Robotersysteme, die Senioren Unterstützung bieten, sollen sich voll und ganz auf deren Bedürfnisse einstellen können. Mit einem Forschungsprojekt sollen die Grundlagen dafür geschaffen werden.

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Mit den Baby-Boomern erreicht eine Generation, die im Umgang mit neuen Technologien bereits durchaus versiert ist, ein fortgeschrittenes Alter. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass viele Boomer auch im Seniorenalter Wert auf einen individualistischen und selbstbestimmten Lebensstil legen. Diese Rahmenbedingungen schüren die Hoffnung, dass künftig intelligente Computer- und Robotiksysteme, die speziell für die Bedürfnisse älterer Personengruppen designt werden, verbreiteten Einsatz finden können. Personen, die grundsätzlich noch fähig sind, allein zu leben, soll mit diesen Mitteln Unterstützung und Abwechslung im Alltag geboten werden.

Das Forschungsprojekt RoboGen, das vom Forschungsunternehmen Salzburg Research geleitet wird, hat sich in diesem Bereich positioniert. Auf Basis von Feedback von potenziellen Nutzern entwickeln die Forschenden dabei Konzepte für eine vernetzte technische Umgebung, in der die Bedürfnisse einer individuellen Person erkannt werden können. Das System soll dabei lernen, aufgrund der gesammelten Daten etwa mit Empfehlungen oder Tipps immer besser auf diese Person einzugehen.

Gendersensitive Interaktion

Ein wesentlicher Aspekt des Projekts, das im Rahmen des FEMtech-Programms der Förderagentur FFG und des Verkehrsministeriums unterstützt wird, ist eine "gendersensitive Interaktion" mit den Systemen. Die Designs sollen Geschlechterstereotype vermeiden und auch auf dieser Ebene eine Umgebung bieten, die den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen gerecht wird. Der Diversität und Heterogenität einer neuen Seniorengeneration soll damit Genüge getan werden. Als Forschungspartner ist neben der Hilfsorganisation der Johanniter das Zentrum für Gender und Diversität Moves mit an Bord.

"Soziale Roboter sind in den vergangenen Jahren erschwinglicher geworden", sagt Projektleiterin Manuela Plößnig von Salzburg Research. "Wir sichten, welche Anwendungen am Markt verfügbar sind und wie sie für unsere Zwecke einsetzbar sein könnten." Die Kompatibilität verschiedener technischer Systeme im Haushalt nimmt zu. Smarthome-Systeme wie Amazons Alexa, Smart Watches und Fitnessarmbänder sowie Heimroboter können immer öfter dazu gebracht werden, zu kommunizieren und Daten auszutauschen.

Für die Entwicklung einer prototypischen Anwendung für eine hochgradig personalisierte Interaktion wurde der Roboter "Q.bo One" des spanischen Herstellers TheCorpora ausgewählt. Bestehend aus Open-Source-Computerteilen bietet er eine gut geeignete, offene Entwicklungsumgebung für aufbauende, eigene Erweiterungen.

Persönliche Vorlieben

"Wir konzentrieren uns auf Anwendungsfälle für Senioren und Patienten, die unter chronischen Erkrankungen wie Diabetes leiden", sagt Manuela Plößnig. "Wir haben mehrere Szenarios und Testfälle entwickelt und an Fokusgruppen abgetestet." Beispielsweise könnten auf Basis von Daten, die von einem Fitnessarmband kommen, maßgeschneiderte Tipps für das richtige Ausmaß an Bewegung generiert werden. Abseits der Bewegungsdaten sind dabei Informationen über den Zustand der Person, ihre Beweglichkeit, Bedürfnisse und persönliche Vorlieben notwendig. Plößnig: "Für eine ältere Person mit Gehhilfe kommen andere Bewegungstipps in Betracht als für einen sportlichen Diabetiker, der körperliche Betätigung, Nahrungsaufnahme und Insulinspiegel koordinieren muss."

Ein theoretischer Ausgangspunkt für die Anpassung des Systems an seine Nutzer ist das Konzept der Intersektionalität, das Differenzen und Diskriminierungen, die Menschen aus unterschiedlichen Gründen erfahren, in ihrem jeweiligen Zusammenspiel betrachtet und analysiert. Geschlecht, Bildungsniveau, Technologiekompetenz, Krankheiten, Pflegepersonen in der Umgebung – das alles sind Aspekte, die auch für die Ausgestaltung eines robotischen Assistenten relevant sind.

Die Stimme macht es aus

Um der einzigartigen, individuellen Situation eines Anwenders gerecht werden zu können, steht deshalb eine weitreichende Personalisierung des Systems im Zentrum. "Das fängt schon bei der Stimme an, die dem Roboter gegeben wird. Sie kann männlich, weiblich oder neutral sein. Manche ältere Patienten mit Hörhilfe haben vielleicht Probleme mit höheren Tönen und benötigen tiefere Stimmlagen", erläutert die Projektleiterin.

Abstrakter ist dann bereits die Frage, wie groß das Autonomiebedürfnis eines Nutzers ist. Soll das System von selbst aktiv werden und Vorschläge unterbreiten oder nur nach Aufforderung? Fühlt sich ein Nutzer eingeengt, wenn Daten über sein Verhalten automatisch verarbeitet werden, oder begrüßt er die Hilfe? Im Projekt befassen sich die Forscher auch mit Systemen, die darauf ausgerichtet sind, vor allem durch die automatisierte Analyse von Bilddaten über die Mimik eines Menschen Emotionen zu erkennen. "Manchen Teilnehmern unserer Fokusgruppen erschien diese Vorstellung problematisch, anderen nicht", erklärt Plößnig. "Letztendlich ist es wichtig, dass die Benutzer das Gefühl haben, die Kontrolle über das System zu behalten und unerwünschte Funktionen auch wieder ausschalten zu können." (Alois Pumhösel, 24.2.2020)