für die Unterschiede allerdings laut dem Autor nicht unbedingt ausschlaggebend sein: Immerhin unterstellten auch 40 Prozent aus der Kontrollgruppe der Jugendlichen mit serbischen und kroatischen Wurzeln Juden zu viel Einfluss.

Über die Ursachen würden diese Daten allerdings nicht viel sagen, betont Schmid-Heher. So könnten die Werte von Schülern ohne Migrationshintergrund dadurch gedrückt worden sein, dass diese genau um die Tabuisierung des Themas wissen. Die hohen Werte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnten wiederum zum Teil auf eine Art Provokation der Mehrheitsgesellschaft zurückgehe. (APA, 6.2.2020)