Billie Joe Armstrong (links) und Green Day aus Kalifornien gastieren am 21. Juni im Wiener Ernst-Happel-Stadion – gemeinsam mit Weezer und Fall Out Boy.

Foto: Warner

Seitdem man sogar auf volkstümlichen Konzerten der Generation Hulapalu Menschen sieht, die bis über den Hemdkragen hinauf mit gefährlichen Tätowierungen behübscht sind und allein am Kopf zwanzig Deka Schmuckmetall plus Irokesenkamm tragen, hat sich die Idee des US-amerikanischen Pop-Punk global gesehen in den meisten Weltecken etwas erledigt. In arabischen Staaten werden sie damit eh nicht auftreten – und in japanischen Badehäusern erfahren die Vertreter dieser von Burschen überdominierten Szene dann auch spätestens an der Kassa, dass man derart zugepflastert nicht bis zum Entspannungsbecken vordringen können wird.

Das Hauptproblem auch bei Green Day als den Hauptvertretern dieser immer eher als Fun und Lifestyle denn als Haltung gedeuteten Ausformung von "Punk" im Sinne von Pop: Revolutionen finden nicht während kabarettistischer Stadionkonzerte oder auf Festivals in der burgenländischen Pampa statt, die harmlose Revolte dagegen immer im Kinderzimmer. Ein weiteres Problem darf auch nicht unberücksichtigt bleiben:

Punk gibt es auch als Musical

Irgendwann werden die Kinder groß und ziehen aus der elterlichen Wohnung aus. Den Sound der alten Aufstände gegen die Nachtruhe vor Mitternacht, Haschischverbot und ganz allgemein gehaltenen Vandalismus will im Idealfall ab 18 eh niemand mehr hören. Die CDs von Weezer, Lagwagon, NOFX oder The Offspring kommen nicht ins neue Leben mit. Sie verstauben im Keller. Nun sitzen die Alten allein zu Hause und können endlich wieder ihre langweiligen alten Platten von Iggy Pop, den Ramones, Black Flag, Hüsker Dü oder The Clash hören, ohne dem Nachwuchs damit als Spießer auf die Nerven zu gehen.

Green Day

Green Day, benannt nach einem Slangwort aus den 1980er-Jahren für einen Tag, den man mit dem Rauchen von Marihuana verbringt, um die Langeweile zu vertreiben, sind seit über drei Jahrzehnten aktiv. Ihren Durchbruch feierten Green Day 1994 als Verehrer von Joe Strummer und The Clash, inklusive falschen britischen Cockney-Slangs und zartlinker Revolutionssymbolik.

Dank des Albums Dookie (Slang für Exkrement) und Hits wie Basket Case (über psychische Störungen) oder ein Jahrzehnt später der ambitionierten "Rockoper" American Idiot von 2004 stiegen Green Day um ihren Frontmann Billie Joe Armstrong zu einer der heute wenigen Bands auf, die noch die Massen anziehen. Massen im Sinne von: Ihr kommendes Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion am 21. Juni ist so gut wie ausverkauft. Seit Ende 2019 läuft übrigens auch vor ausverkauftem Haus am Innsbrucker Landestheater die deutsche Version des 2009 zum Broadway-Musical verwursteten American Idiot.

Joe Strummer dreht sich im Grab um

Nach obligatorischen Drogenproblemen, Sinnkrisen, gerissenen Saiten und Erinnerungsfäden sowie Dienst nach Vorschrift für Studioalben wie Revolution Radio legen Green Day nun das Album Father of all Motherfuckers vor. Mit 26 Minuten angenehm kurz bemessen, besinnen sich die drei 47-jährigen Zauseln vehement auf ihre rasante Jugendzeit. Bloß nicht lasch werden und ins Balladenfach wechseln! Andererseits hört man dem Titelsong selbst oder I Was A Teenage Teenager durchaus an, dass man sich zumindest redlich bemüht, die eigene Vergangenheit viril ins Heute zu retten.

Green Day

Oh Yeah beinhaltet übrigens ein Sample des alten Joan-Jett-Songs Do You Wanna Touch Me (Oh Yeah). Bei diesem handelt es sich wiederum um eine Coverversion des 2015 wegen Kinderschändung zu 16 Jahren Haft verurteilten britischen Glamrockers Gary Glitter. Die gesamten Einnahmen spenden Green Day dementsprechend Hilfsorganisationen, die sich gegen Missbrauch einsetzen.

Ein guter Grund, für Father of all Motherfuckers Geld auszugeben. Die Musik kann es nicht sein. Geldsorgen dürften Green Day keine haben. Die alten Kinderpunks haben gerade einen zweijährigen Kooperationsvertrag als Partner der US-amerikanischen Eishockeyliga NHL unterschrieben. Joe Strummer dreht sich im Grab um. Andererseits: Johnny Rotten machte auch schon Fernsehwerbung für irische Butter. (Christian Schachinger, 7. 2. 2020)