Zwergloris

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Die Loris sind eine Ausnahmeerscheinung unter den Primaten. Die kleinen, nachtaktiven Baumbewohner haben nicht nur eine einzigartig gemächliche Fortbewegungsweise – ihr deutscher Name "Faulaffen" kommt nicht von ungefähr. Zu ihnen zählt auch eines der wenigen giftigen Säugetiere unseres Planeten.

Der Speichel einiger schwanzloser Plumploris (Nycticebus) wirkt leicht toxisch, zudem besitzen sie eine Drüse am Arm, die ein giftiges Sekret hervorbringt. Dieses entfaltet wiederum in Verbindung mit dem Speichel eine stärkere toxische Wirkung. Um die maximale Wirksamkeit zu entfalten, lecken die Loris an der Drüse und entwickeln so nicht nur einen giftigen Biss, sondern verteilen das toxische Gemisch auch auf ihrem Körper. Sie nutzen diese ungewöhnliche Strategie, um sich und ihre Jungen vor Konkurrenten und Fressfeinden zu schützen.

In Experimenten beobachteten Forscher, dass der Giftcocktail Raubtiere wie Marderbären, Nebelparder und Malaienbären zu vertreiben vermag. Diese Arten kommen in den südostasiatischen Verbreitungsgebieten der Loris vor. Für die Primaten, die eine Kopf-Rumpf-Länge von höchstens 38 Zentimetern erreichen, ist das ein überlebenswichtiger Vorteil. Denn vom Gifttrick einmal abgesehen, sind sie völlig wehrlos. In Gefahrensituationen verharren sie meist einfach. Ihr Gift setzen die Loris übrigens auch gegen konkurrierende Artgenossen ein – und sorgen mit ihren Bissen für hartnäckige, entzündliche Wunden.

Überraschungsprotein

Ein internationales Forscherteam hat das Gift der kleinen Tiere nun im Cikananga Wildlife Rescue Centre in Indonesien genauer untersucht – mit einer überraschenden Erkenntnis: Wie die Forscher im Fachblatt "Toxins" berichten, fanden sie im Lori-Gift unter anderem ein Protein mit verblüffender Ähnlichkeit zu einem Eiweiß, das für die Katzenallergie beim Menschen verantwortlich ist.

"Plumploris sind die einzigen bekannten giftigen Primaten, und dennoch sind sie kaum erforscht", sagte Bryan Fry von der University of Queensland, Leiter der Studie. "Unsere Analysen zeigen nun, dass ein Protein davon praktisch identisch zu einem allergenen Protein bei Katzen ist."

Die Funktion dieses Proteins namens Fel d1 für Katzen ist nicht gesichert. Sie produzieren es wie einige andere Allergene in ihrem Speichel und verteilen es über die Fellpflege auf dem Körper. Viele Menschen reagieren empfindlich darauf, häufig ist dabei – nicht ganz korrekt – von Katzenhaarallergie die Rede. Es sind aber nicht die Haare selbst, die allergen wirken.

Allergene Katzenwaffe?

Fry und Kollegen finden es bemerkenswert, dass dieses Protein aus dem toxischen Abwehrsystem der Loris auch bei Katzen zu finden ist. Sie mutmaßen, dass es sich womöglich zu einem ähnlichen Zweck entwickelt haben könnte: "Dass so viele Menschen an Katzenallergie leiden, ist vielleicht kein Zufall, sondern ein evolutionärer Schutzmechanismus der Tiere, um Feinde fernzuhalten", so Fry. "Die Fähigkeit, Allergien zur Verteidigung auszulösen, könnte sich unabhängig in beiden Arten entwickelt haben."

Die Forscher wollen dieser Hypothese nun genauer nachgehen und weitere Stoffe aus dem Gift der Loris analysieren. Gegen ihren größten Feind sind die Primaten übrigens trotz Gift und Allergenen machtlos: Bejagung durch den Menschen, illegaler Wildtierhandel und die Zerstörung ihres Lebensraums stellen die Hauptbedrohungen für die Loris dar. Die Weltnaturschutzunion listet die Tiere als stark gefährdet. (dare, 8.2.2020)