In Wuhan werden wegen der steigenden Zahl an Krankheitsfällen weitere Spitalsbetten eingerichtet.

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Wuhan/Wien – Als Ende Dezember 2019 eine Gruppe von acht Medizinern in der chinesischen Stadt Wuhan via soziale Medien Kolleginnen und Kollegen von einer Häufung neuer Krankheitsfälle und einem neuen Virus warnte, wurden sie von den Behörden vorgeladen: Ihnen wurde vorgeworfen, Panik zu verbreiten. Und sie mussten ihre Angaben öffentlich widerrufen, Selbstkritik üben sowie ihr "illegales Verhalten" beenden.

Einer von ihnen, Augenarzt Li Wenliang, schwieg zunächst, wollte sich Ende Jänner aber nicht mehr länger zum Stillhalten verurteilen lassen: Er veröffentlichte die Anordnung der Behörden im Internet. Da hatte er sich bereits selbst bei der Behandlung einer Patientin mit dem Virus infiziert.

Am Donnerstag fiel Chinas Netzgemeinde in Trauer, in die sich später Verwirrung mengte: Zunächst meldete die staatliche "Global Times", Li sei an den Folgen einer Lungenentzündung im Alter von 34 Jahren gestorben. Auch die Volkszeitung, ein weiteres Organ der chinesischen Regierung, meldete, Lis vermeintlicher Tod habe "nationale Trauer" ausgelöst. Stunden später dementierte das Spital, in dem Li behandelt wird: Er befinde sich in kritischem Zustand, sei aber am Leben. Weitere knapp zwei Stunden danach meldeten Staatsmedien dann erneut Lis Tod, diesmal unter Berufung auf das Krankenhaus – aber mit neuem Todeszeitpunkt. Statt um 15:30 MEZ, wie ursprünglich gemeldet, soll Li nun um 19:58 MEZ verstorben sein.

Die BBC schreibt unter Berufung auf Quellen im Spital, die Änderung der Berichte habe womöglich einen politischen Hintergrund. Vertreter der Regierung hätten sich nach den Meldungen über Lis Tod an das Spital gewandt und gefordert, diese zu dementieren. Daher hatte es zwischenzeitlich geheißen, Li erhalte extrakorporale Lungenunterstützung, eine Behandlung, bei der die Lungenfunktion vollständig durch eine Maschine übernommen wird.

Das Richtige getan

Seit der Veröffentlichung seiner Geschichte war Li von chinesischen Internet-Usern zum Helden erhoben worden. Er habe das Richtige getan, hieß es in zahlreichen Nachrichten in Chinas sozialen Medien – und die Behörden hätten ihn falsch behandelt. Auch Chinas Höchstgericht hatte sich eingeschaltet und den Artikel eines Richters verbreitet, der die lokalen Behörden in Wuhan kritisierte: "Wenn die Öffentlichkeit an die 'Gerüchte' geglaubt und Maßnahmen zum Schutz ergriffen hätte (...), wären wir nun in einer besseren Position, dieses Virus bekämpfen zu können", heißt es dort. Auch das galt als mögliches Ablenkungsmanöver – immerhin werfen die lokalen Behörden in Wuhan der Zentralregierung vor, sie habe sie zur Geheimhaltung des neuen Virus gedrängt.

In Chinas Internet baut sich seit den veröffentlichten, und dann vorübergehend wieder zurückgezogenen Todesmeldungen eine Welle der Unzufriedenheit auf. Ein Hashtag, der in etwa als "Wuhans Regierung schuldet Dr. Li Wenliang eine Entschuldigung" zu übersetzen ist, wurde mittlerweile im Dienst Sina Weibo zum gesperrten Suchbegriff.

Anderswo, etwa im Dienst WeChat Moments, wiederholen tausende User die Fragen "Können Sie damit umgehen? Verstehen Sie?", die Li während seiner erzwungenen Selbstkritik-Sitzung bei der Polizei gefragt wurde – und sie beantworten sie mit teils ausfälligen Flüchen, die sich an die Polizisten richten. Dort ist außerdem die Kritik an der Regierung kaum noch verschlüsselt: "Jetzt wissen wir, es sind nicht die Fledermäuse, die uns umbringen", ist etwa ein vielzitierter Spruch, der sich auf die mögliche Herkunft des Virus bezieht – aber vor allem auf die Reaktion der chinesischen Führung.

Das Coronavirus erklärt (Stand: 3. 2.).
DER STANDARD

Anstieg bei Todes- und Krankheitsfällen um zwölf Prozent

Abseits der politischen Komponente veröffentlichte Li vom Spital aus aber auch Informationen zu seinem eigenen Krankheitsverlauf, die das Virus womöglich in neuem Licht erscheinen lassen: Mehrfach war er nämlich nach Beginn seiner Erkrankung am 10. Jänner auf das neue Virus getestet worden – und immer wieder fielen die Angaben negativ aus. Erst vor wenigen Tagen, am 30. Jänner, hatte Li berichtet, dass es "endlich" einen positiven Test gegeben habe.

In der Provinz Hubei sind nach Angaben des chinesischen Staats-TV am Donnerstag insgesamt 69 weitere Menschen gestorben, die Gesamtzahl liegt nun bei 618. Außerdem gibt es 2.447 zusätzliche Infektionen in der Region – insgesamt sind es jetzt 22.112. In beiden Fällen entspricht dies einem Plus von etwa 12,5 Prozent. Stimmt dieser Wert, läge er deutlich unter jenen der Vortage.

Für ganz China gab es vorerst noch keine offiziellen Zahlen für den Donnerstag. Bis Mittwoch war von 563 Menschen, die Rede gewesen, die am neuen Coronavirus gestorben sind. Das war ein Anstieg um 14 Prozent zum Vortag. Die Zahl der Infizierten lag bei 28.018, 15 Prozent mehr als am Vortag. In den Tagen zuvor lagen die Raten oft über 20 Prozent.

Am Flughafen Wien wurde heute Fieber gemessen.
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Postiver Test in Deutschland...

Außerhalb der Volksrepublik China gibt es 337 bestätigte Krankheitsfälle, zwei Menschen sind gestorben: einer auf den Philippinen und einer in Hongkong. Insgesamt 1.428 Menschen haben sich nach den medizinisch bestätigten Angaben mittlerweile weltweit vollständig von der Krankheit erholt.

In Deutschland hat sich die Frau eines Infizierten mit dem Coronavirus angesteckt. Damit ist die Gesamtzahl der Virennachweise auf 13 gestiegen – 11 im Zusammenhang mit der bayerischen Firma Webasto und zwei bei Rückkehrern aus China. Der jüngste Virennachweis in Deutschland stammt von der 38-jährigen Frau eines der Patienten aus Bayern, wie das bayerische Gesundheitsministerium am Donnerstag mitteilte. In den vergangenen Tagen war bereits bekannt geworden, dass sich auch zwei Kinder des Paares angesteckt haben.

...negative Tests in Österreich...

In Österreich gibt es weiterhin keine bestätigten Fälle, die bisher geprüften Verdachtsmomente haben sich nicht erhärtet. Entwarnung gab es am Donnerstag auch hinsichtlich von vier Tirolern aus dem Bezirk Kufstein, die negativ getestet wurden. Zuvor schon hatte es bei drei möglichen Fällen in Kärnten geheißen, die betroffenen Personen seien nicht am Coronavirus erkrankt. Auch jene Frau, die am Mittwoch aus der Isolierstation des Landeskrankenhauses Salzbug entwichen war, leidet laut den Testergebnissen nicht am Coronavirus.

Am Flughafen Wien-Schwechat werden aus Sorge vor einer Verbreitung seit Donnerstagfrüh alle Ankommenden aus China via Fiebermessung untersucht. Die Passagiere von Air-China-Flug CA 841 aus Peking waren die ersten, die sich Temperaturchecks unterziehen mussten, bevor sie die Maschine verließen. Das Flugzeug hätte um 6.05 Uhr in Schwechat landen sollen, hatte aber mehr als sechs Stunden Verspätung.

... und Entwarnung in Schwechat

Man habe bei keinem der Passagiere Fieber festgestellt, und die rund 130 Fluggäste und 15 Crew-Mitglieder seien sehr diszipliniert gewesen, berichtete die niederösterreichische Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner nach Abschluss der Temperaturchecks am frühen Donnerstagnachmittag dem STANDARD.

Der nächste Direktflug aus China wird Samstagfrüh in Wien erwartet. Bei den Temperaturmessungen, die nun standardmäßig bei allen Direktflügen aus China erfolgen, kontrollieren Rot-Kreuz-Mitarbeiter mittels Infrarotthermometer noch im Flugzeug die Körpertemperatur der Fluggäste. Die Sanitäter tragen dabei Schutzanzüge, Handschuhe, Schutzmasken und -brillen. (mesc, spri, APA, 6.2.2020)