Wann kommt es schon vor, dass die Bürokratie einmal ein menschliches Antlitz zeigt, Bittsteller überhaupt, und dann nicht nur gnädig herablassend, sondern sogar aus Höflichkeit empfängt? So selten das der Fall ist, so sehr muss man es bedauern, dass die Justizministerin dieses zarte Pflänzchen Menschlichkeit, kaum gesprossen, mit der eisernen Faust einer Weisung knickt. Wie viele Menschen außerhalb der Casinos-Welt und der Volkspartei mag es noch geben, die aus einer "gewissen Gefühlslage" heraus Kontakt zu einem Sektionschef suchen, der bereit ist, "die Emotionen etwas herauszunehmen"? Was mit der Feststellung, die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft sei rechtskonform, sicher schwer genug war. Wo sollen diese Bedauernswerten künftig hin mit den gewissen Gefühlslagen?

Justizministerin Alma Zadić.
Foto: APA/AFP/DENIS LOVROVIC

Sicherheitshalber hat der Sektionschef über den Sachverhalt "Höflichkeit" einen Aktenvermerk angelegt, denn ganz geheuer war ihm die Sache vielleicht doch nicht. Umso mehr kann er sich freuen, dass ihm diese Arbeit aufgrund der Weisung der Ministerin künftig erspart bleibt. Nun muss er – Höflichkeit hin, Höflichkeit her – auf gewisse Gefühlslagen von Kunden keine Rücksicht mehr nehmen.

Message-Control

Was er sich auf der einen Seite erspart, hat er sich auf der anderen Seite eingebrockt. Indem er der Staatsanwaltschaft rechtskonformes Arbeiten ausdrücklich bestätigte, geriet er zum Gegenteil vom Bundeskanzler, der dieser Behörde im Geiste von "Derschlagts es!" entgegentrat. Mutig wie dieser nicht nur gegenüber Flüchtlingen und ausländischen Arbeitskräften ist, wählte er aus Gründen der Message-Control die Informationsform des Hintergrundgesprächs für die Verbreitung der Sensation, die Staatsanwälte stammten tendenziell aus der Kaderschmiede des Bundes sozialistischer Akademiker.

In seinem Fall lässt Höflichkeit zu wünschen übrig. Mit der Verbreitung der Neuigkeit wollte er sich nicht selber beschmutzen, er versuchte lieber, die Drecksarbeit Journalisten zuzuschieben, weil die Ablenkung von Ereignissen aus der Zeit von Türkis-Blau ein wenig glaubwürdiger wirkt, wenn sie unabhängig daherkommt.

So haben sich das vielleicht die Schlaumeier in seiner Kontrollabteilung ausgedacht. Verdienstvoll hat der "Falter" dieser Intrige auf Kosten der Justiz einen Strich durch die Rechnung und überdies klargemacht hat, dass Sinn der Vertraulichkeit von Hintergrundgesprächen in nützlichen Hintergrundinformationen besteht, aber nicht in der hinterfotzigen Instrumentalisierung von Medien für die Zwecke seiner Partei. Das Blatt spricht von "demokratiehygienischen Grenzen", die einzuhalten sind.

Je nach persönlicher Empfindlichkeit mag man finden, dass Kurz diese Grenzen damit nicht zum ersten Mal, sondern schon mit dem blauen Koalitionspartner überschritten hat, für den die Grünen bei Fortsetzung möglichst derselben Politik jetzt den Notnagel spielen sollen. Sie haben mitgespielt, als es galt, einen umfassenden Untersuchungsausschuss zu verhindern, und offensichtlich sind sie auch bereit, diesen Kanzlergriff ins Ressort von Alma Zadić stillschweigend zu übergehen. Sie könnten sich darüber wenigstens einen Aktenvermerk anlegen. (Günter Traxler, 6.2.2020)